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Dokument-Nr. 32466

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Urteil16.12.2022BundesgerichtshofV Z//R 144/21
Vorinstanzen:
  • Landgericht Landshut, Urteil01.07.2020, 91 0 2179/19
  • Oberlandesgericht München, Urteil16.06.2021, 20 U 4632/20
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil16.12.2022

Bundes­ge­richtshof zur Wirksamkeit eines 30-jährigen Wieder­kaufs­rechts der Gemeinde in einem städtebaulichen VertragGemeinde darf Bauland bis zu 30 Jahre lang zurückkaufen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine Gemeinde nicht gegen das Gebot angemessener Vertrags­ge­staltung verstößt, wenn sie sich bei einem Verkauf von Bauland an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages zu einem marktgerechten Preis ein Wieder­kaufsrecht für den Fall vorbehält, dass der Käufer das Grundstück nicht innerhalb von acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut. Dies gilt selbst dann, wenn eine Ausübungsfrist für das Wieder­kaufsrecht nicht vereinbart ist und dieses somit innerhalb der gesetzlichen Frist von 30 Jahren ausgeübt werden kann.

Der Beklagte kaufte von der Klägerin, einer Marktgemeinde in Bayern, mit notariellem Vertrag vom 21. Januar 1994 ein Grundstück zu einem Preis von 59.472 DM. Dabei handelte es sich um einen marktgerechten Preis. Der Beklagte verpflichtete sich, auf dem Grundstück innerhalb von acht Jahren ab dem Tag des Kaufs ein bezugsfertiges Wohngebäude entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu erstellen. Für den Fall, dass das Wohngebäude nicht fristgemäß errichtet oder das Vertrags­grundstück ohne Zustimmung der Klägerin in unbebautem Zustand weiterveräußert wird, verpflichtete sich der Beklagte, das Eigentum an dem Grundstück der Klägerin auf Verlangen kosten- und lastenfrei zurück zu übertragen gegen Zahlung des ursprünglichen Kaufpreises, sonstiger gemäß der Vertragsurkunde bezahlter Beträge und nachweisbarer Kosten für die zwischen­zeitlich erfolgten Erschlie­ßungs­maß­nahmen. Zinsen sollten von der Klägerin in diesem Fall nicht zu entrichten sein. Der Beklagte errichtete in der Folgezeit kein Wohngebäude. Mit Schreiben vom 14. November 2014 teilte ihm die Klägerin mit, dass sie von ihrem Rücküber­tra­gungsrecht Gebrauch mache. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, das Grundstück an die Klägerin aufzulassen und die Eigen­tum­s­um­schreibung im Grundbuch zu bewilligen. Das Oberlan­des­gericht hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Wieder­kaufsrecht trotz Ausübungsfrist von 30 Jahren zumutbar

Der Bundes­ge­richtshof hat das Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde: Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB müssen die in einem städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Bei wirtschaft­licher Betrachtung des Gesamtvorgangs darf die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde - hier der klagenden Gemeinde - erbrachten oder zu erbringenden Leistung stehen und die vertragliche Übernahme von Pflichten darf auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner führen. Nach diesem Maßstab stellt sich das Wiederkaufsrecht der Klägerin auch unter Berück­sich­tigung der Ausübungsfrist von 30 Jahren nicht als unangemessen dar. Bauver­pflich­tungen wie die vorliegende dienen dem anerken­nens­werten städtebaulichen Zweck, die (zeitnahe) Erreichung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele sicherzustellen bzw. zu fördern und Grund­s­tückss­pe­ku­la­ti­o­ns­ge­schäfte zu verhindern. Es ist daher für sich genommen nicht zu beanstanden, wenn eine Gemeinde dem privaten Käufer ein im Gebiet eines Bebauungsplans gelegenes Grundstück nur gegen Übernahme einer Bebau­ungs­ver­pflichtung verkauft und diese Verpflichtung durch ein Wieder­kaufsrecht für den Fall des Verstoßes absichert.

Pflicht zur Bebauung stellt keine schwerwiegende Belastung dar

Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung setzt auch nicht voraus, dass dem Käufer das Grundstück unterhalb des Verkehrswertes verkauft wird, zumal Gemeinden unter beihilfe- und haushalts­recht­lichen Gesichtspunkten Grundstücke grundsätzlich nicht unter dem Verkehrswert veräußern dürfen. Die Pflicht, das Grundstück den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß zu bebauen, stellt für den Erwerber eines im Baugebiet gelegen Grundstücks regelmäßig keine schwerwiegende Belastung dar. Denn üblicherweise wird er ohnehin beabsichtigen, das Grundstück zu bebauen, und muss hierbei die Vorgaben des Bebauungsplans einhalten. Die hier vereinbarte Bebauungsfrist von acht Jahren ist auch nicht unangemessen kurz. Ebenso wenig führt der vereinbarte Wieder­kauf­spreis zur Unange­mes­senheit der Regelung. Im Grundsatz ist es nicht unbillig, den Preis, zu welchem verkauft worden ist, als Wieder­kauf­spreis zu vereinbaren, da dies der gesetzlichen Zweifels­re­gelung entspricht. Dass der ursprüngliche Kaufpreis nicht zu verzinsen ist, entspricht dem Umstand, dass der Käufer seinerseits nicht verpflichtet ist, gezogene Nutzungen an den Verkäufer (und Wiederkäufer) herauszugeben.

Länge der gesetzlichen Frist kein einseitiger Vorteil für die Gemeinde

Schließlich ist die Vereinbarung des Wieder­kaufs­rechts auch nicht deshalb unangemessen, weil keine Regelung über die Frist zur Ausübung getroffen wurde und damit die gesetzliche Frist von 30 Jahren gilt. Denn die einschlägigen gesetzlichen Regelungen sind im Rahmen von § 11 Abs. 2 BauGB wertungsmäßig zu berücksichtigen. Die Länge der gesetzlichen Frist stellt sich auch nicht einseitig als Vorteil für die Gemeinde und als Nachteil für den Käufer dar. Denn sie ermöglicht es der Gemeinde, im Einzelfall flexibel zu reagieren, etwa indem sie einem unverschuldet in wirtschaftliche Not geratenen Käufer die Frist für die Erfüllung der Bebau­ungs­ver­pflichtung verlängert. Bei einer kürzeren Ausübungsfrist wäre die Gemeinde hingegen gezwungen, ihr Recht sofort oder zumindest zeitnah auszuüben, um es nicht zu verlieren. Alternativ müsste sie von vornherein eine kürzere Frist für die Bebau­ungs­ver­pflichtung vorsehen, um nach deren Ablauf ausreichend Zeit für die Prüfung des weiteren Vorgehens zu haben. Beide Varianten wären von Nachteil für die jeweiligen Käufer. Anders als das Berufungs­gericht meint, lässt sich die Unange­mes­senheit der in Rede stehenden Regelung nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu Ausübungs­fristen für den Wiederkauf beim sog. "Einhei­mi­schen­modell" ableiten. Durch dieses soll in Gemeinden, die eine starke Nachfrage nach Bauland durch auswärtige Interessenten verzeichnen, Einheimischen der Erwerb von Bauflächen zu bezahlbaren, in der Regel deutlich unter dem Verkehrswert liegenden Preisen ermöglicht werden. Dies ist nur zulässig, wenn sichergestellt wird, dass die bevorzugten Käufer die auf den Grundstücken zu errichtenden Eigenheime für einen bestimmten Zeitraum selbst nutzen und nicht auf Kosten der Allgemeinheit Gewinne erzielen, indem sie das verbilligte Bauland alsbald zum Verkehrswert weiterveräußern oder den Grundbesitz an Dritte vermieten. Vertragliche Regelungen, die entsprechende Bindungen begründen, schaffen mithin erst die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen für die Vergabe preisgünstigen Baulands. Da die Bindung des Käufers beim Einhei­mi­schen­modell der Preis für den verbilligten Erwerb des Grundstücks ist, hängt die zulässige Bindungsdauer von dem Umfang der Verbilligung ab.

Grundlegende Unterschiede zum Einhei­mi­schen­modell

Die vorliegend zu beurteilende Regelung unterscheidet sich grundlegend von einem Grund­s­tücks­verkauf im Einhei­mi­schen­modell. Dem Beklagten wird keine langfristige Bindung auferlegt, die nur mit einer angemessen hohen Subvention zu rechtfertigen wäre. Er ist bzw. war einzig verpflichtet, das Grundstück innerhalb von acht Jahren mit einem dem Bebauungsplan entsprechenden Wohngebäude zu bebauen. Hätte er diese Verpflichtung erfüllt, wäre das Wieder­kaufsrecht der Klägerin erloschen bzw. nicht entstanden. Bei der Bebauungsfrist handelte es sich auch nicht um eine Mindestfrist, der Beklagte war also auch nicht für einen Zeitraum von acht Jahren "gebunden". Er hätte das Grundstück vielmehr sofort nach Abschluss des Kaufvertrages und Erteilung einer Baugenehmigung bebauen und das Wieder­kaufsrecht damit zum Erlöschen bringen können. Auch konnte er, anders als regelmäßig beim Einhei­mi­schen­modell, über das Grundstück nach dessen Bebauung frei verfügen. Die Regelung über das Wieder­kaufsrecht der Klägerin verstößt auch nicht deshalb gegen das Gebot der angemessenen Vertrags­ge­staltung, weil sie keine Ausnahmen für Härtefälle vorsieht. Eine Gemeinde ist auch bei der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte an den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit gebunden, weil sie als öffentliche Körperschaft den Grundsätzen des Verwal­tungs­pri­vat­rechts unterliegt. Die Klägerin hatte daher im Wege einer Ermes­sen­s­ent­scheidung zu prüfen, ob die Ausübung des Wieder­kaufs­rechts im Interesse der Sicherung des mit ihm verfolgten Zwecks geboten ist oder eine vermeidbare Härte darstellt. Umstände, die die Klägerin dazu veranlassen mussten, von der Ausübung des Wieder­kaufs­rechts abzusehen, sind vorliegend nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich; der schlichte Zeitablauf seit dem Verstreichen der Bebauungsfrist reicht hierfür schon deshalb nicht aus, weil der Beklagte auch nach Fristablauf nicht gebaut hat. Der Bundes­ge­richtshof konnte gleichwohl nicht in der Sache selbst entscheiden, denn das Berufungs­gericht hat, aus seiner Sicht folgerichtig, bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Geschäftsleiter der Klägerin, der die Ausübung des Wieder­kaufs­rechts erklärt hatte, zur Abgabe der Erklärung befugt war. Die Wirksamkeit der Erklärung ließ sich daher im Revisi­ons­ver­fahren nicht abschließend beurteilen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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