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- Amtsgericht Saarbrücken, Beschluss06.01.2014, 7 XIV 2/14
- Landgericht Saarbrücken, Beschluss04.02.2014, 5 T 19/14
- BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Festhaltung eines ausländischen Strafverfolgten im Rahmen internationaler Rechtshilfe erfolgreichBundesverfassungsgericht, Beschluss16.09.2010, 2 BvR 1608/07
- Mitgliedsstaat muss während Prüfung des Asylantrags Mindestgrundversorgung von Asylbewerbern sicherstellenGerichtshof der Europäischen Union, Urteil27.09.2012, C-179/11
Bundesgerichtshof Beschluss26.06.2014
Gesetzliche Grundlagen zur Inhaftnahme von Asylbewerbern zur Überstellung in einen anderen EU-Mitgliedstaat nicht gegebenNorm legt keine objektiven Kriterien für Fluchtgefahrannahmen fest und bewirkt Rechtswidrigkeit der Inhaftierung von Ausländern zum Zwecke der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat
Nach der derzeitigen Rechtslage darf gegen einen Ausländer in der Regel nicht die Haft angeordnet werden, um seine Überstellung in den für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat zu sichern. Eine solche Haftanordnung verletzt die Betroffenen in ihrem Freiheitsrecht. Dies entschied der Bundesgerichtshof.
Der Rechtsbeschwerdeführer des zugrunde liegenden Verfahrens, ein pakistanischer Staatsangehöriger, war illegal nach Deutschland eingereist, nachdem er zuvor in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte.
BGH erklärt Haftanordnung für unzulässig
Das Amtsgericht hat gegen ihn Haft angeordnet, um seine Überstellung nach Ungarn zu sichern. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und entschieden, dass nach der derzeitigen Rechtslage gegen einen Ausländer in der Regel nicht die Haft angeordnet werden darf, um seine Überstellung in den für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat zu sichern. Die Haftanordnung hat den Betroffenen daher in seinem Freiheitsrecht verletzt.
Inhaftierung zur Sicherstellung der Überstellung gemäß Dublin-III-Verordnung nur bei erheblicher Fluchtgefahr zulässig
Hintergrund des Verfahrens ist die Novellierung der unionsrechtlichen Regelungen über die Festlegung der Kriterien und das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, sogenannte Dublin-III-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013, ABL. Nr. L 180, S. 31). In dieser Verordnung, die auf alle seit dem 1. Januar 2014 an andere Mitgliedstaaten gerichteten Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden ist, sind erstmals durch das Gemeinschaftsrecht auch die Voraussetzungen für eine Inhaftnahme geregelt. Danach darf eine Person zur Sicherstellung ihrer Überstellung nur dann in Haft genommen werden, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen (Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung). Die Verordnung bestimmt zudem den Begriff der "Fluchtgefahr" als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, dem gegen ihn laufenden Überstellungsverfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte (Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung).
Gesetzlichen Bestimmungen wie in der zuvor geltenden Dublin-II-Verordnung noch nicht geregelt
Der Bundesgesetzgeber hat bisher keine gesetzlichen Bestimmungen zur Ausfüllung des Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung geschaffen. Nach der zuvor geltenden Dublin-II-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003,ABl. Nr. L 50, S. 1), erfolgte die Inhaftierung zur Sicherung der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Deutschland nach der Vorschrift des § 62 AufenthG. In den meisten Fällen wurde die Haft auf der Grundlage von § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG angeordnet, wonach ein Ausländer in Haft zu nehmen ist, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
Inhaftnahmen von Ausländern zum Zwecke der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat gemäß Dublin-III-Verordnung rechtswidrig
Unter Geltung der Dublin-III-Verordnung sind auf § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gestützte Inhaftnahmen von Ausländern zum Zwecke der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nun aber rechtswidrig. Denn diese Norm legt (anders als § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 AufenthG) keine objektiven Kriterien für die Annahme von Fluchtgefahr fest und genügt daher nicht den durch Art. 2 Buchstabe n Dublin III-Verordnung gestellten Anforderungen. Das hat zur Folge, dass zurzeit Haftanordnungen zum Zweck der Überstellung von Ausländern nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung nicht ergehen dürfen.
Auszug aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 201 (Dublin-III-Verordnung)
Artikel 2 Definitionen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
[...]
n) "Fluchtgefahr" das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.
Artikel 28 Haft
(1) [...]
(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.
Auszug aus dem Aufenthaltsgesetz
§ 62 Abschiebungshaft
Erläuterungen
[...]
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
[...]
2. die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
3. er aus von ihm zu vertretenden Gründen zu einem für die Abschiebung angekündigten Termin nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde,
4. er sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat oder
5. der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
[...]
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.07.2014
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
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