21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil24.10.2011

BGH: Kündigung eines Presse­gros­sisten durch den Bauer-Verlag wirksamAlleiniger Zeitschrif­ten­vertrieb über konzerneigene Gesellschaft PVN zulässig

Die Kündigung des verlags­u­n­ab­hängigen Presse-Grossisten Grade durch die Bauer Media Group ist wirksam. Bauer ist deshalb nicht verpflichtet, seine Presse­er­zeugnisse im Vertriebsgebiet von Grade weiterhin an diesen Grossisten zu liefern. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Der Großhandel mit Zeitungen und Zeitschriften erfolgt in Deutschland seit Jahrzehnten im Presse-Grosso-System. Dabei vertreiben etwa 70, weit überwiegend mittelständisch strukturierte Grossisten in ihren Vertrie­bs­ge­bieten jeweils ausschließlich die Presse­er­zeugnisse aller Verlage an die insgesamt rund 120.000 Verkaufsstellen des Einzelhandels. Infolgedessen besteht in Deutschland ein Netz von Grosso-Gebiets­mo­nopolen. Nur in Hamburg und Berlin gibt es jeweils zwei Grossisten ("Doppel-Grosso").

Sachverhalt

Der Verband Deutscher Zeitschriften-Verleger (VDZ), dem Bauer angehört, der Bundesverband Deutscher Zeitungs­verleger und der Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten, dessen Mitglied Grade ist, haben sich im August 2004 auf Anregung der Bundesregierung in einer Gemeinsamen Erklärung "zugunsten der Übera­l­ler­hält­lichkeit und Vielfalt des Presseangebots in Deutschland" zum "bewährten" Grosso-Vertriebssystem "einmütig bekannt".

Die Bauer Media Group gehört zu den führenden deutschen und europäischen Zeitschrif­ten­verlagen. Sie hat Anfang 2009 den Presse-Grosso-Vertrie­bs­vertrag mit der Heinz-Ulrich Grade KG, die ihr Vertriebsgebiet im Hamburger Umland hat, gekündigt. Seither vertreibt Bauer ihre Zeitschriften in diesem Gebiet über ihre Konzern­ge­sell­schaft PVN. Hiergegen hat Grade Klage mit dem Ziel erhoben, weiterhin ausschließlich mit den Presse­er­zeug­nissen von Bauer beliefert zu werden.

OLG erklärt Kündigung des Grosso-Vertrie­bs­vertrags als wirksam

Das Oberlan­des­gericht Schleswig hat die Kündigung des Grosso-Vertrie­bs­vertrags als wirksam erachtet und – anders als das Landgericht Kiel – einen Belie­fe­rungs­an­spruch mit Presse­er­zeug­nissen des Bauer-Verlags verneint.

BGH: Bauer war durch Gemeinsame Erklärung nicht an Kündigung gehindert

Die dagegen von Grade eingelegte Revision hat der Bundes­ge­richtshof im Wesentlichen zurückgewiesen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass Bauer an der Kündigung nicht durch die Gemeinsame Erklärung gehindert war. Diese begründet für den Verlag keine Rechtswirkungen. Denn Bauer ist dieser Erklärung nicht beigetreten und hat ihren Inhalt auch nicht im Wege einer Änderung der Grossisten-Verträge als verbindlich anerkannt.

Wettbe­wer­b­s­chancen von Grad durch Vorgehensweise Bauers nicht beeinträchtigt

Die Klage konnte auch nicht mit Erfolg auf § 20 Abs. 1 GWB (Behinderungs- und Diskri­mi­nie­rungs­verbot) gestützt werden. Eine verbotene Diskriminierung liegt nicht vor. Soweit Bauer in anderen Gebieten weiterhin Presse­gros­sisten allein beliefert, beeinträchtigt das nicht die Wettbe­wer­b­s­chancen der Klägerin. Es stellt auch keine unbillige Behinderung von Grade dar, dass Bauer den Vertrieb seiner Presser­zeugnisse der PVN überträgt. Jedem Unternehmen steht es grundsätzlich frei, den bisher unabhängigen Händlern übertragenen Vertrieb seiner Produkte selbst zu übernehmen.

Zu gewährleistende Funkti­o­ns­fä­higkeit der Preisbindung für Zeitungen und Zeitschriften wird durch Kündigung des Grossisten-Vertrags nicht in Frage gestellt

Besondere Umstände, aus denen sich dennoch eine Unbilligkeit der Kündigung von Grade ergeben könnte, waren nicht ersichtlich. Allerdings war zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit der Presse­gros­sisten in den Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) einbezogen ist. In diesem Zusammenhang ist die Funkti­o­ns­fä­higkeit der Preisbindung für Zeitungen und Zeitschriften zu gewährleisten, die der Gesetzgeber zum Schutz der Pressefreiheit zugelassen hat. Sie wird durch die Kündigung des Grossisten-Vertrags der Klägerin aber nicht in Frage gestellt. Denn ein notwendiger Zusammenhang zwischen gebiets­be­zogener Allein­aus­lie­ferung und Preisbindung besteht nicht. Es werden auch weder die Interessen der Zeitschrif­ten­ein­zel­händler an einem umfassenden Sortiment und einer einfachen Remission beeinträchtigt, noch diejenigen kleiner Verlage an einem ungehinderten Marktzutritt. Denn auch in Hamburg und Berlin sind keine Schwierigkeiten mit dem dort bestehenden Doppel-Grosso bekannt geworden. Zudem bleibt die Klägerin wegen ihrer auch ohne die Presse­er­zeugnisse von Bauer überragenden Stellung beim Pressevertrieb in ihrem Gebiet verpflichtet, allen Verlagen dort Marktzugang zu gewähren.

Alleiniger Vertrieb von Erzeugnissen über Tochter­ge­sell­schaft PVN nicht zu beanstanden

Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass Bauer keine logistischen Gründe dafür hatte, ihrer bisher allein in Hamburg tätigen Konzern­ge­sell­schaft PVN zunächst nur den Vertrieb im Hamburger Umland zusätzlich zu übertragen. Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Belieferung neben der PVN besteht ebenfalls nicht. Die Beklagte ist berechtigt, ihre Erzeugnisse im Gebiet der Klägerin künftig allein über ihre Tochter­ge­sell­schaft PVN zu vertreiben.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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