18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil21.07.2016

BGH zur Haftung eines Anwalts für Vermö­gens­schäden, die der Vertreter des Mandanten erleidetSchaden­s­er­satzklage des ehemaligen Minis­ter­prä­si­denten Stefan Mappus gegen die vom Land Baden-Württemberg beauftragte Anwaltskanzlei erfolglos

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen ein Dritter in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrags einbezogen worden ist.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens war von Februar 2010 bis Mai 2011 Minis­ter­prä­sident des Landes Baden-Württemberg. Das Land Baden-Württemberg beauftragte die beklagte Anwaltskanzlei Ende November 2010 mit der anwaltlichen Beratung im Zusammenhang mit dem geplanten Erwerb der Aktien der börsennotierten Energie Baden-Württemberg AG von der Electricité de France S.A.

Kläger rügt Verletzung der Pflichten aus dem Anwaltsvertrag

Der Kläger wirft den Beklagten vor, sie hätten ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Der Anwaltsvertrag habe auch seinem Schutz gedient. Durch die Pflicht­wid­rigkeit der Beklagten habe er einen Schaden erlitten. Dieser bestehe insbesondere in den Kosten, die ihm für seine Verteidigung im gegen ihn geführten straf­recht­lichen Ermitt­lungs­ver­fahren entstanden seien, sowie in Vermö­gen­s­einbußen aufgrund der Beendigung eines von ihm nach der Niederlegung seines Landtagsmandats aufgenommenen Dienst­ver­hält­nisses. Der Kläger hat deshalb eine Feststel­lungsklage erhoben.

Vorinstanzen verneinen Ansprüche des Klägers

Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlan­des­gericht wies die Berufung des Klägers zurück. Nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts stehen dem Kläger aus dem Anwaltsvertrag zwischen dem Land und der beklagten Anwaltskanzlei keine Ansprüche gegen die Beklagten zu. Der Anwaltsvertrag enthalte keine ausdrücklichen Vereinbarungen über eine Einbeziehung des Klägers. Eine Schutzwirkung des Anwaltsvertrags zugunsten des Klägers ergebe sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertrags­aus­legung, weil es an einem ausreichenden Näheverhältnis des Klägers zu der dem Land geschuldeten Beratungs­leistung der Beklagten fehle.

Anwaltsvertrag hat im Allgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten eines Vertreters des Mandanten

Die hiergegen gerichtete, vom Berufungs­gericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass ein Anwaltsvertrag im Allgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten eines Vertreters des Mandanten hat, soweit der Gegenstand des Anwaltsvertrags die Beratung für Entscheidungen des Mandanten ist und die Vermö­gen­s­einbußen des Vertreters darauf zurückzuführen sind, dass der Vertreter möglicherweise auf der Grundlage der anwaltlichen Beratung seinerseits seine gegenüber dem Mandanten bestehenden Pflichten verletzt hat.

BGH sieht Voraussetzungen für drittschützende Wirkung des Anwaltsvertrags nicht erfüllt

Ein Anwaltsvertrag kann drittschützende Wirkung haben, sofern der Dritte mit der Leistung des Anwalts bestim­mungsgemäß in Berührung kommt, der Mandant ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags hat, dies dem Anwalt erkennbar und der Dritte schutzbedürftig ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der vom Land mit der beklagten Anwaltskanzlei abgeschlossene Vertrag nicht. Die bisherigen Entscheidungen, in denen bei Anwalts­ver­trägen eine Schutzwirkung zugunsten eines Dritten anerkannt worden ist, beruhen in einer Fallgruppe darauf, dass die anwaltliche Beratung dem Dritten als Grundlage für Dispositionen über sein eigenes Vermögen dienen oder auf ihrer Grundlage dem Dritten ein Vermö­gens­vorteil zugewendet werden soll. In anderen Fällen ging es darum, dass die Leistung des Anwalts auch dazu bestimmt war, dass der Dritte konkret feststehende Handlungsgebote, die ihn persönlich trafen, einhalten und so eine persönliche Haftung gegenüber Außenstehenden vermeiden konnte.

Gegenstand des Anwaltsvertrags war Beratung des Landes

Der Beratungs­vertrag des Landes mit der beklagten Anwaltskanzlei ist hiermit nicht vergleichbar. Gegenstand des Anwaltsvertrags war die Beratung des Landes zu einer vom Land zu treffenden Entscheidung. Die Beratung eines Anwalts für Entscheidungen des Mandanten begründet regelmäßig kein Näheverhältnis für den Vertreter des Mandanten. Außerdem hat der Mandant in solchen Fällen im Allgemeinen kein Interesse an einer Einbeziehung seines Vertreters in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrags, soweit der Vertreter seinerseits die ihn selbst gegenüber dem Mandanten treffenden Pflichten einzuhalten hat.

BGH verneint Schutzpflichten des Mandanten zugunsten seines Vertreters für dessen rechts­ge­schäft­liches Handeln

Zur Begründung stellte der Bundes­ge­richtshof unter anderem darauf ab, dass in diesen Fällen eine Gefahr von Vermö­gens­schäden für den Vertreter typischerweise nur besteht, wenn diesem eigene Pflicht­ver­let­zungen aus dem Rechts­ver­hältnis zum Mandanten ob zu Recht oder Unrecht vorgeworfen werden. Insoweit erhält der Vertreter des Mandanten aber schon dadurch ausreichenden Schutz, dass bereits der dem Mandanten erteilte Rechtsrat zu einer Verbesserung der Position des Vertreters führt. Befolgt der Vertreter den dem Mandanten erteilten Rat, mindert dies das Haftungsrisiko des Vertreters bis hin zu einem möglichen Ausschluss eines Verschuldens des Vertreters. Regelmäßig bestehen keine Schutzpflichten des Mandanten zugunsten seines Vertreters für dessen rechts­ge­schäft­liches Handeln; vielmehr hat in Vertre­tungs­fällen typischerweise der Vertreter die Aufgabe, die Vermö­gen­s­in­teressen des von ihm vertretenen Mandanten zu schützen. Deshalb konnte das Berufungs­gericht in revisi­ons­rechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Schutzwirkung des Anwaltsvertrags zugunsten des Klägers verneinen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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