18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 5566

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Urteil08.11.2007BundesgerichtshofIX ZR 5/06
Vorinstanzen:
  • Landgericht Koblenz, Urteil26.01.2005, 15 O 433/03
  • Oberlandesgericht Koblenz, Urteil16.12.2005, 8 U 229/05
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Bundesgerichtshof Urteil08.11.2007

BGH: Rechtsanwalt muss auf Mandats­be­zie­hungen zum Gegner der von ihm vertretenen Partei hinweisenAnspruch auf Honorar­rü­ck­zahlung bei Unterlassung

In einem Grundsatzurteil hat der Bundes­ge­richtshof erstmals die Frage behandelt, unter welchen Voraussetzungen ein Anwalt verpflichtet ist, vor Abschluss des Anwalts­ver­trages auf Mandats­be­zie­hungen seiner Sozietät zum Gegner seines Auftraggebers hinzuweisen.

Der Anwalt hatte die jetzige Klägerin außer­ge­richtlich gegen eine Großbank vertreten und dafür ein Stundenhonorar von 500 € netto verlangt und erhalten. Als die Klägerin ihn beauftragte, gegen die Bank zu klagen, schrieb ihr der Anwalt, er könne dies nicht, weil sein Sozius die Bank regelmäßig vor Gericht vertrete und er "den stärksten Umsatzbringer" nicht "vergraulen" wolle. Die Klägerin, die bereits Honorar in Höhe von 22.003,50 € gezahlt hatte, kündigte das Mandat sofort und verlangte Schadensersatz.

Vorinstanzen wiesen Klage ab - Kein Parteiverrat

Das Oberlan­des­gericht hat wie zuvor das Landgericht die Klage abgewiesen, weil der Anwalt die Bank nicht gegen die Klägerin vertreten, also keinen Parteiverrat begangen habe. Dieses Urteil hatte keinen Bestand. Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus. Umstände, welche Zweifel an der Unabhängigkeit des Anwalts begründen können, hat dieser offen zu legen.

Häufige Mandats­be­zie­hungen zum Gegner müssen offenbart werden

Häufige Mandats­be­zie­hungen zum Gegner sind offen­ba­rungs­pflichtig, weil sie zu besonderer Identifikation mit dessen Angelegenheiten und zu wirtschaft­licher Abhängigkeit führen können. Ist der Anwalt aus Rücksicht auf den Gegner von vornherein nicht bereit, einen Rechtsstreit zu führen, hat er erst recht darauf hinzuweisen, damit der Auftraggeber entscheiden kann, ob er diesen oder doch einen anderen Anwalt beauftragen will. Unterlässt der Anwalt die gebotenen Hinweise, kann er zur Rückzahlung des erhaltenen Honorars verpflichtet sein. – Weil der wirkliche Grund der Weigerung, für die Klägerin gerichtlich tätig zu werden, sowie die Schadenshöhe streitig waren, wurde die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 25/2008 des BGH vom 08.02.2008

der Leitsatz

1. Wird eine Anwaltssozietät häufig von dem Gegner der Partei, die ihr ein neues Mandat anträgt, beauftragt, so muss sie auch dann auf diesen Umstand hinweisen, wenn ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang mit den vom Gegner erteilten Aufträgen nicht besteht.

2. Ist der Anwalt von Anfang an nicht bereit, den Mandanten auch gerichtlich gegenüber dem Gegner zu vertreten, so hat er dies ungefragt zu offenbaren.

3. Steht fest, dass der Anwalt seine vorvertragliche Aufklä­rungs­pflicht über Mandats­be­zie­hungen seiner Sozietät zum Gegner der Partei oder über Grenzen seiner Vertre­tungs­be­reit­schaft verletzt hat, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Mandat nicht erteilt worden wäre, wenn der Mandant das Auftrags­ver­hältnis alsbald nach entsprechender Kenntnis beendet.

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