22.11.2024
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Dokument-Nr. 22325

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Urteil09.03.2016BundesgerichtshofIV ZR 9/15
Vorinstanzen zu IV ZR 9/15:
  • Landgericht Karlsruhe, Urteil21.03.2014, 6 O 229/13
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil18.12.2014, 12 U 124/14
Vorinstanzen zu IV ZR 168/15:
  • Landgericht Karlsruhe, Urteil20.12.2013, 6 O 41/13
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil10.03.2015, 12 U 258/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil09.03.2016

BGH erklärt auch geänderte Start­gutschriften­regelung der Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder für unwirksamUngleich­be­handlung von Beschäftigten mit langen Ausbil­dungs­zeiten wird auch durch Neuregelung der Satzung nicht beseitigt

Der Bundes­ge­richtshof hat auch die Neuregelung der Start­gut­schriften rentenferner Versicherter der Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder für unwirksam erklärt.

Die beklagte Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privat­recht­licher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwer­bs­min­derungs- und Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung (VBLS) vom 22. November 2002 stellte die Beklagte ihr Zusatz­ver­sor­gungs­system rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstel­lungs­stichtag) von einem an der Beamten­ver­sorgung orientierten Gesamt­ver­sor­gungs­system auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitrags­ori­en­tiertes Betrie­bs­ren­ten­system um.

Neugefasste Satzung sieht Überg­angs­re­ge­lungen für Rente­n­an­wart­schaften vor

Die neugefasste Satzung enthält Überg­angs­re­ge­lungen zum Erhalt von bis zur Syste­mum­stellung erworbenen Rente­n­an­wart­schaften. Diese werden als so genannte Start­gut­schriften den Versor­gungs­konten der Versicherten gutgeschrieben. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten war, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Grundsätzlich ist rentenfern, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, das betraf bei der Syste­mum­stellung ca. 1,7 Millionen Versicherte.

BGH rügt in voraus­ge­gangener Entscheidung gleich­heits­widrige Benachteiligung von Beschäftigten mit langen Ausbil­dungs­zeiten

Mit Urteil vom 14. November 2007 hatte der Bundes­ge­richtshof die früheren Start­gut­schriften für rentenferne Versicherte wegen Verstoßes der zugrunde liegenden Überg­angs­re­gelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG für unverbindlich erklärt und insbesondere eine gleich­heits­widrige Benachteiligung von Beschäftigten mit langen Ausbil­dungs­zeiten beanstandet. Daraufhin einigten sich die Tarif­ver­trags­parteien in einem Änderung­s­ta­rif­vertrag vom 30. Mai 2011 darauf, die bisherige Regelung zur Ermittlung der Start­gut­schriften im Grundsatz beizubehalten, jedoch durch eine Vergleichs­be­rechnung zu ergänzen, welche unter näher geregelten Voraussetzungen zu einer Erhöhung der Startgutschrift rentenferner Versicherter führen kann. Die Beklagte übernahm diese tarif­ver­trag­lichen Vorgaben in § 79 Abs. 1a ihrer Satzung.

Auch Wirksamkeit der Neuregelung bleibt umstritten

Auch die Wirksamkeit dieser Neuregelung ist umstritten und mittlerweile Gegenstand zahlreicher gegen die VBL erhobener Klagen rentenferner Versicherter, welche weiterhin höhere Start­gut­schriften erstreben. Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe ist zu dem Ergebnis gelangt, die den Klägern erteilten Start­gut­schriften legten deren Rente­n­an­wart­schaften weiterhin nicht verbindlich fest, weil auch die geänderte Satzungs­re­gelung zur Ermittlung der Start­gut­schriften rentenferner Versicherter gegen den Gleichheitssatz verstoße.

Bereits im Jahr 2007 festgestellt Ungleich­be­handlung besteht weiter fort

Der hiermit nunmehr erstmals befasste IV. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat diese Auffassung mit zwei Revisi­ons­ent­schei­dungen bestätigt und beanstandete, dass die in seinem Urteil vom 14. November 2007 festgestellte Ungleichbehandlung auch durch die Neuregelung der Satzung für eine Vielzahl rentenferner Versicherter nicht beseitigt werde. Auch die Anschluss­re­vision eines rentenfernen Versicherten, der eine Startgutschrift nach Maßgabe der Überg­angs­vor­schriften für rentennahe Versicherte erstrebt hat, wies der Bundes­ge­richtshof zurück.

§ 79 Abs. 1a VBLS lautet auszugsweise:

1 Bei Beschäftigten, deren Anwartschaft nach Absatz 1 (rentenferne Jahrgänge) berechnet wurde, wird auch ermittelt, welche Anwartschaft sich bei einer Berechnung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG unter Berück­sich­tigung folgender Maßgaben ergeben würde:

1.1 Anstelle des Vomhun­dert­satzes nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG wird ein Unver­fa­ll­ba­r­keits­faktor entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG errechnet. 2 Dieser wird ermittelt aus dem Verhältnis der Pflicht­ver­si­che­rungszeit vom Beginn der Pflicht­ver­si­cherung bis zum 31. Dezember 2001 zu der Zeit vom Beginn der Pflicht­ver­si­cherung bis zum Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. 3 Der sich danach ergebende Vomhundertsatz wird auf zwei Stellen nach dem Komma gemeinüblich gerundet und um 7,5 Prozentpunkte vermindert.

2.1 Ist der nach Nummer 1 Satz 3 ermittelte Vomhundertsatz höher als der bisherige Vomhundertsatz nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG, wird für die Voll-Leistung nach § 18 Abs. 2 BetrAVG ein individueller Brutto- und Netto­ver­sor­gungssatz nach § 41 Abs. 2 und 2b d.S.a.F. ermittelt. 2 Als gesamt­ver­sor­gungs­fähige Zeit werden dabei berücksichtigt

a) die bis zum 31. Dezember 2001 erreichten Pflicht­ver­si­che­rungs­monate zuzüglich der Monate vom 1. Januar 2002 bis zum Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, und

b) die Monate ab Vollendung des 17. Lebensjahres bis zum 31. Dezember 2001 abzüglich der Pflicht­ver­si­che­rungs­monate bis zum 31. Dezember 2001 zur Hälfte.

[...]

2 Ist die unter Berück­sich­tigung der Maßgaben nach den Nummern 1 und 2 berechnete Anwartschaft höher als die Anwartschaft nach Absatz 1, wird der Unter­schieds­betrag zwischen diesen beiden Anwartschaften ermittelt und als Zuschlag zur Anwartschaft nach Absatz 1 berücksichtigt. [...]"

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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