15.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil15.02.2017

Berufs­unfähigkeits­versicherung darf nicht auf fiktive Berufstätigkeit abstellenBGH erklärt intransparente Klausel in Versicherungs­verträgen für unzulässig

Versicherer dürfen in die Bedingungen für eine Berufs­unfähigkeits­versicherung keine Klausel aufnehmen, wonach die berufliche Tätigkeit des Versicherten abweichend von den tatsächlichen Gegebenheiten nur dann versichert ist, wenn sie zu 90 Prozent aus Schreibtisch­tätigkeit besteht. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof und verwies darauf, dass eine solche AGB intransparent und zudem inhaltlich bedenklich ist.

Im zugrunde liegenden Fall hatte die beklagte Volkswohl Bund Lebens­ver­si­cherung aG einem Interesssenten zwei Angebote für eine Berufsunfähigkeitsversicherung unterbreitet: eines für 1.593,59 Euro und eines für 1.127,16 Euro. In den Klauseln des günstigeren Angebotes war festgelegt:

"Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versi­che­rungs­falles zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit, mit der Maßgabe, dass sie zumindest 90 Prozent als Schreib­tischtä­tigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. Im Falle einer BU-Leistungs­prüfung erfolgt die Bemessung der Berufs­un­fä­higkeit ausschließlich auf dieser Basis."

Das widersprach allerdings § 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Selbständige Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­cherung. Danach gilt als versicherter Beruf genau die Tätigkeit, die zuletzt ausgeübt wurde.

BGH bemängelt Unklarheit der entstehenden Versi­che­rungslücke

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass sich diese Abweichung vom allgemeinen Verständnis vom versicherten Beruf einem durch­schnitt­lichen Versi­che­rungs­nehmer bei der Entscheidung über die Auswahl der beiden ihm unterbreiteten Angebote nicht hinreichend erschließe. Vor allem werde nicht mit der erforderlichen Klarheit die Gefahr der Versi­che­rungslücke verdeutlicht, die mit der Klausel entsteht. Denn die Berufs­un­fä­higkeit soll für den Versi­che­rungs­nehmer das Risiko von Einnah­me­ver­lusten abdecken, wenn dieser seinen tatsächlich zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben kann. Die Klausel fingiere aber eine Tätigkeit, die der Versicherte nicht ausübt. Und von einer solchen fiktiven versicherten Tätigkeit werde der Verbraucher nicht ausgehen. Somit fehle es an der erforderlichen Transparenz, folgerte der Bundes­ge­richtshof.

Klausel verletzt Trans­pa­renzgebot

Nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs bestehen auch erhebliche Bedenken, ob die Klausel, neben der fehlenden Klarheit, auch wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam sei. Der Vertragszweck könne gefährdet sein, wenn lediglich eine sitzende Tätigkeit von mindestens 90 Prozent abgesichert sei und nicht die "konkret beruflich geprägte Lebensstellung". Das musste der Bundes­ge­richtshof aber nicht entscheiden, da bereits das Trans­pa­renzgebot verletzt war. Bereits das Landgericht und das Kammergericht hatten dem Verbrau­cher­zentrale Bundesverband Recht gegeben und die Klausel für intransparent gehalten.

Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband/ra-online

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