18.10.2024
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Sie sehen eine rote Rose, welche in einer Pfütze liegt.

Dokument-Nr. 21031

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Urteil11.03.2015BundesgerichtshofIV ZR 400/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2015, 472Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 472
  • NJW 2015, 1382Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 1382
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Gießen, Urteil27.05.2013, 2 O 417/12
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil28.05.2014, 1 U 152/13
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil11.03.2015

BGH: Erbunwürdigkeit des Ehemanns infolge Tötungsversuchs an dementer EhefrauAnerken­nenswerte Motivlage des Erbunwürdigen unerheblich

Versucht der Ehemann seine seit langer Zeit an Demenz erkrankte und nicht mehr ansprechbare Ehefrau zu töten, begründet dies für sich genommen seine Erbunwürdigkeit nach § 2239 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Tötungsversuch aufgrund des Gefühls der Aussichts­lo­sigkeit und Verzweiflung getätigt wurde. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1991 errichtete ein Ehepaar ein gemeinsames Testament, durch das sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und ihre drei Kinder als Schlusserben. Im Jahr 1997 erkrankte die Ehefrau an Alzheimer, was schließlich zu einer Unterbringung in einem Pflegeheim führte. Infolge eines epileptischen Anfalls im Jahr 2003 musste die Ehefrau durch eine PEG-Sonde ernährt werden. Sie verließ nachfolgend nicht mehr das Krankenzimmer und konnte nicht mehr verbal kommunizieren. Der Ehemann wurde in der Zwischenzeit als Betreuer eingesetzt und besuchte sie regelmäßig. Im Februar 2012 durchschnitt der Ehemann den Verbin­dungs­schlauch zur Sonde. Das Pflegepersonal bemerkte dies jedoch und konnte daher den Schlauch gegen den Willen des Ehemanns wieder reparieren. Einen Monat später verstarb die Ehefrau an einer Lungen­ent­zündung, die in keinem Zusammenhang mit der Tat des Ehemanns stand. Dieser wurde wegen versuchten Totschlags in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Dabei wurde berücksichtigt, dass der Ehemann unter Depressionen litt und bereits einen Selbst­mord­versuch unternommen hatte. Aufgrund der Tat klagte der Sohn auf Feststellung der Erbunwürdigkeit seines Vaters.

Landgericht gab Feststel­lungsklage statt, Oberlan­des­gericht wies sie ab

Während das Landgericht Gießen der Feststel­lungsklage stattgab, wies das Oberlan­des­gericht Frankfurt a.M. die Klage ab. Seiner Ansicht nach sei der Ehemann nicht gemäß § 2239 Abs. 1 Nr. 1 BGB als erbunwürdig anzusehen gewesen. Er habe zwar vorsätzlich versucht seine Ehefrau zu töten. Die Tat habe jedoch nicht auf eine für Tötungsdelikte typische aggressive Motivation beruht. Der Ehemann habe vielmehr aus Verzweiflung und einer empfundenen Ausweg- und Ahnungs­lo­sigkeit den Schlauch durch­ge­schnitten. Ein minder schwerer Fall einer versuchten Tötung könne nach Überzeugung des Oberlan­des­ge­richts keine Erbunwürdigkeit begründen. Gegen diese Entscheidung legte der Sohn Revision ein.

Bundes­ge­richtshof bejahte Erbunwürdigkeit des Ehemanns trotz minder schweren Falls eines Tötungsversuchs

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten des Sohns und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Der Ehemann habe versucht seine Ehefrau zu töten und sei somit nach § 2239 Abs. 1 Nr. 1 BGB als erbunwürdig anzusehen gewesen. Zwar wäre eine Erbunwürdigkeit dann nicht gegeben gewesen, wenn die Ehefrau die Tötung verlangt (§ 216 StGB), sie ihrem Ehemann den Tötungsversuch verziehen (§ 2343 BGB) oder der Tötungsversuch auf eine entsprechende Patien­ten­ver­fügung (§§ 1901 a ff. BGB) beruht hätte. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.

Motivlage des Erbunwürdigen unerheblich

Nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs komme es auf die Motivlage des Erbunwürdigen nicht an. Daher sei selbst dann von einer Erbunwürdigkeit auszugehen, wenn die Tat auf anerken­nens­werten Motiven beruhte. Es sei somit unzulässig § 2239 BGB nicht anwenden zu wollen, wenn ein minder schwerer Fall eines Tötungsversuchs vorliegt. Trotz der persönlich äußerst schwierigen Situation habe dem Ehemann nicht das Recht zugestanden, einseitig die Behandlung der Erblasserin abzubrechen, um sie damit zu töten.

Klärung der Schuldfähigkeit des Ehemanns

Der Bundes­ge­richtshof verwies den Rechtsstreit an das Oberlan­des­gericht zurück, um die Frage der Schuldfähigkeit des Ehemanns zu klären.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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