21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil06.04.2017

Eltern haften nicht für Einkäufe ihrer Kinder über 0900-Premi­um­dienst­nummerKeine Haftung des Anschluss­in­habers bei nicht autorisierter Nutzung des Telefo­n­an­schlusses für ein "Pay by Call-Verfahren"

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass § 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG auf die telefonisch veranlasste Ausführung eines Zahlungs­dienstes keine Anwendung findet und der Inhaber eines Telefo­n­an­schlusses somit für dessen Nutzung durch einen von ihm hierfür nicht autorisierten Dritten im Rahmen eines "Pay by Call-Verfahrens" nicht haftet. Weiterhin hat sich der Bundes­ge­richtshof mit der Frage befasst, ob die Verlängerung einer Rechts­mittel­begründungs­frist durch Verfügung des Vorsitzenden der Unterschrift bedarf.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Streitfalls ist Inhaberin eines Festnetz­te­le­fo­n­an­schlusses. Die Klägerin macht gegen sie aus abgetretenem Recht einen Entgeltanspruch für die Nutzung des Anschlusses im Rahmen des "Pay by Call-Verfahrens" über eine Premi­um­diens­te­nummer (0900) geltend. Die entsprechenden insgesamt 21 Anrufe wurden von dem damals 13-jährigen Sohn der Beklagten getätigt. Das Kind nahm an einem zunächst kostenlosen Computerspiel teil, in dessen Verlauf zusätzliche Funktionen gegen sogenannte Credits freigeschaltet werden konnten. Die "Credits" konnten entgeltlich erworben werden. Die Zahlung konnte unter anderem durch die Nutzung des auf der Internetseite der Spiele­be­treiberin angegebenen telefonischen Premiumdienstes erfolgen, der von dem abtretenden Unternehmen betrieben wurde. Nach Durchführung der Anrufe standen dem Sohn der Beklagten unter seinem Benutzerkonto jeweils die gewünschten "Credits" zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgte über die Telefonrechnung der Beklagten. Die angefallenen Beträge in Höhe von 1.253,93 Euro werden von der Klägerin geltend gemacht.

Frist­ver­län­ge­rungs­ver­fügung in Verfahrensakte nicht enthalten

Das Amtsgericht Delmenhorst gab der Klage statt. Die Beklagte legte hiergegen beim Landgericht Berufung ein und beantragte die Verlängerung der Berufungs­be­grün­dungsfrist. Eine vom Kammer­vor­sit­zenden unterschriebene Frist­ver­län­ge­rungs­ver­fügung ist in der Verfahrensakte nicht enthalten. Die Beklagte hat das Rechtsmittel innerhalb der beantragten längeren Frist begründet. Der Vorsitzende der Berufungskammer hat nachträglich in der Akte vermerkt, dass er die Rechts­mit­tel­be­grün­dungsfrist antragsgemäß verlängert habe. Das Landgericht hat die Berufung für zulässig, aber unbegründet gehalten und diese zurückgewiesen. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Frist­ver­län­ge­rungs­ver­fügung bedarf keiner Unterschrift

Der Bundes­ge­richtshof hat die Urteile des Landgerichts und des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Er hat die auch in der Revisi­ons­instanz von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeit der Berufung der Beklagten bejaht. Die Begründung des Rechtsmittels ist rechtzeitig eingegangen, da die hierfür laufende Frist wirksam gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO verlängert wurde. Es ist nicht erforderlich gewesen, aufzuklären, ob der Vorsitzende der Berufungskammer die Frist­ver­län­ge­rungs­ver­fügung unterschrieben hatte. Der Bundes­ge­richtshof entschieden, dass eine solche Verfügung keiner Unterschrift bedarf. Es genügt, wenn hinreichend sicher feststeht, dass eine entsprechende Entscheidung des Vorsitzenden des Rechts­mit­tel­ge­richts ergangen ist.

BGH verneint Haftung der Mutter für Verhalten des Kindes

In der Sache hat der Bundes­ge­richtshof einen Zahlungs­an­spruch der Klägerin verneint. Etwaige auf den Abschluss eines Zahlungs­diens­te­vertrags gerichtete konkludente Willen­s­er­klä­rungen des Sohns der Beklagten, die dieser durch Anwahl der Premi­um­diens­te­nummer abgegeben haben könnte, sind dieser nicht zuzurechnen. Weder war das Kind von seiner Mutter bevollmächtigt noch lagen die Voraussetzungen einer Anscheins­vollmacht vor. Eine Zurechnung der Erklärung des Sohns der Beklagten nach § 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG scheidet aus. Diese Vorschrift findet auf Zahlungsdienste und die sich hieraus ergebenden Ansprüche des Dienstleisters keine Anwendung, auch wenn die Zahlung über eine Premi­um­diens­te­nummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen soll. Die für Zahlungsdienste geltenden speziellen Regelungen für nicht autorisierte Zahlungs­vorgänge gehen § 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG vor. Der Berechtigte schuldet keinen Aufwendungs-, sondern allenfalls Schadensersatz (vgl. insbesondere § 675 u BGB). Die Regelungen über nicht autorisierte Zahlungs­vorgänge würden bei Anwendung von § 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG auf durch die Inanspruchnahme eines Premiumdienstes veranlasste Zahlungs­vorgänge unterlaufen.

§ 520 Abs. 2 ZPO:

Die Frist für die Berufungs­be­gründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

§ 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG:

(4) Soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann, hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer.

§ 675 u BGB:

Im Fall eines nicht autorisierten Zahlungs­vorgangs hat der Zahlungs­dienst­leister des Zahlers gegen diesen keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Er ist verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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