18.10.2024
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Sie sehen verschiedene Szenen aus der Wirtschaftswelt und ein zentrales Paragrafenzeichen.

Dokument-Nr. 259

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Urteil09.09.2004BundesgerichtshofI ZR 93/02
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHReport 2005, 731Zeitschrift: BGH Report (BGHReport), Jahrgang: 2005, Seite: 731
  • CR 2005, 338Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2005, Seite: 338
  • GRUR 2005, 443Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2005, Seite: 443
  • MDR 2005, 942Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2005, Seite: 942
  • NJW 2005, 1050Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2005, Seite: 1050
  • WM 2005, 669Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2005, Seite: 669
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil09.09.2004

Werbende dürfen Passanten nicht grenzenlos belästigenWettbe­wer­bs­widriges Verhalten wegen unzumutbarer Belästigung liegt vor

Werden Passanten an öffentlichen Orten durch einen Werbenden gezielt angesprochen, ohne dass der Werbezweck eindeutig erkennbar ist, liegt eine unzumutbare Belästigung vor. Eine solche Werbemethode ist wettbe­wer­bs­widrig und daher unzulässig. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall stritten die Deutsche Telekom und Arcor darüber, ob es wettbe­wer­bs­rechtlich zulässig sei, Passanten an öffentlichen Orten zur Werbung für Pre-Selection-Verträge gezielt und individuell anzusprechen. Die Telekom war der Meinung, dass ein Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt des belästigenden Anreißens von Kunden vorliege. Sie klagte daher auf Unterlassung dieser Werbeform. Arcor wiederum meinte, die Werbemethode könne aufgrund geänderter Gepflogenheiten und Wertungs­maßstäbe nicht mehr allgemein als wettbewerbswidrig angesehen werden.

Landgericht gab Klage statt, Oberlan­des­gericht wies sie ab

Das Landgericht Frankfurt a.M. gab der Klage statt. Auf die Berufung von Arcor wies das Oberlan­des­gericht Frankfurt a.M. die Klage ab. Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts habe der Unterlassungsanspruch nicht bestanden, da das gezielte Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken nicht mehr ohne weiteres sittenwidrig sei. Zu beachten sei gewesen, dass das gezielte Ansprechen im Umkreis eines Werbestandes inzwischen das Alltagsbild in den Geschäftszonen der Innenstadt prägt. Gegen das Berufungsurteil legte die Deutsche Telekom Revision ein.

Wettbe­wer­bs­verstoß bei nicht Erkennbarkeit der Werbung

Der Bundes­ge­richtshof stellte fest, dass das gezielte Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten durch einen Werbenden, der als solcher nicht eindeutig erkennbar ist, grundsätzlich wettbe­wer­bs­widrig sei. Denn eine solche unerbetene Kontaktaufnahme stelle einen belästigenden Eingriff in die Indivi­du­al­sphäre des Umwerbenden dar. Der Passant werde dadurch in seinem Bedürfnis, auch im öffentlichen Raum möglichst ungestört zu bleiben, beeinträchtigt und unmittelbar persönlich für die gewerbliche Zwecke des werbenden Unternehmens in Anspruch genommen (vgl. BGH, Urt. v. 01.04.2004 - I ZR 227/01).

Gebot der Höflichkeit wird ausgenutzt

Zudem mache sich der Werbende den Umstand zunutze, so der Bundes­ge­richtshof, dass es einem Gebot der Höflichkeit entspricht, einer fremden Person nicht von vornherein abweisend und ablehnend gegen­über­zu­treten. Darin liege ein unlauteres Erschleichen von Aufmerksamkeit für die eigenen, zunächst verdeckt gehaltenen gewerblichen Zwecke.

Belästigendes Verhalten wird gezielt angewendet

Selbst wenn die Belästigung in der Regel als nur gering anzusehen ist, sei diese Werbemethode nach Ansicht des Gerichtshofs unzumutbar. Denn hier habe die Belästigung nicht eine ungewollte oder nur gelegentliche Nebenwirkung der Werbemaßnahme dargestellt. Vielmehr sei die belästigende Werbemaßnahme bewusst und gezielt im eigenen Werbeinteresse angewandt worden. Dazu sei gekommen, dass im Falle der wettbe­wer­bs­recht­lichen Zulässigkeit dieser Werbung die Gefahr der Nachahmung bestand.

Gezieltes Ansprechen von Passanten als solches nicht wettbe­wer­bs­widrig

Demgegenüber sei aus Sicht der Bundesrichter im gezielten und individuellen Ansprechen von Passanten zu Werbezwecken allein kein wettbe­wer­bs­widriges Verhalten zu sehen. Denn eine psychische Zwangslage müsse bei einem erheblichen Teil der Angesprochenen nicht zwangsläufig entstehen, wenn der Werbende von vornherein als solcher eindeutig erkennbar ist. In einem solchen Fall sei die Kontaktaufnahme grundsätzlich nicht überraschend oder unvorhergesehen. Der Passant habe die Möglichkeit sich ohne große Mühe durch Nichtbeachtung sowie einer kurzen abweisenden Bemerkung oder Geste dem Gespräch zu entziehen. Etwas anderes könne gelten, wenn nach den gegebenen Verhältnissen die Entziehung nicht möglich ist oder wenn der Werbende den erkennbar entge­gen­ste­henden Willen des Angesprochenen missachtet, etwa indem er ihm am Weitergehen hindert oder ihm folgt.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

UWG § 7 Abs. 1

Die gezielte Direktansprache von Passanten an öffentlichen Orten zu Werbezwecken ist grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als solcher eindeutig erkennbar ist.

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