21.11.2024
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Dokument-Nr. 162

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Urteil01.04.2004BundesgerichtshofI ZR 227/01
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHReport 2004, 1243Zeitschrift: BGH Report (BGHReport), Jahrgang: 2004, Seite: 1243
  • CR 2005, 274Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2005, Seite: 274
  • GRUR 2004, 699Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2004, Seite: 699
  • JuS 2004, 1014Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2004, Seite: 1014
  • MDR 2004, 1249Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2004, Seite: 1249
  • NJW 2004, 2593Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2004, Seite: 2593
  • WRP 2004, 1160Zeitschrift: Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP), Jahrgang: 2004, Seite: 1160
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil01.04.2004

Gezieltes Ansprechen von Passanten zu Werbezwecken ist wettbe­wer­bs­widrigVorliegen eines unlauteren Wettbewerbs wegen Belästigung der Passanten

Das gezielte Ansprechen von Passanten auf öffentlichen Straßen und Plätzen zu Werbezwecken ist grundsätzlich wettbe­wer­bs­widrig. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Werbende nicht als solcher zu erkennen ist. Das hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall warben die Mitarbeiter eines Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­an­bieters auf öffentlichen Straßen, Plätzen und Einkaufszentren mit Pre-Selection-Verträgen. Dazu traten sie auf Passanten zu und sprachen sie direkt an. Die Deutsche Telekom sah darin eine unzulässige Werbung und hielt dies für wettbewerbswidrig. Sie klagte daher auf Unterlassung. Das Landgericht Köln gab der Klage statt. Das Oberlan­des­gericht Köln wies die Berufung des verklagten Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmens zurück. Seiner Meinung nach, habe der Unter­las­sungs­an­spruch unter dem Gesichtspunkt des Kundenanreißens durch Belästigung und aufgrund der Überrumpelung bzw. Verstrickung der Kunden bestanden. Gegen das Berufungsurteil legte der Telefonanbieter Revision ein.

Anspruch auf Unterlassung bestand

Der Bundes­ge­richtshof entschied gegen das Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen. Der Deutschen Telekom habe der Unter­las­sungs­an­spruch zugestanden. Denn das gezielte Ansprechen von Personen an öffentlichen Orten sei grundsätzlich als wettbe­wer­bs­widrig anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 08.04.1960 - I ZR 24/59 = GRUR 1960, 431 und BGH, Urt. v. 08.07.1999 - I ZR 118/97 = GRUR 2000, 235).

Wettbe­wer­bs­wid­rigkeit nicht aufgrund Zwangslage der Kunden

Die Wettbe­wer­bs­wid­rigkeit habe sich nach Ansicht des Bundes­ge­richtshofs jedoch nicht daraus ergeben, dass viele Passanten durch die persönliche Ansprache in eine Zwangslage versetzt werden, der sie sich häufig nur dadurch entziehen zu können glaubten, dass sie auf das Angebot eingehen. Die Gefahr einer solchen Verstrickung oder Überrumpelung und damit eines unerwünschten Vertrags­schlusses habe angesichts des heutigen mündigen Verbrauchers nicht mehr bestanden. Eine solche Werbemethode sei daher, zumindest was die Gefahr einer Zwangslage anbelangt, nicht mehr als unlauter anzusehen.

Unlauterkeit der Werbung wegen belästigenden Charakters der Maßnahme

Die Unlauterkeit der Werbung habe sich aber nach Auffassung des Gerichtshofs aus dem belästigenden Charakter der Werbemethode ergeben. Die Belästigung habe sich daraus ergeben, dass ein Eingriff in die Indivi­du­al­sphäre des Passanten und in sein Recht im öffentlichen Raum weitestgehend ungestört zu bleiben, bestand. Dabei ergebe sich die Schwere des Eingriffs nicht so sehr aus der einzelnen Werbemaßnahme, sondern aus der Gefahr der Nachahmung. Werde eine solche Werbemethode zugelassen, bestehe die Gefahr, dass eine Vielzahl von Anbietern von dieser Methode Gebrauch machen. Dies würde zu einer unerträglichen Beein­träch­tigung der umworbenen Verbraucher führen.

Höflichkeit der Passanten wurde ausgenutzt

Dazu komme aus Sicht der Bundesrichter, dass sich ein Werbender, der sich als solcher nicht zu erkennen gibt, das Gebot der Höflichkeit der Passanten ausnutzt. Denn unter zivilisierten Menschen sei es höflich und üblich, einer fremden Person nicht von vornherein abweisend und ablehnend gegen­über­zu­treten. Auch daraus habe sich die Unlauterkeit der Werbemaßnahme ergeben.

Vorschriften zum Widerrufsrecht stehen Annahme der Wettbe­wer­bs­wid­rigkeit nicht entgegen

Die Vorschriften des Widerrufsrechts bei Haustür­ge­schäften haben aus Sicht des Gerichtshofs der Annahme der Wettbe­wer­bs­wid­rigkeit der Werbemethode nicht entge­gen­ge­standen. Denn die Wider­rufs­mög­lichkeit nach § 312 BGB habe den belästigenden Charakter der Werbemaßnahme und damit die wettbe­wer­bs­rechtliche Unlauterkeit nicht beseitigt. Der nachträgliche Widerruf beseitige lediglich die zivil­recht­lichen Folgen einer möglichen Überrumpelung. Daher stehe, dass den Verbrauchern gewährte Recht des Widerrufs zur Beseitigung der Folgen eines möglicherweise nach überraschender Ansprache abgeschlossenen Vertrags, neben dem Schutz seines Rechts unbelästigt zu bleiben.

Verfas­sungs­rechtliche Bedenken bestanden nicht

Darüber hinaus haben keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken bestanden, so die Bundesrichter weiter. Das Interesse des Verbrauchers an seiner ungestörten Indivi­du­al­sphäre habe die wirtschaft­lichen Belange des Werbenden überwogen. Insbesondere sei nicht dessen Berufs­aus­übungs­freiheit in unzumutbarer Weise eingeschränkt worden, denn dem Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen habe weiterhin eine Vielzahl von anderen Werbe­mög­lich­keiten im öffentlichen Raum zur Verfügung gestanden.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

UWG § 1

Das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken stellt sich grundsätzlich, insbesondere wenn der Werbende als solcher nicht erkennbar ist, als wettbe­wer­bs­widrig dar.

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