Bundesgerichtshof Urteil08.07.1999
Angebot von Abschleppleistungen am Unfallort unzulässigGefahr der Überrumpelung der Unfallopfer besteht angesichts eines möglichen Unfallschocks
Einem Abschleppunternehmer ist es untersagt am Unfallort seine Dienstleistungen den Unfallbeteiligten anzubieten. Tut er dies dennoch, so handelt er wettbewerbswidrig. Denn angesichts eines möglichen Unfallschocks besteht die Gefahr der Überrumpelung. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall erhielt ein Abschleppunternehmer von einem Autofahrer den Auftrag sein verunfalltes Fahrzeug zu bergen und abzuschleppen. Am Unfallort hielt sich jedoch ein weiterer Mitbewerber auf. Dieser habe nach Behauptung des beauftragten Abschleppunternehmers den verunfallten Fahrer unaufgefordert angesprochen und diesem seine Abschleppdienste angeboten. Der Mitbewerber habe sich dadurch wettbewerbswidrig verhalten. Dies sah dieser hingegen anders.
Wettbewerbsverstoß lag vor
Der Bundesgerichtshof hat in dem Verhalten des Mitbewerbers einen Wettbewerbsverstoß gesehen (§ 1 UWG). Denn grundsätzlich sei es wettbewerbswidrig, Unfallbeteiligte am Unfallort mit dem Ziel anzusprechen, sie zum Abschluss eines Vertrags (Reparaturvertrag, KfZ-Mietvertrag, Abschleppauftrag) zu veranlassen (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.1974 - I ZR 23/74 = GRUR 1975, 264 "Werbung am Unfallort I"; BGH, Urt. v. 22.11.1974 - I ZR 50/74 = GRUR 1975, 266 "Werbung am Unfallort II" und BGH, Urt. v. 14.12.1979 - I ZR 29/78 = GRUR 1980, 790 "Werbung am Unfallort III"). Denn es bestehe die Gefahr der Überrumpelung, wenn Unfallbeteiligte bereits kurze Zeit nach dem Unfall und noch unter dem Unfallschock stehend einer belästigenden massierten Werbung von Abschleppunternehmen gegenüberstehen.
Gefahr der Überrumpelung begründet allgemeines Verbot
Nach Auffassung der Bundesrichter habe der Gefahr der Überrumpelung nur dadurch begegnet werden können, dass das unaufgeforderte Ansprechen von Unfallbeteiligten zum Zweck der Erlangung von Abschleppaufträgen allgemein verboten wird. Eine auf den Einzelfall abstellende Beurteilung sei angesichts des Schutzes der Allgemeinheit und der Mitbewerber unzureichend. Andernfalls müsse im Falle eines Gerichtsverfahrens geklärt werden, ob und gegebenenfalls wie lange ein Unfallopfer nach dem Unfall noch unter Schock stand. Diese schwierig zu beantwortende Frage rechtfertige im Interesse der Rechtssicherheit eine generalisierende Betrachtung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.06.2013
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)