In den zugrunde liegenden Fällen handelt es sich um vier Entscheidungen, die auch für eine Fülle anderer beim Bundesgerichtshofs und bei den Instanzgerichten anhängigen Verfahren bedeutsam sein können, in denen sich die Frage des Rechtsmissbrauchs ebenfalls stellt.
In zwei der entschiedenen Fälle ging es um die bundesweite Werbung eines Konkurrenten für einen Computer, der auf der Abbildung erkennbar mit einem CD-ROM-Laufwerk ausgestattet war, das aber im aufgedruckten Preis noch nicht enthalten war. Dies hatte 14 Gesellschaften des Media-Markt/Saturn-Konzerns, die – neben dem örtlichen Prozessbevollmächtigten – alle vom selben Hamburger Rechtsanwalt vertreten waren, dazu veranlasst, gegen den Konkurrenten nach erfolgloser Abmahnung jeweils am eigenen Firmensitz eine einstweilige Verfügung zu beantragen und nachfolgend 14 Hauptsacheklagen zu erheben. In den beiden in Nürnberg anhängig gemachten Klagen eines Media-Marktes und einer Saturn-Gesellschaft hat der Bundesgerichtshof die Ansicht des Oberlandesgerichts Nürnberg bestätigt, dass die Mehrfachverfolgung in diesem Fall rechtsmissbräuchlich sei.
Die beiden anderen entschiedenen Fälle betrafen die Werbung eines Bielefelder Computerhändlers, der auf wettbewerbswidrige Weise für eine Neueröffnung eines Geschäfts geworben hatte. Hier war der Bielefelder Media-Markt getrennt gegen den Händler und gegen dessen Franchisegeber vorgegangen, und zwar gleichzeitig mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und mit der Hauptsacheklage. Auf entsprechende Weise war der zum selben Konzern gehörende und vom selben Hamburger Anwalt vertretene Bielefelder Saturn-Händler gegen den Computer-Händler und seinen Franchisegeber vorgegangen, so dass dieselbe Werbung in acht getrennten Verfahren zu beurteilen war. Anders als das Oberlandesgericht Hamm hat der Bundesgerichtshof auch hier ein missbräuchliches Vorgehen bejaht und die Unterlassungsklagen als unzulässig abgewiesen.
Maßgebend für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs war in allen vier Fällen die Überlegung, dass die Klagebefugnis, die im Interesse einer effizienten Verfolgung von Wettbewerbsverstößen einer Vielzahl von Anspruchsberechtigten zusteht, nicht zur Verfolgung sachfremder Ziele, insbesondere nicht dazu missbraucht werden darf, den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten. Anhaltspunkte hierfür können sich aus verschiedenen prozessualen Situationen ergeben: So kann es missbräuchlich sein, dass ein Anspruchsberechtigter ohne Not neben dem Verfahren der einstweiligen Verfügung gleichzeitig ein Hauptsacheverfahren anstrengt, ohne abzuwarten, ob die beantragte Verfügung erlassen wird und der Gegner dies als endgültige Regelung akzeptiert. Ein Missbrauch kann ferner naheliegen, wenn konzernmäßig verbundene Unternehmen, die von demselben Rechtsanwalt vertreten werden, nicht gemeinsam klagen, sondern ohne vernünftigen Grund getrennte Verfahren anstrengen oder wenn mehrere für einen Verstoß verantwortliche Personen jeweils gesondert in Anspruch genommen werden, sodass sich die von der unterliegenden Partei zu tragenden Kosten nahezu verdoppeln.
Sowohl in den Nürnberger als auch in den Bielefelder Fällen war auf diese Weise das Prozessrisiko für den Gegner unnötig vervielfacht worden. Hierauf hat der Bundesgerichtshof die Annahme eines missbräuchlichen Vorgehens gestützt. Darüber hinaus hat in dem Nürnberger Verfahren auch das abgestimmte parallele Vorgehen durch 14 verschiedene Konzernunternehmen eine Rolle gespielt. In derartigen Fällen ist zu fragen, ob es nicht ausgereicht hätte, dass ein Konzernunternehmen ein gerichtliches Verbot erstreitet, aus dem bei Zuwiderhandlungen auch im Interesse anderer Konzernunternehmen hätte vollstreckt werden können. Doch auch wenn jedes Konzernunternehmen den ihm an sich zustehenden Unterlassungsanspruch geltend machen wollte, wäre dies durch eine gemeinsame Klage möglich gewesen, für die jedenfalls am Sitz der Beklagten eine Zuständigkeit gegeben gewesen wäre.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.12.2011
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online