18.10.2024
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Dokument-Nr. 13817

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Urteil19.07.2012BundesgerichtshofI ZR 70/10 (M2Trade) und I ZR 24/11 (Take Five)
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2012, 572Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2012, Seite: 572
  • MMR 2012, 684Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2012, Seite: 684
  • NJW-RR 2012, 1127Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2012, Seite: 1127
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Vorinstanzen zu I ZR 70/10 (M2Trade):
  • Landgericht Potsdam, Urteil20.07.2006, 2 O 120/05
  • Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil30.03.2010, 6 U 76/06
Vorinstanzen zu I ZR 24/11 (Take Five):
  • Landgericht München I, Urteil17.03.2010, 21 O 5192/09
  • Oberlandesgericht München, Urteil20.01.2011, 29 U 2626/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil19.07.2012

Erlöschen einer Hauptlizenz führt nicht zwingend zum Erlöschen daraus abgeleiteter UnterlizenzenBundes­ge­richtshof zum Fortbestand von Unterlizenzen beim Erlöschen der Hauptlizenz

Das Erlöschen einer Hauptlizenz führt in aller Regel nicht zum Erlöschen daraus abgeleiteter Unterlizenzen. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof in zwei Verfahren, die von großer wirtschaft­licher Bedeutung sind, weil bislang das Schicksal der Unterlizenz im Falle der Insolvenz des Haupt­li­zenz­nehmers umstritten ist.

In dem einen zugrunde liegenden Rechtsstreit geht es um die Nutzungsrechte an einem Computerprogramm. Die Klägerin ist Inhaberin ausschließ­licher Nutzungsrechte an dem Compu­ter­programm "M2Trade". Sie hat einem anderen Unternehmen (Haupt­li­zenz­nehmerin) gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren Nutzungsrechte an der Software eingeräumt. Dieses Unternehmen hat seinerseits einem dritten Unternehmen (Unter­li­zenz­nehmerin) - unter Einschaltung eines weiteren Unternehmens - ein einfaches Nutzungsrecht an dem Programm eingeräumt. Die Klägerin hat der Haupt­li­zenz­nehmerin, nachdem sie von ihr keine Zahlungen mehr erhalten hatte, die Kündigung des Lizenzvertrages zum 30. Juni 2002 erklärt. Der Beklagte ist Verwalter im Insol­venz­ver­fahren über das Vermögen der Unter­li­zenz­nehmerin.

Klägerin rügt Urheber­rechts­verstoß wegen weiterer Nutzung der Unterlizenzen trotz Kündigung des Haupt­li­zenz­ver­trages

Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund der Kündigung des Vertrages mit der Haupt­li­zenz­nehmerin sei nicht nur das ausschließliche Nutzungsrecht der Haupt­li­zenz­nehmerin an dem Compu­ter­programm an sie zurückgefallen, sondern auch die davon abgeleiteten Nutzungsrechte einschließlich des der Unter­li­zenz­nehmerin eingeräumten einfachen Nutzungsrechts. Der Beklagte habe das Programm daher seit dem 1. Juli 2002 unbefugt genutzt und damit das daran bestehende Urheberrecht verletzt. Die Klägerin hat den Beklagten unter anderem auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

Sachverhalt im Verfahren um Verlagsrechte

In dem anderen zugrunde liegenden Verfahren geht es um das Verlagsrecht an einer Komposition. Die Klägerin ist Inhaberin der weltweiten Nutzungsrechte an der Komposition "Take Five" des Komponisten Paul Desmond. Sie räumte einem Musikverlag die ausschließ­lichen Musik­ver­lags­rechte für Europa ein. Die Haupt­li­zenz­nehmerin räumte der Rechts­vor­gängerin des Beklagten die ausschließ­lichen Subver­lags­rechte für Deutschland und Österreich ein. Im Jahr 1986 vereinbarte die Klägerin mit der Haupt­li­zenz­nehmerin, dass sämtliche gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Verlagsvertrag betreffend das Musikwerk "Take Five" beendet sind.

Klägerin hält Unterlizenzen nach Kündigung des Haupt­li­zenz­ver­trages für erloschen

Die Klägerin ist der Ansicht, mit der Aufhebung des Haupt­li­zenz­ver­trages und dem Erlöschen der Hauptlizenz sei auch die Unterlizenz des Beklagten erloschen. Die Klägerin hat unter anderem die Feststellung beantragt, dass der Beklagte nicht mehr Inhaber der Musik­ver­lags­rechte an dem Werk "Take Five" für Deutschland und Österreich ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat die Klage abgewiesen.

Erlöschen der Hauptlizenz führt nicht zum Erlöschen der Unterlizenz

Der Bundes­ge­richtshof hat in beiden Verfahren die Revision der jeweiligen Klägerin zurückgewiesen. Der Bundes­ge­richtshof hat bereits mit dem Urteil "Reifen Progressiv" vom 26. März 2009 (Az. I ZR 153/06) in einem Fall, in dem der Haupt­li­zenz­nehmer dem Unter­li­zenz­nehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen Zahlung einer einmaligen Lizenzgebühr eingeräumt hatte und die Hauptlizenz aufgrund eines wirksamen Rückrufs des Nutzungsrechts durch den Urheber wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG) erloschen war, entschieden, dass das Erlöschen der Hauptlizenz nicht zum Erlöschen der Unterlizenz führt. Er hat nunmehr entschieden, dass das Erlöschen der Hauptlizenz auch in den Fällen nicht zum Erlöschen der Unterlizenz führt, in denen der Haupt­li­zenz­nehmer dem Unter­li­zenz­nehmer ein einfaches Nutzungsrecht gegen fortlaufende Zahlung von Lizenzgebühren ("M2Tade") oder ein ausschließ­liches Nutzungsrecht gegen Beteiligung an den Lizenzerlösen ("Take Five") eingeräumt hat und die Hauptlizenz nicht aufgrund eines Rückrufs wegen Nichtausübung, sondern aus anderen Gründen erlischt - wie hier aufgrund einer wirksamen Kündigung des Haupt­li­zenz­ver­trages wegen Zahlungsverzugs ("M2Trade") oder aufgrund einer Vereinbarung über die Aufhebung des Haupt­li­zenz­ver­trages ("Take Five").

Interesse des Unter­li­zenz­nehmers an Fortbestand der Unterlizenz überwiegt Interesse des Haupt­li­zenz­gebers an Rückfall der Unterlizenz bei Erlöschung der Hauptlizenz

Im gewerblichen Rechtsschutz und im Urheberrecht gilt der Grundsatz des Sukzes­si­ons­schutzes (§ 33 UrhG, § 30 Abs. 5 MarkenG, § 31 Abs. 5 GeschmMG, § 15 Abs. 3 PatG, § 22 Abs. 3 GebrMG). Er besagt unter anderem, dass ausschließliche und einfache Nutzungsrechte wirksam bleiben, wenn der Inhaber des Rechts wechselt, der das Nutzungsrecht eingeräumt hat. Zweck des Sukzes­si­ons­schutzes ist es, das Vertrauen des Rechtsinhabers auf den Fortbestand seines Rechts zu schützen und ihm die Amortisation seiner Investitionen zu ermöglichen. Eine Abwägung der typischerweise betroffenen Interessen ergibt - so der Bundes­ge­richtshof -, dass das vom Gesetz als schutzwürdig erachtete Interesse des Unter­li­zenz­nehmers an einem Fortbestand der Unterlizenz das Interesse des Haupt­li­zenz­gebers an einem Rückfall der Unterlizenz im Falle des Erlöschens der Hauptlizenz in aller Regel überwiegt.

Unter­li­zenz­nehmer würde durch vorzeitigen und unerwarteten Fortfall seines Rechts erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden

Das Interesse des Haupt­li­zenz­gebers ist weitgehend gewahrt, da er den Haupt­li­zenz­nehmer nach dem Erlöschen der Hauptlizenz auf Abtretung seines Anspruchs gegen den Unter­li­zenz­nehmer auf Zahlung von Lizenzgebühren in Anspruch nehmen kann. Der Fortbestand der Unterlizenz beim Wegfall der Hauptlizenz führt damit nicht zu der unbilligen Konsequenz, dass der nicht mehr berechtigte Haupt­li­zenz­nehmer von Lizenzzahlungen des Unter­li­zenz­nehmers profitiert und der wieder berechtigte Haupt­li­zenzgeber leer ausgeht. Der Unter­li­zenz­nehmer kann die Ursache für die außer­or­dentliche Auflösung des zwischen dem Haupt­li­zenzgeber und dem Haupt­li­zenz­nehmer geschlossenen Vertrags und die vorzeitige Beendigung des früheren Nutzungsrechts regelmäßig weder beeinflussen noch vorhersehen. Er würde durch den vorzeitigen und unerwarteten Fortfall seines Rechts oft erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleiden, die sogar zur Vernichtung seiner wirtschaft­lichen Existenz führen können, wenn er auf den Bestand der Lizenz angewiesen ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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