21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil03.07.2012

Weiterverkauf „gebrauchter“ Softwa­re­li­zenzen zulässigAusschließ­liches Verbrei­tungsrecht lizenzierter Programmkopien mit Erstverkauf erschöpft

Ein Software­her­steller kann sich dem Weiterverkauf seiner „gebrauchten“ Lizenzen, die die Nutzung seiner aus dem Internet herun­ter­ge­ladenen Programme ermöglichen, nicht widersetzen. Das ausschließliche Recht zur Verbreitung einer derart lizenzierten Programmkopie erschöpft sich mit dem Erstverkauf. Dies entschied der Gerichtshof Europäischen Gemeinschaft.

Oracle entwickelt und vertreibt, insbesondere per Download über das Internet, so genannte „Client-Server-Software“. Der Kunde lädt unmittelbar von der Internetseite von Oracle eine Programmkopie auf seinen Computer. Das durch einen Lizenzvertrag gewährte Nutzungsrecht an einem solchen Programm umfasst die Befugnis, die Kopie dieses Programms dauerhaft auf einem Server zu speichern und bis zu 25 Nutzern dadurch Zugriff zu gewähren, dass die Kopie in den Arbeitsspeicher ihrer Arbeits­platz­rechner geladen wird. In den Lizenzverträgen ist vorgesehen, dass der Kunde ausschließlich für seine internen Geschäftszwecke ein unbefristetes und nicht abtretbares Nutzungsrecht erwirbt. Im Rahmen eines Software-Pflegevertrags können auch aktualisierte Versionen der Software („updates“) und Programme zur Fehlerbehebung („patches“) von der Internetseite von Oracle heruntergeladen werden.

UsedSoft ist ein deutsches Unternehmen, das mit Lizenzen handelt, die es Oracle-Kunden abgekauft hat. Die UsedSoft-Kunden, die noch nicht im Besitz der Software sind, laden nach dem Erwerb einer „gebrauchten“ Lizenz unmittelbar von der Internetseite von Oracle eine Programmkopie herunter. Kunden, die bereits über das Programm verfügen, können eine Lizenz oder einen Teil der Lizenz für zusätzliche Nutzer hinzuerwerben. In diesem Fall laden die Kunden die Software in die Arbeits­platz­rechner dieser weiteren Nutzer.

BGH erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH über Rechtsschutz von Compu­ter­pro­grammen

Oracle hat UsedSoft vor den deutschen Gerichten verklagt, um Letzterer diese Praxis untersagen zu lassen. Der Bundes­ge­richtshof, der letzt­in­sta­nzlich über diesen Rechtsstreit zu entscheiden hatte, hat den Gerichtshof der Europäischen Union ersucht, die Richtlinie über den Rechtsschutz von Compu­ter­pro­grammen* in diesem Kontext auszulegen.

Oracle hält den in der Richtlinie vorgesehenen Erschöp­fungs­grundsatz hier für nicht anwendbar

Nach dieser Richtlinie erschöpft sich das Recht zur Verbreitung einer Programmkopie in der Union mit dem Erstverkauf dieser Kopie durch den Urheber­rechts­inhaber oder mit seiner Zustimmung. So verliert der Rechtsinhaber, der eine Kopie in einem Mitgliedstaat der Union vermarktet hat, die Möglichkeit, sich auf sein Verwer­tungs­monopol zu berufen, um sich dem Weiterverkauf der Kopie zu widersetzen. Im vorliegenden Fall macht Oracle geltend, der in der Richtlinie vorgesehene Erschöp­fungs­grundsatz sei nicht auf Nutzungs­li­zenzen für aus dem Internet herun­ter­ge­ladene Compu­ter­pro­gramme anwendbar.

Grundsatz der Erschöpfung des Verbrei­tungs­rechts gilt auch für Herunterladen von Software von der Internetseite

Der Gerichtshof führt in seinem Urteil aus, dass der Grundsatz der Erschöpfung des Verbrei­tungs­rechts nicht nur dann gilt, wenn der Urheber­rechts­inhaber die Kopien seiner Software auf einem Datenträger (CD-ROM oder DVD) vermarktet, sondern auch dann, wenn er sie durch Herunterladen von seiner Internetseite verbreitet.

Ausschließ­liches Verbrei­tungsrecht durch Einräumen eines unbefristeten Nutzungsrechts per Lizenzvertrag erschöpft

Stellt der Urheber­rechts­inhaber seinem Kunden nämlich eine – körperliche oder nicht­kör­perliche – Kopie zur Verfügung, und schließt er gleichzeitig gegen Zahlung eines Entgelts einen Lizenzvertrag, durch den der Kunde das unbefristete Nutzungsrecht an dieser Kopie erhält, so verkauft er diese Kopie an den Kunden und erschöpft damit sein ausschließ­liches Verbreitungsrecht. Durch ein solches Geschäft wird nämlich das Eigentum an dieser Kopie übertragen. Somit kann sich der Rechtsinhaber, selbst wenn der Lizenzvertrag eine spätere Veräußerung untersagt, dem Weiterverkauf dieser Kopie nicht mehr widersetzen.

Weitere Beschränkung des Weiterverkaufs von aus dem Internet herun­ter­ge­ladenen Programmkopien unver­hält­nismäßig

Der Gerichtshof stellt insbesondere fest, dass der Urheber­rechts­inhaber, wenn die Anwendung des Grundsatzes der Erschöpfung des Verbrei­tungs­rechts allein auf Programmkopien, die auf einem Datenträger verkauft worden sind, beschränkt würde, den Weiterverkauf von Kopien, die aus dem Internet heruntergeladen worden sind, kontrollieren und bei jedem Weiterverkauf erneut ein Entgelt verlangen könnte, obwohl er schon beim Erstverkauf der betreffenden Kopie eine angemessene Vergütung erzielen konnte. Eine solche Beschränkung des Weiterverkaufs von aus dem Internet herun­ter­ge­ladenen Programmkopien ginge über das zur Wahrung des spezifischen Gegenstands des fraglichen geistigen Eigentums Erforderliche hinaus.

Erschöpfung des Verbrei­tungs­rechts erstreckt sich auch auf verbesserte und aktualisierte Fassung der Datei

Außerdem erstreckt sich die Erschöpfung des Verbrei­tungs­rechts auf die Programmkopie in der vom Urheber­rechts­inhaber verbesserten und aktualisierten Fassung. Selbst wenn der Wartungsvertrag befristet ist, sind die aufgrund eines solchen Vertrags verbesserten, veränderten oder ergänzten Funktionen nämlich Bestandteil der ursprünglich herun­ter­ge­ladenen Kopie und können vom Kunden ohne zeitliche Begrenzung genutzt werden.

Ausschließ­liches Verviel­fäl­ti­gungsrecht mit Erstverkauf nicht erschöpft

Der Gerichtshof weist jedoch darauf hin, dass die Erschöpfung des Verbrei­tungs­rechts den Ersterwerber nicht dazu berechtigt, die Lizenz aufzuspalten und teilweise weiter­zu­ver­kaufen, falls die von ihm erworbene Lizenz für eine seinen Bedarf übersteigende Zahl von Nutzern gilt. Weiter führt der Gerichtshof aus, dass der ursprüngliche Erwerber einer körperlichen oder nicht­kör­per­lichen Programmkopie, an der das Verbrei­tungsrecht des Erwerbers erschöpft ist, die auf seinen Computer herun­ter­ge­ladene Kopie zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs unbrauchbar machen muss. Würde er sie weiterhin nutzen, verstieße dies nämlich gegen das ausschließliche Recht des Urheber­rechts­in­habers auf Verviel­fäl­tigung seines Compu­ter­pro­gramms. Anders als das ausschließliche Verbrei­tungsrecht erschöpft sich das ausschließliche Verviel­fäl­ti­gungsrecht nicht mit dem Erstverkauf. Die Richtlinie erlaubt jedoch jede Verviel­fäl­tigung, die für eine bestim­mungs­gemäße Benutzung des Compu­ter­pro­gramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist. Solche Verviel­fäl­ti­gungen dürfen nicht vertraglich untersagt werden.

Neuer Erwerber der Nutzungslizenz darf vom Ersterwerber verkaufte Kopie auf seinen Computer herunterladen

In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof klar, dass jeder spätere Erwerber einer Kopie, für die das Verbrei­tungsrecht des Urheber­rechts­in­habers erloschen ist, rechtmäßiger Erwerber in diesem Sinne ist. Er kann also die ihm vom Ersterwerber verkaufte Kopie auf seinen Computer herunterladen. Dieses Herunterladen ist als Verviel­fäl­tigung eines Compu­ter­pro­gramms anzusehen, die für die bestim­mungs­gemäße Nutzung dieses Programms durch den neuen Erwerber erforderlich ist. Folglich kann der neue Erwerber der Nutzungslizenz, wie z. B. ein UsedSoft-Kunde, als rechtmäßiger Erwerber der betreffenden verbesserten und aktualisierten Programmkopie diese von der Internetseite des Urheber­rechts­in­habers herunterladen.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft/ra-online

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