23.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil25.04.2019

Unaufgeforderte Aufschaltung eines separaten Wifi-Hotspots bei WLAN-Kunden zulässigGeschuldete Vertrags­leistung durch Aktivierung eines zusätzlichen WLAN-Signals nicht beeinträchtigt

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf dem von einem Tele­kommunikations­dienst­leister seinen Kunden zur Verfügung gestellten WLAN-Router, das von Dritten genutzt werden kann, wettbewerbs­rechtlich zulässig ist, wenn den Kunden ein Wider­spruchsrecht zusteht, die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals ihren Internetzugang nicht beeinträchtigt und auch sonst keine Nachteile, insbesondere keine Sicherheits- und Haftungsrisiken oder Mehrkosten mit sich bringt.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Streitfalls bietet Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­dienst­leis­tungen an. Sie stellt den Kunden ihrer Inter­ne­t­an­schluss­leis­tungen auf Wunsch kostenfrei einen WLAN-Router zur Verfügung, der gegen unberechtigten Zugang Dritter durch eine mit einem Passwort geschützte Verschlüsselung gesichert ist. Der Router verbleibt im Eigentum der Beklagten. Anfang 2016 teilte die Beklagte ihren Kunden mit, dass sie zur Erstellung eines flächen­de­ckenden WLAN-Netzes die Konfiguration der WLAN-Router dahin ändern werde, dass ein separates WLAN-Signal aktiviert werde, das Dritten einen Zugang zum Internet eröffne. Die Klägerin, eine qualifizierte Einrichtung nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, sieht in dieser unauf­ge­for­derten Einrichtung eines Wifi-Spots bei Verbrauchern eine unzumutbare Belästigung und eine aggressive Geschäft­s­praktik.

OLG weist Klage ab

Die Klägerin verlangte von der Beklagten Unterlassung der Aktivierung des separaten WLAN-Signals, wenn dies mit den Verbrauchern nicht vertraglich vereinbart worden ist und diese kein Einverständnis erklärt haben. Das Landgericht Köln verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Das Berufungs­gericht nahm an, dass die Aktivierung eines zusätzlichen Signals die geschuldete Vertrags­leistung nicht beeinträchtige. Eine mögliche Belästigung durch die einseitige Aufschaltung des zweiten WLAN-Signals sei jedenfalls nicht unzumutbar, weil die Kunden dem jederzeit - auch nachträglich - widersprechen könnten. Eine aggressive Geschäft­s­praktik liege nicht vor.

Ungestörter Gebrauch des Routers wird weder durch Aktivierung noch durch Betrieb des zweiten WLAN-Signals beeinträchtigt

Der Bundes­ge­richtshof wies die Revision der Klägerin zurück. Die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals stellt keine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG dar. Die geschuldete Vertrags­leistung - Zugang zum Internet - wird durch das zweite WLAN-Signal nicht beeinträchtigt. Ein ausschließ­liches Nutzungsrecht der im Eigentum der Beklagten stehenden Router durch die Kunden, das einer Nutzung der Router auch durch die Beklagte entgegenstehen könnte, sehen die Verträge über Inter­net­zu­gangs­leis­tungen nicht vor. Der ungestörte Gebrauch des Routers durch die Kunden wird weder durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals noch durch dessen Betrieb beeinträchtigt.

Aktivierung dieses Signals stellt für sich genommen keine Dienstleistung der Beklagten gegenüber dem Besitzer des Routers dar

In der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals liegt entgegen der Ansicht des Berufungs­ge­richts keine aufgedrängte Dienstleistung. Die Beklagte eröffnet ihren Kunden mit der Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf deren Routern zwar die Möglichkeit, die Leistungen der Beklagten auch über die Wifi-Spots anderer Kunden zu nutzen. Die Klägerin möchte der Beklagten aber nicht das Angebot dieser zusätzlichen Leistung, sondern allein die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals verbieten lassen. In der Aktivierung dieses Signals liegt für sich genommen keine Dienstleistung der Beklagten gegenüber dem Besitzer des Routers.

Internetzugang der Kunden wird durch Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht beeinträchtigt

Auch sonst gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG darstellt. Die Aktivierung ist ein ausschließlich technischer Vorgang, der nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts keinerlei Nachteile für die Kunden mit sich bringt. Sie erfordert weder einen mit Störungen verbundenen Besuch bei den Kunden noch deren Mitwirkung. Der Internetzugang der Kunden wird durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht beeinträchtigt. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit der Kunden oder durch die erweiterte Nutzung des Routers verursachte Mehrkosten zu Lasten der Kunden hat das Berufungs­gericht nicht festgestellt. Für die Kunden besteht auch nicht das Risiko, für von Dritten über das zweite WLAN-Signal begangene Rechts­ver­let­zungen zu haften.

Kunden steht Wider­spruchsrecht zu

Gegen eine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG spricht schließlich das zeitlich unein­ge­schränkte Wider­spruchsrecht der Kunden. Sie können die Nutzung der ihnen zur Verfügung gestellten Router durch Dritte über ein von der Beklagten betriebenes zusätzliches WLAN-Signal jederzeit durch einen Widerspruch kurzfristig - spätestens zum übernächsten Werktag - beenden. Selbst wenn in der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine Belästigung läge, fehlte es an der Unzumutbarkeit der Belästigung. Rechtlich geschützte Interessen der Kunden werden im Zuge der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht verletzt. Gegen die Unzumutbarkeit einer Belästigung spricht ferner das jederzeitige Wider­spruchsrecht der Kunden. Die Freischaltung des zweiten WLAN-Signals ist auch nicht mit der in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG geregelten und nur bei Vorliegen einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten zulässigen E-Mail-Werbung vergleichbar, weil sie nicht zu ähnlichen Beein­träch­ti­gungen führt.

Keine aggressive Geschäft­s­praktik

Eine aggressive Geschäft­s­praktik im Sinne von § 4 a Abs. 1 UWG liegt schon deshalb nicht vor, weil den Kunden ein unein­ge­schränktes Wider­spruchsrecht zusteht und ihre Entschei­dungs­freiheit daher nicht beeinträchtigt wird.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 8 Abs. 1 und 3 UWG

(1) 1 Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wieder­ho­lungs­gefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. 2 Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) [...]

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1. [...]

2. [...]

3. qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unter­las­sungs­kla­gen­ge­setzes oder in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unter­las­sungs­klagen zum Schutz der Verbrau­che­r­in­teressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind;

4. [...]

§ 7 Abs. 1 UWG

(1) 1 Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. 2 Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.

(2) Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen

1. [...]

2. [...]

3. bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, oder

4. [...]

§ 4 a Abs. 1 UWG

(1) 1 Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. 2 Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berück­sich­tigung aller Umstände geeignet ist, die Entschei­dungs­freiheit des Verbrauchers oder sonstigen Markt­teil­nehmers erheblich zu beeinträchtigen durch

1. Belästigung,

2. Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder

3. unzulässige Beeinflussung.

3 Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Markt­teil­nehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm/kg)

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