21.11.2024
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Dokument-Nr. 21886

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Urteil19.11.2015BundesgerichtshofI ZR 149/14
Vorausgegangene Entscheidungen:
  • Landgericht Köln, Urteil10.08.2011, 28 O 117/11
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil24.02.2012, 6 U 176/11
  • Bundesgerichtshof, Urteil17.07.2013, I ZR 52/12
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil20.06.2014, 6 U 176/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil19.11.2015

Einzel­han­delsmarkt verletzt durch Werbeaktion mit Pippi-Langstrumpf-Kostüm keine UrheberrechteBGH zum wett­bewerbs­recht­lichen Schutz einer Romanfigur

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Frage zu entschieden, ob eine bekannte literarische Figur wett­bewerbs­recht­lich gegen eine Benutzung als Karnevalskostüm geschützt ist.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens betreibt Einzel­han­dels­märkte. Um für ihre Karne­vals­kostüme zu werben, verwandte sie in Verkauf­spro­spekten im Januar 2010 die Abbildungen eines Mädchens und einer jungen Frau, die mit dem Karnevalskostüm verkleidet waren. Sowohl das Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem Ringelmuster. Die Fotografien waren bundesweit in Verkauf­spro­spekten, auf Voran­kün­di­gungs­plakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungs­an­zeigen abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.

Klägerin rügt Verletzung urheber­recht­licher Nutzungsrechte an literarischer Figur

Die Klägerin, die für sich in Anspruch nimmt, über Rechte am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren zu verfügen, ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheber­recht­lichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf verletzt sowie gegen wettbe­wer­bs­rechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Beklagte sich in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000 Euro zu.

Bisheriger Verfahrensgang

Das Landgericht Köln hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlan­des­gericht Köln hat in seinem ersten Berufungsurteil angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte urheber­rechtliche Anspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten wettbe­wer­bs­recht­lichen Ansprüche hat der Bundes­ge­richtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen.

Abbildung eines Mädchens im Pippi-Langstrumpf-Kostüm stellt kein unlauteres Verhalten dar

Das Oberlan­des­gericht hat die Klage mit seinem zweiten Berufungsurteil auch im Hinblick auf wettbe­wer­bs­rechtliche Ansprüche abgewiesen. Es hat angenommen, dass sich der Zahlungs­an­spruch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wettbe­wer­bs­recht­lichen Nachah­mungs­schutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG* ergebe. Die Abbildung eines Mädchens und einer jungen Frau in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm stelle zwar eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren dar. Besondere Umstände, die dieses Verhalten unlauter erscheinen ließen, seien aber nicht gegeben. Eine unlautere Herkunft­s­täu­schung scheide ebenso aus wie eine unangemessene Ausnutzung oder Beein­träch­tigung der Wertschätzung der Romanfigur Pippi Langstrumpf.

BGH verneint Vorliegen einer Nachahmung

Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision zurückgewiesen. Ein Anspruch gemäß § 4 Nr. 9 UWG scheidet aus. Zwar kann auch eine literarische Figur dem Schutz dieser Bestimmung unterfallen. Es fehlt jedoch vorliegend an einer Nachahmung. An eine Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von Merkmalen, die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm gegeben ist, sind keine geringen Anforderungen zu stellen. Im Streitfall bestehen zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der Pippi Langstrumpf ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur so geringe Überein­stim­mungen, dass keine Nachahmung vorliegt.

Von der Klägerin vertriebene konkrete Merchan­di­sin­g­artikel sind gegen Nachahmungen geschützt

Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus der wettbe­wer­bs­recht­lichen Generalklausel gemäß § 3 Abs. 1 UWG** zu. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass eine durch die Anwendung der Generalklausel zu schließende Schutzlücke besteht. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchan­di­sin­g­artikel sind gegen Nachahmungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG geschützt. Der Klägerin steht es zudem frei, das Erschei­nungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend ist es wettbe­wer­bs­rechtlich nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswer­tungsarten seiner Leistung zu beteiligen.

* § 4 Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen

Unlauter handelt insbesondere, wer

[... ]

9. Waren oder Dienst­leis­tungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienst­leis­tungen eines Mitbewerbers sind, wenn er

a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,

b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt [... ]

** § 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Markt­teil­nehmern spürbar zu beeinträchtigen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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