23.11.2024
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Dokument-Nr. 23996

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Bundesgerichtshof Urteil16.03.2017

Presse­rechtliche Auskunfts­an­spruch kann auch gegenüber in mehrheitlich öffentlicher Hand befindlicher Aktien­gesellschaften geltend gemacht werdenBundes­ge­richtshof zum Auskunfts­an­spruch der Presse

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der presse­rechtliche Auskunfts­an­spruch auch gegenüber Aktien­gesellschaften geltend gemacht werden kann, die im Bereich der Daseinsvorsorge (hier: Wasser- und Energie­ver­sorgung, Abwas­se­r­ent­sorgung) tätig sind und deren Anteile sich mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist Journalist. Er arbeitete an einem Artikel über die Finanzierung des Bundes­tags­wahl­kampfs der SPD im Jahr 2013 und früherer Landtags­wahl­kämpfe der SPD in Nordrhein-Westfalen. In diesem Zusammenhang recherchierte er, ob in den Jahren 2013 und 2010 betriebene Internetblogs, in denen die Wahlkämpfen der SPD unterstützende Beiträge und Dokumente veröffentlicht worden sind, mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden.

Kläger vermutet indirekte Finanzierung von Internetblogs durch AG

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, die Leistungen der Wasser- und Energie­ver­sorgung und der Abwas­se­r­ent­sorgung erbringt. Die Mehrheit der Aktienanteile wird von Kommunen gehalten. Der Kläger hatte den Verdacht, dass die Beklagte die Internetblogs indirekt finanziert hat, indem sie an Unternehmen, die mit den Blogs in Verbindung stehen, überhöhte Zahlungen für angebliche Vertrags­leis­tungen erbracht hat. Er nahm daraufhin die Beklagte auf Auskunft über die den Unternehmen erteilten Aufträge, die erbrachten Leistungen und die in Rechnung gestellten Vergütungen in Anspruch.

Verdacht der verdeckten Finanzierung nicht von vornherein haltlos

Das Landgericht Essen wies die Klage ab. Das Oberlan­des­gericht Hamm verurteilte die Beklagte zur Auskunft­s­er­teilung ab dem Jahr 2009. Es nahm an, dass die Beklagte nach § 4 Abs. 1 LPresseG NRW* zur Auskunft verpflichtet sei. Sie sei eine Behörde im presse­recht­lichen Sinn, weil sie von kommunalen Aktionären beherrscht und von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge eingesetzt werde. Der Verdacht des Klägers, dass die Beklagte über Zahlungen an die Unternehmen die Wahlkämpfe der SPD verdeckt finanziert habe, sei nicht von vornherein haltlos. Die Beklagte könne die Auskunft nicht nach § 4 Abs. 2 LPresseG NRW* unter Verweis auf schützenswerte Geschäfts­ge­heimnisse verweigern. Der Auskunftsanspruch beschränke sich auf Informationen, die im zeitlichen Zusammenhang mit den Wahlkämpfen stünden.

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschluss­re­vision seinen Antrag auf Auskunft über von der Beklagten vor dem Jahr 2009 erteilte Aufträge weiter.

Beklagte ist auskunfts­pflichtige Behörde im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG NRW

Der Bundes­ge­richtshof wies die Anschluss­re­vision des Klägers zurück. Die Revision der Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Verurteilung zur Auskunft seit dem Jahr 2014 richtet. Der Bundes­ge­richtshof hat die Beklagte als auskunfts­pflichtige Behörde im Sinne von § 4 Abs. 1 LPresseG NRW angesehen. Der presse­rechtliche Begriff der Behörde erfasst auch juristische Personen des Privatrechts, die von der öffentlichen Hand beherrscht und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, etwa im Bereich der Daseinsvorsorge, eingesetzt werden. Eine Beherrschung in diesem Sinne ist in der Regel anzunehmen, wenn mehr als die Hälfte der Anteile der privat­recht­lichen juristischen Person im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf ein Auskunfts­ver­wei­ge­rungsrecht gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG NRW berufen. Dem vom Kläger verfolgten Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse kommt ein größeres Gewicht als dem Interesse der Beklagten und der betroffenen Dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen an der Geheimhaltung der Vertrags­kon­di­tionen zu. Im Hinblick auf die sachgerechte Verwendung öffentlicher Mittel und die politischen Aktivitäten eines kommunal beherrschten Unternehmens besteht ein gewichtiges öffentliches Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse. Der Auskunfts­an­spruch umfasst allerdings nur den Zeitraum, für den ein berechtigtes Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Presse besteht. Dies ist vorliegend die Zeit von 2009 bis 2013.

*§ 4 LPresseG NRW lautet:

(1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.

(2) Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht, soweit [...]

3. ein überwiegendes öffentliches oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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