21.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 6716

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Beschluss03.07.2008BundesgerichtshofI ZB 87/06
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHReport 2008, 1200Zeitschrift: BGH Report (BGHReport), Jahrgang: 2008, Seite: 1200
  • FamRZ 2008, 1751Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2008, Seite: 1751
  • JurBüro 2008, 547Zeitschrift: Das juristische Büro (JurBüro), Jahrgang: 2008, Seite: 547
  • MDR 2008, 1176Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2008, Seite: 1176
  • NJ 2008, 557Zeitschrift: Neue Justiz (NJ), Jahrgang: 2008, Seite: 557
  • NJW 2008, 2919Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2008, Seite: 2919
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss03.07.2008

Anspruch auf Namensnennung des Vaters mit Zwangshaft durchsetzbarBGH: Kindesmutter ist auskunfts­pflichtig

Der titulierte Anspruch auf Nennung des Vaters des nichtehelichen Kindes ist in der Regel auch vollstreckbar.

Der Bundes­ge­richtshof begründete dies im vorliegenden Beschluss damit, dass durch die Vollstreckung der Eingriff in die Grundrechte der auskunfts­pflichtigen Kindesmutter nicht über das Maß hinaus vertieft werde, in dem ihre grundrechtlich geschützten Interessen bereits durch die rechtskräftige Verurteilung berührt seien. Gläubiger des Anspruchs ist der sogenannte Scheinvater des 1989 geborenen Sohnes. Zuvor hatte er seine Vaterschaft urkundlich anerkannt.

BGH bestätigt Urteil des Landgerichts Gera

Die Mutter war vom erkennenden erstin­sta­nz­lichen Landgericht verurteilt worden, dem Scheinvater den Namen des biologischen Vaters des Kindes zu benennen. Auf Antrag des Scheinvaters setzte das Landgericht mit rechtskräftigem Beschluss gegen die Mutter zur Erzwingung der Auskunft ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € fest, ersatzweise für je 100 € einen Tag Zwangshaft. Nachdem das Zwangsgeld nicht hatte beigetrieben werden können, hatte der Scheinvater den Erlass eines Haftbefehls gegen die Mutter beantragt. Dem war die Mutter entge­gen­ge­treten. Dabei berief sie sich darauf, dass im Rahmen des Vater­schafts­an­fech­tungs­ver­fahrens Fehler gemacht worden seien und dass der Scheinvater auch der wirkliche (biologische) Vater ihres Sohnes sei.

Verurteilung auf Auskunft­s­er­teilung ist als unvertretbare Handlung vollstreckbar

Der BGH führte aus, dass die Verurteilung auf die Erteilung einer Auskunft gerichtet sei, die nur aufgrund des persönlichen Wissens der Schuldnerin gegeben werden könne und daher als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken sei. Die Festsetzung von Zwangsgeld und (Ersatz-)Zwangshaft als Beugemittel gegen die Schuldnerin sei ein eigener Vollstre­ckungstitel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für die Beitreibung des Zwangsgeldes und die Vollstreckung der (Ersatz)Zwangshaft. Der Erlass des daraufhin beantragten Haftbefehls könne nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Verurteilung auf Erteilung der Auskunft über den Namen des Kindesvaters wegen eines Grund­rechts­ver­stoßes nicht vollstreckbar sei.

Grundrechte und Verhält­nis­mä­ßig­keits­prinzip gelten auch in der Zwangs­voll­streckung

Die verfas­sungs­rechtliche Gewährleistung der Grundrechte und die aus dem Rechts­s­taats­prinzip herzuleitenden Verfas­sungs­prin­zipien, insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, beanspruchten auch im Rahmen des Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fahrens Geltung. Bei der Auslegung der Vorschriften des Zwangs­voll­stre­ckungsrecht seien sie zu berücksichtigen.

Entsprechende Anwendung von § 888 Abs. 3 ZPO

Dem könne im Zwangs­voll­stre­ckungsrecht durch eine entsprechende Anwendung von § 888 Abs. 3 ZPO Rechnung getragen werden. Danach ist die Vollstreckung im Falle der Verurteilung zur Eingehung einer Ehe, zur Herstellung des ehelichen Lebens und zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag ausgeschlossen. Entsprechend § 888 Abs. 3 ZPO könne die Vollstreckung ausgeschlossen sein, wenn die Durchsetzung des Titels mit den Zwangsmitteln der ZPO einen Verstoß gegen die Grundrechte des Schuldners darstellen würde. Davon könne im zu entscheidenden Fall aber nicht ausgegangen werden.

Persön­lich­keitsrecht der Mutter

Denn die Vollstreckung des Anspruchs auf Auskunft über den Vater ihres Kindes berühre zwar das Persönlichkeitsrecht der Mutter nach dem Grundgesetz, nach dessen Art. 1 und 2 unter anderem das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre umfasst und zu dem die persönlichen, auch geschlecht­lichen Beziehungen zu einem Partner gehörten. Das allgemeine Persön­lich­keitsrecht schütze die Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, inwieweit und wem gegenüber er persönliche Lebens­sach­verhalte offenbare. Es sei jedoch nicht schrankenlos gewährleistet.

Unantastbarer Bereich privater Lebens­ge­staltung

Soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebens­ge­staltung eingegriffen werde, habe der Einzelne die Einschränkungen hinzunehmen, die im überwiegenden Allge­mein­in­teresse oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung der Verhält­nis­mä­ßigkeit vorgenommen würden. Diese grundrechtliche Problematik sei bereits im Erkennt­nis­ver­fahren zu erörtern. Dort sei zu ergründen ob dem geltend gemachten Anspruch auf Nennung des Kindesvaters Grundrechte der auf Auskunft in Anspruch genommenen Kindesmutter entgegenstünden. Führe die Abwägung unter Beachtung der grundrechtlich geschützten Interessen der Schuldnerin zu deren Verurteilung im Erkennt­nis­ver­fahren, so sei der titulierte Anspruch in der Regel auch vollstreckbar, weil durch die Vollstreckung der Eingriff in die Grundrechte der Schuldnerin nicht über das Maß hinaus vertieft werde, in dem ihre grundrechtlich geschützten Interessen bereits durch die Verurteilung berührt seien. Ein anderes Ergebnis sei nur zu erzielen, wenn im Einzelfall besondere, die Belange des Gläubigers deutlich überwiegende Umstände vorläge, um ausnahmsweise von einer Nicht­voll­streck­barkeit entsprechend § 888 Abs. 3 ZPO ausgehen zu können. Dies sei in dem vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich.

Versäum­ni­s­urteil begründet keinen Zweifel an fehlerhafter Inter­es­se­n­ab­wägung

Auch daraus, dass der der Vollstreckung zugrunde liegende Titel als Versäum­ni­s­urteil ergangen war, könne nicht hergeleitet werden, dass die verfas­sungs­rechtlich gebotene Inter­es­se­n­ab­wägung entweder vollständig unterblieben oder rechtlich fehlerhaft vorgenommen worden sei. Es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass das Versäum­ni­s­urteil rechts- und verfah­rens­feh­lerfrei ergangen sei. Zwar könne bei einem Versäum­ni­s­urteil auf Entschei­dungs­gründe verzichtet werden. Sehe das Gericht danach – so der Regelfall – von einer Begründung seines Versäum­ni­s­urteils ab, ergebe sich allein daraus aber kein Anhaltspunkt für die Annahme, es habe von der Schlüs­sig­keits­prüfung nach § 331 Abs. 2 ZPO abgesehen oder diese nicht rechts­feh­lerfrei vorgenommen.

Mutter hatte Anerkenntnis des Scheinvaters veranlasst

Es begegne unter verfas­sungs­recht­lichen Gesichtspunkten keinen Bedenken, wenn dem Scheinvater, der mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkannt hatte, ein zivil­recht­licher Anspruch gegen die Mutter auf Nennung des tatsächlichen Vaters zugesprochen werde, nachdem die Unwirksamkeit der Vater­schafts­a­n­er­kennung rechtskräftig festgestellt worden ist. Spätestens mit der Zustim­mungs­er­klärung nach dem damals geltenden Famili­en­ge­setzbuch der DDR (§ 55 Abs. 1 Satz 1 FGB) habe die Mutter zum Ausdruck gebracht, das Kind stamme von dem Scheinvater. Sie habe sich folglich schon dadurch auch über die Tatsache des geschlecht­lichen Verkehrs geäußert, und zwar in einer für den Scheinvater nachteiligen Weise. Da nunmehr die Unrichtigkeit ihrer Erklärung feststehe, sei es ihr zuzumuten, durch Angabe des tatsächlichen Vaters an der Beseitigung der dem Scheinvater entstandenen Nachteile mitzuwirken.

Mutter hatte keine Rechtsmittel eingelegt

Überdies sei im Rahmen der Inter­es­se­n­ab­wägung zu berücksichtigen, dass die Mutter im Verfahren vor dem Amtsgericht, das die Sache anschließend an das Landgericht verwiesen hatte, persönlich angehört worden sei und sie sodann gegen das aufgrund ihres Nicht­er­scheinens im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ergangene Versäum­ni­s­urteil keinen Einspruch eingelegt habe. Auch gegen den die Zwangsmittel anordnenden Beschluss habe sie kein Rechtsmittel eingelegt.

Kein schützenswertes Interesse der Mutter

Deshalb könne ein schützenswertes Interesse der Mutter nicht angenommen werden. Vielmehr bestehe ein vorrangiges öffentliches Interesse daran, dass dem Gläubiger, dem der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols die Selbsthilfe verbiete, die Verwirklichung des ihm rechtskräftig zugesprochenen Anspruchs ermöglicht werde. Die Beachtung dieses Interesses diene der Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtsordnung, welche ihrerseits Grund­be­standteil der rechts­s­taat­lichen Ordnung sei. Auch könne die Mutter die ihr drohende Haft durch Erteilung der Auskunft ohne weiteres abwenden.

Maßgeblich ist neue BGH-Rechtsprechung zur Namensnennung

Durch die Vollstreckung könne der Scheinvater die Identität des tatsächlichen Vaters herausfinden und diesen damit nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB auf übergegangenen Kindesunterhalt in Anspruch zu nehmen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs könne der Scheinvater in Fällen der vorliegenden Art die Vaterschaft inzident im Rahmen eines Prozesses über den Schein­va­ter­regress feststellen lassen.

Quelle: ra-online

der Leitsatz

ZPO § 888 Abs. 3

Der titulierte Anspruch auf Nennung des Vaters des nichtehelichen Kindes ist in der Regel auch vollstreckbar, weil durch die Vollstreckung der Eingriff in die Grundrechte der auskunfts­pflichtigen Kindesmutter nicht über das Maß hinaus vertieft wird, in dem ihre grundrechtlich geschützten Interessen bereits durch die (rechtskräftige) Verurteilung berührt sind.

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