Dokument-Nr. 12728
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Bundesgerichtshof Urteil05.07.2000
BGH: Verurteilung eines Fluchthelfers wegen Erschießung eines Grenzpostens an der Berliner Mauer rechtmäßigHeimtückisches Handeln – Fluchthelfer nutzte bewusst Ahnungslosigkeit des Grenzpostens in Tatsituation aus
Der Bundesgerichtshof hat eine durch das Landgericht Berlin verhängte Verurteilung eines Fluchthelfers wegen Erschießung eines Grenzpostens an der Berliner Mauer für rechtmäßig erklärt. Nach Ausführungen des Gerichts war die Tötung weder durch Notwehr noch durch Notstand zu rechtfertigen, da der Fluchthelfer bewusst die Ahnungslosigkeit des Grenzpostens in der Tatsituation ausnutzte und somit heimtückisch handelte.
Im zugrunde liegenden Fall hatte der Bundesgerichtshof in einem Revisionsverfahren über die Verurteilung eines Mannes zu entscheiden, der im Jahre 1962 in Berlin (Ost) einen Grenzposten an der Berliner Mauer erschossen hat. Der Angeklagte, der selbst bereits vor dem Mauerbau nach Berlin (West) geflüchtet war, wollte auch seiner Frau und seinen Kindern die Flucht ermöglichen; er hatte einen Tunnel unter der Mauer gegraben, der in den Keller eines unmittelbar im Grenzbereich in Berlin (Ost) gelegenen Hauses führte. Als er mit seinen fluchtwilligen Familienangehörigen dieses Haus betreten wollte, trat ihm der Grenzposten, der eine Personenkontrolle vornehmen wollte, entgegen. Um ein Scheitern der Flucht zu verhindern, erschoss der Angeklagte den Grenzposten mit einer mitgeführten Pistole.
Tötung weder durch Notwehr noch durch Notstand gerechtfertigt
Der Bundesgerichtshof hat die Annahme des Landgerichts Berlin gebilligt, dass die Tötung weder durch Notwehr gerechtfertigt noch durch Notstand entschuldigt war. Der Grenzposten hatte seinerseits nicht etwa zum Schusswaffengebrauch angesetzt. Daher hat der Bundesgerichtshof auf die Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers, eines Bruders des Getöteten, die Verurteilung bestätigt, wobei sogar die rechtlichen Voraussetzungen eines Mordes vorlagen, da der Angeklagte bewusst die Ahnungslosigkeit des Grenzposten in der Tatsituation ausnutzte und somit heimtückisch handelte. Die Frage einer etwaigen Verjährung der Tat stellte sich nicht; Mord verjährt nach dem maßgeblichen Recht der Bundesrepublik Deutschland nicht.
Vom Landgericht lediglich wegen Totschlags verhängte Strafe bleibt bestehen
Allerdings konnte mit Rücksicht auf den beträchtlichen Zeitablauf und angesichts dessen, dass sich der Angeklagte in der tragischen Tatsituation in einer notstandsähnlichen Situation befand und ihm darüber hinaus ein - allerdings vermeidbarer - Verbotsirrtum zugute zu halten war, die vom Landgericht lediglich wegen Totschlags verhängte Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe mit Bewährung gleichwohl bestehen bleiben. Das Verfahren ist damit rechtskräftig abgeschlossen.
Erläuterungen
Die Entscheidung ist aus dem Jahre 2000 und erscheint im Rahmen der Reihe "Wissenswerte Urteile".
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.12.2011
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
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