18.10.2024
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Dokument-Nr. 187

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Entscheidung16.02.2005Bundesgerichtshof5 StR 14/04
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2005, 1287Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2005, Seite: 1287
  • NJW-Spezial 2005, 233 (Klaus Leipold)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2005, Seite: 233, Entscheidungsbesprechung von Klaus Leipold
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Bundesgerichtshof Entscheidung16.02.2005

Stasi-Offizier im Fall der Tötung Michael Gartenschlägers an der innerdeutschen Grenze vom BGH freigesprochen

Dem nunmehr durch Urteil des Bundes­ge­richtshofs freige­spro­chenen Angeklagten wurde eine vorsätzliche Tötung Michael Gartenschlägers, Mord nach dem Recht der DDR, Totschlag nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland, vorgeworfen.

Das Landgericht Berlin hat hierzu rechts­feh­lerfrei folgendes festgestellt: Die DDR installierte zur Perfek­ti­o­nierung der Unüber­wind­barkeit ihrer Grenze zur Bundesrepublik Deutschland für Flüchtlinge ab 1970 am Grenzzaun Selbst­schuß­anlagen, durch die – wie mehrfach geschehen – schwer verletzende und tödliche Splitterminen ausgelöst wurden, bestritt aber – um Reputation in der Weltöf­fent­lichkeit bemüht – die Existenz solcher Anlagen. Es gelang Gartenschläger, von westlicher Seite aus zwei dieser Anlagen zu demontieren und öffentlich zu präsentieren. Die der Lüge überführten Organe der DDR wollten eine Wiederholung mit allen Mitteln unterbinden und den oder die Täter ein für allemal ausschalten. Während eine erneute Aktion Gartenschlägers konkret erwartet wurde, planten Angehörige des Ministeriums für Staats­si­cherheit der DDR einen Hinterhalt. Aufgrund eines Befehls des Ministers für Staats­si­cherheit Mielke wurde dabei das Kommando weitergegeben, Gartenschläger keinesfalls entkommen zu lassen, sondern ihn notfalls zu „vernichten“, also zu töten. Der Angeklagte als Kompaniechef einer speziellen Einsatzkompanie des Ministeriums für Staats­si­cherheit rekrutierte daraufhin die einzusetzenden Schützen und war an der konkreten Planung des Hinterhalts beteiligt. Als Gartenschläger sich in der Nacht zum 1. Mai 1976 in Begleitung von zwei Helfern, allesamt scharf bewaffnet, zum Abbau einer dritten Selbst­schuß­anlage an den Grenzzaun begab, kam es zu mehrfachen Schußwechseln, wobei Gartenschläger erschossen wurde. Das Landgericht hat nicht ausschließen können, daß Gartenschläger als erster schoß, so daß die Schüsse der DDR-Schützen möglicherweise in Notwehr erfolgten.

Eine Strafbarkeit des Angeklagten im Sinne der Anklage ist vom Landgericht rechts­feh­lerfrei verneint worden. Die allein vorliegende erfolglose Aufforderung zur Begehung eines Mordes nach dem Recht der DDR ist verjährt. Während das Landgericht Berlin das Verfahren dieserhalb durch Urteil eingestellt hatte, hat der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs auf die Revision der Staats­an­walt­schaft – aus rechtlichen Gründen – auf Freisprechung des Angeklagten erkannt.

Der Bundes­ge­richtshof hat mit dieser Entscheidung über den – soweit ersichtlich – letzten vor den Gerichten Deutschlands anhängigen Fall aus dem umfangreichen Komplex der Tötung von Menschen an der innerdeutschen Grenze entschieden. Damit ist ein Komplex abgeschlossen, in dem namentlich Mitglieder des „Nationalen Vertei­di­gungsrates“ der DDR, Mitglieder des Politbüros der SED, Generäle und hochrangige Offiziere der Grenztruppen der DDR wegen der Organisation des tödlichen Grenzsystems der DDR teilweise zu mehrjährigen Freiheits­s­trafen verurteilt worden sind, während gegen die jungen, im Wehrdienst stehenden und durch das System der DDR indoktrinierten Schützen der Grenztruppen wegen ihrer tödlichen Schüsse auf Flüchtlinge regelmäßig Bewäh­rungs­strafen verhängt worden sind.

Hinweis auf die Vorinstanz: LG Berlin - 25 Js 2/97 (531) Ks (8/97)

Quelle: ra-online, BGH (pm)

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