15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen auf azurblauem Grund die zwölf goldenen Sterne, wie sie auch in der Europaflagge zu finden sind, wobei in der Mitte ein Paragraphenzeichen zu sehen ist.

Dokument-Nr. 10763

Drucken
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss01.12.2010

Doppel­be­strafung: Bei nicht vollstreckter früherer Sanktion sind Voraussetzungen für Verstoß gegen das Doppel­be­stra­fungs­verbot nicht gegebenBGH: Lebenslange Haftstrafe wegen Ermordung nieder­län­discher Zivilisten durch Waffen-SS Mitglied rechtskräftig

Ein nieder­län­discher Staatsbürger und ehemaliges Mitglied der deutschen Waffen-SS, der bereits von einem nieder­län­dischen Gericht wegen heimtückisch durchgeführten Erschießungen verurteilt wurde, dessen Strafe in eine Gefängnisstrafe umgewandelt wurde, diese jedoch letztlich nicht antreten werden musste, kann nochmals aufgrund derselben Tat zu einer lebenslangen Haftstrafe durch ein deutsches Gericht verurteilt werden. Ein Verstoß gegen das Doppel­be­stra­fungs­verbot nach Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union liegt nicht vor, wenn die durch das frühere Urteil verhängte Sanktion nicht vollstreckt wurde. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Im zugrunde liegenden Fall hatte das Landgericht Aachen einen heute 89-jährigen, ehemaligen nieder­län­dischen Staats­an­ge­hörigen wegen im Sommer 1944 begangener heimtückischer Tötungen dreier nieder­län­discher Zivilisten, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts im hiesigen Fall war der Angeklagte im Zweiten Weltkrieg sowohl Mitglied der deutschen Waffen-SS, als auch während der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht Mitglied der natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Bewegungen der Niederlande (NSB) und Angehöriger ihres bewaffneten Arms, der so genannten "Landwacht".

Ziel der Vergel­tungs­ak­tionen war Widerständler durch Tötung nicht zur Wider­stands­be­wegung angehöriger Zivilisten einzuschüchtern

Diese führte in enger Zusammenarbeit mit dem deutschen Sicher­heits­dienst (SD) Vergel­tungs­maß­nahmen für Anschläge durch, die Mitglieder einer nieder­län­dischen Wider­stands­be­wegung gegen die deutsche Besatzungsmacht unternommen hatten. Ziel der ab Oktober 1943 unter dem Decknamen "Geheime Reichssache Silbertanne" durchgeführten Vergel­tungs­ak­tionen war es, durch die meuchlerische Tötung unschuldiger, der Wider­stands­be­wegung nicht angehörender Zivilisten die Widerständler und ihre Sympathisanten einzuschüchtern und in der Zivil­be­völ­kerung ein Klima der Verunsicherung zu erzeugen. Im Rahmen solcher Racheakte erschoss der Angeklagte auf entsprechende Anordnung seines Vorgesetzten drei niederländische Bürger, deren Personalien ihm durch Mitarbeiter der deutschen SS bzw. der SD zuvor mitgeteilt worden waren.

Gericht wertet Erschießungen als Mord

Das Landgericht hat die drei heimtückisch durchgeführten Erschießungen rechtlich jeweils als Mord gewertet. Durch den Umstand, dass der Angeklagte wegen der Taten bereits im Jahr 1949 durch den Sonder­ge­richtshof Amsterdam in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war, hat es sich nicht an die Aburteilung dieser Taten gehindert gesehen; diese Strafe wurde später in eine Gefängnisstrafe umgewandelt, die der Angeklagte allerdings nicht antreten musste.

Angeklagter legt Revision wegen Doppel­be­strafung ein

Der Bundes­ge­richtshof hat die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten verworfen. Das Gericht hat sich in seiner Entscheidung des Rechts­auf­fassung des 1. Strafsenats des Bundes­ge­richtshofs angeschlossen (Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 1 StR 57/10), wonach das Verbot der Doppel­be­strafung nach Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nur nach Maßgabe von Art. 54 der Schengener Durch­füh­rungs­ver­ein­barung (SDÜ) gilt, sodass es auch darauf ankommt, ob die durch das frühere Urteil verhängte Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nicht mehr vollstreckt werden kann. Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt, weshalb ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot nicht gegeben war.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss10763

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI