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- Landgericht Aachen, Urteil23.03.2010, 252 Ks 45 Js 18/83
Bundesgerichtshof Beschluss01.12.2010
Doppelbestrafung: Bei nicht vollstreckter früherer Sanktion sind Voraussetzungen für Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot nicht gegebenBGH: Lebenslange Haftstrafe wegen Ermordung niederländischer Zivilisten durch Waffen-SS Mitglied rechtskräftig
Ein niederländischer Staatsbürger und ehemaliges Mitglied der deutschen Waffen-SS, der bereits von einem niederländischen Gericht wegen heimtückisch durchgeführten Erschießungen verurteilt wurde, dessen Strafe in eine Gefängnisstrafe umgewandelt wurde, diese jedoch letztlich nicht antreten werden musste, kann nochmals aufgrund derselben Tat zu einer lebenslangen Haftstrafe durch ein deutsches Gericht verurteilt werden. Ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot nach Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union liegt nicht vor, wenn die durch das frühere Urteil verhängte Sanktion nicht vollstreckt wurde. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.
Im zugrunde liegenden Fall hatte das Landgericht Aachen einen heute 89-jährigen, ehemaligen niederländischen Staatsangehörigen wegen im Sommer 1944 begangener heimtückischer Tötungen dreier niederländischer Zivilisten, zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts im hiesigen Fall war der Angeklagte im Zweiten Weltkrieg sowohl Mitglied der deutschen Waffen-SS, als auch während der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht Mitglied der nationalsozialistischen Bewegungen der Niederlande (NSB) und Angehöriger ihres bewaffneten Arms, der so genannten "Landwacht".
Ziel der Vergeltungsaktionen war Widerständler durch Tötung nicht zur Widerstandsbewegung angehöriger Zivilisten einzuschüchtern
Diese führte in enger Zusammenarbeit mit dem deutschen Sicherheitsdienst (SD) Vergeltungsmaßnahmen für Anschläge durch, die Mitglieder einer niederländischen Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzungsmacht unternommen hatten. Ziel der ab Oktober 1943 unter dem Decknamen "Geheime Reichssache Silbertanne" durchgeführten Vergeltungsaktionen war es, durch die meuchlerische Tötung unschuldiger, der Widerstandsbewegung nicht angehörender Zivilisten die Widerständler und ihre Sympathisanten einzuschüchtern und in der Zivilbevölkerung ein Klima der Verunsicherung zu erzeugen. Im Rahmen solcher Racheakte erschoss der Angeklagte auf entsprechende Anordnung seines Vorgesetzten drei niederländische Bürger, deren Personalien ihm durch Mitarbeiter der deutschen SS bzw. der SD zuvor mitgeteilt worden waren.
Gericht wertet Erschießungen als Mord
Das Landgericht hat die drei heimtückisch durchgeführten Erschießungen rechtlich jeweils als Mord gewertet. Durch den Umstand, dass der Angeklagte wegen der Taten bereits im Jahr 1949 durch den Sondergerichtshof Amsterdam in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war, hat es sich nicht an die Aburteilung dieser Taten gehindert gesehen; diese Strafe wurde später in eine Gefängnisstrafe umgewandelt, die der Angeklagte allerdings nicht antreten musste.
Angeklagter legt Revision wegen Doppelbestrafung ein
Der Bundesgerichtshof hat die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten verworfen. Das Gericht hat sich in seiner Entscheidung des Rechtsauffassung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs angeschlossen (Beschluss vom 25. Oktober 2010 - 1 StR 57/10), wonach das Verbot der Doppelbestrafung nach Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nur nach Maßgabe von Art. 54 der Schengener Durchführungsvereinbarung (SDÜ) gilt, sodass es auch darauf ankommt, ob die durch das frühere Urteil verhängte Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nicht mehr vollstreckt werden kann. Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt, weshalb ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot nicht gegeben war.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.12.2010
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
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