21.11.2024
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Dokument-Nr. 27278

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Urteil06.03.2018Bundesgerichtshof1 StR 277/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2018, 1986Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 1986
  • NJW-Spezial 2018, 409Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 409
  • NStZ 2019, 36Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Jahrgang: 2019, Seite: 36
  • StV 2018, 767Zeitschrift: Der Strafverteidiger (StV), Jahrgang: 2018, Seite: 767
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Vorinstanz:
  • Landgericht Traunstein, Urteil03.04.2017, 6 KLs 402 Js 73330/16
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil06.03.2018

BGH: Angaben eines Tatverdächtigen gegenüber Arzt im Beisein eines Polizisten kann Beweis­verwertungs­verbot unterliegenBefunderhebung des Arztes führt zur Selbstbelastung des Patienten

Muss sich ein Tatverdächtiger zur ärztlichen Behandlung zwingend selbst belasten und hört dies ein anwesender Polizeibeamter mit, so dürfen die Angaben gegenüber dem Arzt nicht verwertet werden. Es liegt ein Beweis­verwertungs­verbot vor. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Februar 2017 hatte das Landgericht Traunstein eine 75-jährige Frau wegen Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ihr wurde vorgeworfen die Doppel­haus­hälfte, in der sie gelebt hatte, in Brand gesetzt zu haben. Das Landgericht war aufgrund von Angaben, welche die Angeklagte gegenüber einem Arzt getätigt hatte, von ihrer Täterschaft überzeugt. Die Angeklagte hatte vor der Tat eine große Menge von Psychopharmaka zu sich genommen, weswegen sie unter anderem von einer Krimi­na­l­kom­missarin ins Krankenhaus gebracht wurde. Obwohl sie bereits der Polizei gegenüber gesagt hatte, von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen zu wollen, hatte die Krimi­na­l­kom­missarin wiederholt Fragen zur Tat gestellt. Während der ärztlichen Behandlung blieb die Kommissarin im Behand­lungs­zimmer und wurde daher Zeugin der Selbstbelastung. Die Angeklagte hatte gegenüber dem Arzt zwecks Befunderhebung die Tathandlung geschildert. Die Angaben der Kommissarin verwertete das Landgericht anschließend. Gegen das Urteil des Landgerichts legte die Angeklagte Revision ein.

Vorliegen eines Beweis­ver­wer­tungs­verbots

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten der Angeklagten. Er hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies den Fall zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer des Gerichts. Es sei zu beachten, so die Bundesrichter, dass im Rahmen eines Strafverfahrens niemand gezwungen werden dürfe, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu einer Überführung aktiv beizutragen. Der Beschuldigte müsse frei entscheiden dürfen, ob und gegebenenfalls wie er im Strafverfahren mitwirken möchte. Eine solche eigen­ver­ant­wortliche Entscheidung sei bei der Angeklagten nicht gegeben gewesen. Die Angaben der Angeklagten gegenüber dem Arzt unterliegen daher einem Beweisverwertungsverbot.

Bewusste Ausnutzung einer Zwangssituation durch Polizei

Die Krimi­na­l­kom­missarin habe nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs zu keinem Zeitpunkt das Schweigerecht der Angeklagten respektiert. Die Angeklagte sei einer dauerhafte Befragung ausgesetzt gewesen. Schon allein die schlechte gesundheitliche Verfassung der ausdrücklich nicht aussagebereiten Angeklagten verbot weitere Fragen zur Tat. Zudem habe die Kommissarin durch ihre Anwesenheit bei der ärztlichen Behandlung bewusst eine Zwangssituation der Angeklagten ausgenutzt. Die Angeklagte sei zwecks Befunderhebung gezwungen gewesen, möglichst genaue Angaben zur Brandstiftung zu machen. Ein Grund zur Anwesenheit der Kommissarin im Behand­lungs­zimmer habe nicht bestanden.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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