21.11.2024
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Dokument-Nr. 850

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Bundesgerichtshof Urteil10.08.2005

Verwer­tungs­verbot für Selbstgespräch im KrankenzimmerSelbstgespräche unterfallen dem absolut geschützten Kernbereich privater Lebens­ge­staltung

Das Landgericht München II hatte den Angeklagten mit Urteil vom 13. Dezember 2004 wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der 1. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofes hat das landge­richtliche Urteil auf die Revision des Angeklagten aufgehoben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts erschlug der Angeklagte im Jahr 1998 einen Landwirt. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch auf das Ergebnis einer im Dezember 2003 durchgeführten akustischen Raumüberwachung gestützt. Zielobjekt der Abhörmaßnahme war das Einzelzimmer des Angeklagten in einer Rehabi­li­ta­ti­o­ns­klinik, in der er sich zur Behandlung der Folgen eines Arbeitsunfalls aufhielt.

Aufgezeichnet wurde dabei ein Selbstgespräch des Angeklagten, das er nach einem Telefonat mit einer Arbeitskollegin geführt hatte, die ihm von einer Befragung zu seiner Person durch die Polizei berichtet hatte.

Der Angeklagte hatte in dem auf das Telefonat folgenden Selbstgespräch wörtlich u.a. geäußert: "Sehr aggressiv! Sehr aggressiv! In Kopf hätt i eam schießen sollen." Das Landgericht hat hieraus den Schluss gezogen, dass der Angeklagte sich Gedanken über eine alternative Tötungsart gemacht habe, die den Verdacht weniger auf seine Person gelenkt hätte.

Keine Verwertung des Selbstgesprächs

Der Bundes­ge­richtshof hat die Verwertung des Ergebnisses der akustischen Raumüberwachung beanstandet. Nach dem Gesetz zur Änderung der Straf­pro­zess­ordnung, das in Umsetzung der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richtes vom 3. März 2004 zur akustischen Wohnrau­m­über­wachung (BVerfG, Urteil v. 03.04.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99 - = BVerfGE 109, 279 ff.) ergangen ist (§§ 100 c, 100 d StPO), dürfen Erkenntnisse aus einem Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebens­ge­staltung auch zur Aufklärung von Straftaten aus dem Bereich der Schwer­kri­mi­nalität nicht verwertet werden. Das Selbstgespräch des Angeklagten in dem Krankenzimmer sei diesem - durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten - Kernbereich zuzurechnen. Maßgebend dafür sei eine Kumulation mehrerer Umstände gewesen. Es handele sich um ein aufgrund einer staatlichen Überwa­chungs­maßnahme aufgezeichnetes Selbstgespräch. Dieses Selbstgespräch habe der Angeklagte in einem hier von Art. 13 GG geschützten Wohnraum geführt. Der Inhalt des Selbst­ge­spräches sei in Bezug auf den Tatvorwurf inter­pre­ta­ti­o­ns­be­dürftig gewesen. Als Folge dieser Zuordnung zum Kernbereich dürfe das Selbstgespräch nicht zu Lasten des Angeklagten zu Beweiszwecken verwertet werden.

Das Urteil sei aufzuheben, weil die Überzeugung des Landgerichtes auch auf dem Selbstgespräch beruht habe.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 113/2005 des BGH vom 10.08.2005

der Leitsatz

Art. 13 Abs. 1 GG; StPO § 100c, § 100d

Ein in einem Krankenzimmer mittels akustischer Wohnrau­m­über­wachung aufgezeichnetes Selbstgespräch des Angeklagten ist zu dessen Lasten zu Beweiszwecken unverwertbar, soweit es dem durch Art. 13 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Kernbereich zuzurechnen ist.

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