18.10.2024
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Bundesfinanzhof Urteil02.09.2015

Außer­ge­wöhnliche Belastungen durch Krank­heits­kosten dürfen um zumutbare Belastungen gekürzt werdenVerzicht auf Ansatz der zumutbaren Belastung verfassungs­rechtlich nicht geboten

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, bei der einkommen­steuer­rechtlichen Berück­sich­tigung von Krank­heits­kosten als außer­ge­wöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommen­steuer­gesetzes (EStG) auf den Ansatz einer zumutbaren Belastung zu verzichten.

In den zugrunde liegenden Urteilsfällen hatten die Kläger Krankheitskosten als außer­ge­wöhnliche Belastungen nach § 33 EStG im Rahmen ihrer Einkom­men­steu­e­r­er­klärung geltend gemacht. Es handelte sich dabei insbesondere um Aufwendungen für Zahnreinigung, Labora­to­ri­ums­medizin, Zweibett­zim­mer­zu­schläge sowie für Arztbesuche und Zuzahlungen für Medikamente ("Praxis- und Rezeptgebühren"), die von den Kranken­ver­si­che­rungen nicht übernommen worden waren. Diese Aufwendungen seien, so die Kläger, zwangsläufig entstanden und von Verfassung wegen ohne Berück­sich­tigung einer zumutbaren Belastung abzuziehen. Denn das Bundes­ver­fas­sungs­gericht habe entschieden, dass Kranken­ver­si­che­rungs­beiträge Teil des einkom­men­steu­er­rechtlich zu verschonenden Existenz­mi­nimums seien; dies müsse jedenfalls auch für Praxis- und Rezeptgebühren gelten.

Krank­heits­kosten sind einkom­men­steu­er­rechtlich nur bei Überschreitung der zumutbaren Belastung zu berücksichtigen

Die Finanzämter ließen einen Abzug der Aufwendungen nicht zu und gingen damit von einem Ansatz der zumutbaren Belastung aus. Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Rechts­auf­fassung. Krank­heits­kosten gehören zwar grundsätzlich zu den außer­ge­wöhn­lichen Belastungen, aber auch sie sind einkom­men­steu­er­rechtlich nur zu berücksichtigen, soweit sie die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG überschreiten. Auch verfas­sungs­rechtlich ist es nicht geboten, bei Krank­heits­kosten einschließlich der Praxis- und Rezeptgebühren auf den Ansatz der zumutbaren Belastung zu verzichten. Denn zum verfas­sungs­rechtlich zu achtenden Existenzminimum, das sich grundsätzlich nach dem im Sozia­l­hil­ferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet, gehören solche Zuzahlungen nicht, weil auch Sozia­l­hil­fe­emp­fänger solche zu leisten haben.

Gesetzgeber darf Versicherte zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kosten­be­wusstseins durch Zuzahlungen beteiligen

Nach den einschlägigen sozia­l­recht­lichen Bestimmungen hatten in den Streitjahren 2008 und 2009 alle Versicherten, also auch Versicherte, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder zur Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozial­ge­setzbuch oder Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts nach dem Zweiten Buch Sozial­ge­setzbuch erhalten, Zuzahlungen, nämlich Praxisgebühren sowie die auch noch gegenwärtig erhobenen Zuzahlungen für Heilmittel, Hilfsmittel und Kranken­h­aus­be­hand­lungen, bis zur Belas­tungs­grenze in Höhe von 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zu leisten. Verfas­sungs­rechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht. Denn dem Gesetzgeber ist es - so der Bundesfinanzhof mit Hinweis auf das Bundes­ver­fas­sungs­gericht - grundsätzlich erlaubt, Versicherte zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kosten­be­wusstseins in Form von Zuzahlungen zu beteiligen, soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann. Das war in den Urteilsfällen angesichts der Einkünfte der Kläger und deren Aufwendungen in Höhe von 143 Euro und 170 Euro nicht der Fall. Daher konnte hier auch offenbleiben, ob bei Unterschreitung des Grund­frei­betrags durch Zuzahlungen von Verfassungs wegen anderes gilt.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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