Dokument-Nr. 23120
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- DB 2015, 1936Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2015, Seite: 1936
- NJW 2015, 3054Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 3054
- Finanzgericht Düsseldorf, Urteil11.02.2014, 13 K 3724/12 E
Bundesfinanzhof Urteil18.06.2015
Bundesfinanzhof fordert für steuerliche Geltendmachung von Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastung Vorliegen einer Existenzgefährdung ohne ZivilprozessErfolgsaussicht eines Prozesses für steuerliche Geltendmachung unerheblich
Ein Steuerpflichtiger kann im Rahmen seiner Einkommenssteuererklärung nur dann die Anwaltskosten wegen eines Klageverfahrens gemäß § 33 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) als außergewöhnliche Belastung geltend machen, wenn ohne den Zivilprozess der Verlust der Existenzgrundlage oder die Nichtbefriedung der lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen zu befürchten war. Unerheblich ist, ob der beabsichtigte Prozess hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden und damit seine frühere Rechtsprechung geändert (siehe: BFH, Urt. v. 12.05.2011 - VI R 42/10 -).
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Steuerpflichtige wollte erreichen, dass das Finanzamt in ihrer Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2010 Anwaltskosten in Höhe von ca. 3.460 EUR aus einem Gerichtsverfahren als außergewöhnliche Belastung anerkennt. In dem Gerichtsverfahren ging es darum, ob die Steuerpflichtige Alleinerbin ihrer verstorbenen Mutter war. Da das Finanzamt die Anwaltskosten nicht berücksichtigte, erhob die Steuerpflichtige Klage. Das Finanzgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Revision der Steuerpflichtigen.
Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung erfordert Zwangsläufigkeit der Kosten
Der Bundesfinanzhof führte zum Fall aus, dass gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes auf Antrag die Einkommenssteuer ermäßigt werden könne, wenn dem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienverhältnissen (außergewöhnliche Belastung). Der Bundesfinanzhof nahm in seiner Entscheidung vom 12.05.2011 (Az. VI R 42/10) die Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Begründet hat er dies damit, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchgesetzt oder abgewehrt werden können. Da die Parteien daher auf gerichtliche Hilfe angewiesen seien, entstünden Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig.
Änderung der Rechtsprechung zur Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten
Der Bundesfinanzhof hat diese Rechtsprechung nunmehr aufgegeben. Zwar könne sich ein Steuerpflichtiger nach einem verlorenen Prozess der Zahlungsverpflichtung aus rechtlichen Gründen nicht entziehen. Dies alleine genüge aber nicht zur Annahme einer Zwangsläufigkeit. Vielmehr sei auf die wesentliche Ursache abzustellen, die zu den jeweiligen Kosten geführt haben. Die Kosten eines Zivilprozesses seien daher grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn auch das den Prozess verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig gewesen sei. Daran fehle es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Denn der Steuerpflichtige sei nicht zur Führung eines Zivilprozesses verpflichtet. Das staatliche Gewaltmonopol ändere daran nichts. Eine Ausnahme bestehe aber dann, wenn der Steuerpflichtige ohne Durchführung des Prozesses, Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. In diesem Fall gerate der Steuerpflichtige in eine Zwangslage, in der für ihn die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen trotz unsicherer Erfolgsaussicht existentiell erforderlich sei.
Keine außergewöhnliche Belastung aufgrund Anwaltskosten
Da die Steuerpflichtige im konkreten Fall nicht darlegen konnte, dass ihre Existenzgrundlage gefährdet sei, hätte sie das Erbe nicht angetreten, entschied der Bundesfinanzhof gegen die Steuerpflichtige. Die Anwaltskosten seien nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.09.2016
Quelle: Bundesfinanzhof, ra-online (vt/rb)
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