21.11.2024
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Dokument-Nr. 11949

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Urteil12.05.2011BundesfinanzhofVI R 42/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • FamRZ 2011, 1295Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2011, Seite: 1295
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ergänzende Informationen

Bundesfinanzhof Urteil12.05.2011

Zivil­pro­zess­kosten sind als außer­ge­wöhnliche Belastungen abziehbarProzessführung darf jedoch nicht mutwillig erfolgen sondern muss hinreichende Aussichten auf Erfolg bieten

Kosten eines Zivilprozesses können unabhängig von dessen Gegenstand bei der Einkommensteuer als außer­ge­wöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Dies entschied der Bundesfinanzhof und änderte damit seine bisherige Rechtsprechung.

Nach § 33 Abs. 1 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes können bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens außer­ge­wöhnliche Belastungen abgezogen werden. Außer­ge­wöhnliche Belastungen sind dem Steuer­pflichtigen zwangsläufig entstehende größere Aufwendungen, die über die der überwiegenden Mehrzahl der Steuer­pflichtigen gleicher Einkommens- und Vermö­gens­ver­hältnisse und gleichen Familienstands entstehenden Kosten hinausgehen. Kosten eines Zivilprozesses hatte die Rechtsprechung bisher nur ausnahmsweise bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuer­pflichtigen als außer­ge­wöhnliche Belastung anerkannt.

Zivil­pro­zess­kosten als außer­ge­wöhnliche Belastungen abziehbar

Der Bundesfinanzhof hat diese enge Geset­zes­aus­legung aufgegeben und entschieden, dass Zivil­pro­zess­kosten unabhängig vom Gegenstand des Zivilprozesses als außer­ge­wöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen allerdings nur, wenn die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg sei.

Sachverhalt

Im entschiedenen Fall war die Klägerin Anfang des Jahres 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem ihr Arbeitgeber (nach sechs Wochen) seine Gehalts­zah­lungen einstellte, nahm die Klägerin ihre Kranken­ta­ge­geld­ver­si­cherung in Anspruch. Nach rund einem halben Jahr wurde bei der Klägerin zusätzlich zur Arbeitsunfähigkeit auch Berufsunfähigkeit diagnostiziert. Aufgrund dieses Befundes stellte die Kranken­ver­si­cherung die Zahlung des Kranken­ta­gegelds ein, weil nach Eintritt der Berufs­un­fä­higkeit keine Verpflichtung zur Zahlung von Krankentagegeld mehr bestehe. Daraufhin erhob die Klägerin erfolglos Klage auf Fortzahlung des Krankengeldes. Die Kosten des verlorenen Zivilprozesses in Höhe von rund 10.000 Euro machte die Klägerin in ihrer Einkom­men­steu­e­r­er­klärung geltend. Das Finanzamt berücksichtigte diese Kosten jedoch nicht und wurde darin zunächst vom Finanzgericht bestätigt, denn die Klägerin lebe in intakter Ehe und könne auf ein Famili­en­ein­kommen von ca. 65.000 Euro "zurückgreifen".

Finanzgericht muss Erfolgs­aus­sichten des Rechtstreits erneut prüfen

Der Bundesfinanzhof hat das angefochtene Urteil aufgehoben und das Verfahren an das Finanzgericht zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang sei zu prüfen, ob die Führung des Prozesses gegen die Kranken­ver­si­cherung aus damaliger Sicht hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe.

Quelle: Bundesfinanzgericht/ra-online

der Leitsatz

1. Zivil­pro­zess­kosten können Kläger wie Beklagtem unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen (Änderung der Rechtsprechung).

2. Unausweichlich sind derartige Aufwendungen jedoch nur, wenn die beabsichtigte Rechts­ver­folgung oder Rechts­ver­tei­digung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

3. Zivil­pro­zess­kosten sind jedoch nur insoweit abziehbar, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Etwaige Leistungen aus einer Rechts­schutz­ver­si­cherung sind im Rahmen der Vorteil­s­an­rechnung zu berücksichtigen.

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