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Bundesfinanzhof Urteil20.01.2016

BFH: Existenz­ge­fährdung ohne Zivilprozess Voraussetzung für steuerliche Geltendmachung der Anwaltskosten als außer­ge­wöhnliche BelastungBerück­sich­tigung der Anwaltskosten als außer­ge­wöhnliche Belastung bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs

Ein Steuer­pflichtiger kann im Rahmen seiner Ein­kommens­steuer­erklärung nur dann die Anwaltskosten wegen eines Klageverfahrens gemäß § 33 des Ein­kommens­steuer­gesetzes (EStG) als außer­ge­wöhnliche Belastung geltend machen, wenn ohne den Zivilprozess der Verlust der Existenz­grundlage oder die Nichtbefriedung der lebens­not­wendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen zu befürchten war. Zudem schließt der Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nicht zwingend die steuerliche Geltendmachung der Anwaltskosten aus. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden und damit seine frühere Rechtsprechung geändert (siehe: BFH, Urt. v. 12.05.2011 - VI R 42/10 -).

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2006 stürzte ein Mann vor seiner Wohnung, als er versuchte einen Skateboard-Fahrer zu verfolgen, der kurz zuvor die Haustür des Mannes beschädigt hatte. Durch den Sturz erlitt der Mann lebens­ge­fährliche Verletzungen. Er verklagte daher den Skateboard-Fahrer auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Nachdem seine Klage in der ersten Instanz abgewiesen wurde, schloss er im Jahr 2009 in der zweiten Instanz mit dem beklagten Skateboard-Fahrer einen gerichtlichen Vergleich. Danach sollte der Beklagte einen Betrag in Höhe von 275.000 EUR an den Kläger zahlen. Die entstandenen Anwaltskosten sollte die jeweilige Partei alleine tragen. Die durch das Gerichts­ver­fahren entstandenen Anwaltskosten in Höhe von ca. 15.886 EUR machte der Kläger in seiner Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2009 als außer­ge­wöhnliche Belastung geltend. Nachdem das Finanzamt die Anwaltskosten unberück­sichtigt ließ, erhob der Kläger Klage.

Finanzgericht gab Klage statt

Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage statt. Die Anwaltskosten für den Zivilprozess seien als außer­ge­wöhnliche Belastung zu berücksichtigen gewesen, da sich der Kläger nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe. Gegen diese Entscheidung legte das Finanzamt Revision ein.

Änderung der Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs

Der Bundesfinanzhof entschied zu Gunsten des Finanzamtes und hob daher die Entscheidung des Finanzgerichts auf. Es sei zwar zutreffend, dass nach der bisherigen Rechtsprechung Zivil­pro­zess­kosten nur dann gemäß § 33 EStG als außer­ge­wöhnliche Belastung berücksichtigt werden können, wenn die beabsichtigte Rechts­ver­folgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. An dieser Rechtsprechung sei aber nicht mehr festzuhalten (siehe: BFH, Urt. v. 18.06.2015 - VI R 17/14 -).

Existenz­ge­fährdung ohne Zivilprozess Voraussetzung für steuerliche Geltendmachung der Anwaltskosten als außer­ge­wöhnliche Belastung

Zivil­pro­zess­kosten seien nach Ansicht des Bundes­fi­nanzhofs nunmehr nur insoweit abzuziehen, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berühre. Eine Berück­sich­tigung der Anwaltskosten als außer­ge­wöhnliche Belastung setze daher voraus, dass ohne den Rechtsstreit für den Steuer­pflichtigen die Gefahr bestehen müsse, dass er seine Existenz­grundlage verliere oder seine lebens­not­wendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne.

Berück­sich­tigung der Anwaltskosten als außer­ge­wöhnliche Belastung trotz Abschlusses eines gerichtlichen Vergleichs

Nach Auffassung des Bundes­fi­nanzhofes können Zivil­pro­zess­kosten auch dann als außer­ge­wöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn die Kosten auf einen gerichtlichen Vergleich beruhen. Eine gerichtliche Kosten­ent­scheidung sei nicht zwingend erforderlich. Etwas anderes gelte aber dann, wenn die Vergleichssumme auch die Prozesskosten beinhalte. In diesem Fall werden die Kosten durch die Partei, die die Vergleichssumme zu zahlen habe, erstattet und der Steuer­pflichtige nicht wirtschaftlich belastet.

Aufhebung der Entscheidung und Neuverhandlung vor dem Finanzgericht

Da das Finanzgericht nicht geprüft habe, ob der Kläger ohne Anstrengung des Gerichts­ver­fahrens Gefahr gelaufen wäre, seine Existenz­grundlage zu verlieren oder seine lebens­not­wendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können sowie ob bei dem Vergleich die Prozesskosten mit einkalkuliert waren, hob der Bundesfinanzhof die Entscheidung des Finanzgerichts auf und wies den Rechtsstreit zur Neuverhandlung zurück.

Quelle: Bundesfinanzhof, ra-online (vt/rb)

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