Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 2006 stürzte ein Mann vor seiner Wohnung, als er versuchte einen Skateboard-Fahrer zu verfolgen, der kurz zuvor die Haustür des Mannes beschädigt hatte. Durch den Sturz erlitt der Mann lebensgefährliche Verletzungen. Er verklagte daher den Skateboard-Fahrer auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Nachdem seine Klage in der ersten Instanz abgewiesen wurde, schloss er im Jahr 2009 in der zweiten Instanz mit dem beklagten Skateboard-Fahrer einen gerichtlichen Vergleich. Danach sollte der Beklagte einen Betrag in Höhe von 275.000 EUR an den Kläger zahlen. Die entstandenen Anwaltskosten sollte die jeweilige Partei alleine tragen. Die durch das Gerichtsverfahren entstandenen Anwaltskosten in Höhe von ca. 15.886 EUR machte der Kläger in seiner Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2009 als außergewöhnliche Belastung geltend. Nachdem das Finanzamt die Anwaltskosten unberücksichtigt ließ, erhob der Kläger Klage.
Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage statt. Die Anwaltskosten für den Zivilprozess seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen gewesen, da sich der Kläger nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe. Gegen diese Entscheidung legte das Finanzamt Revision ein.
Der Bundesfinanzhof entschied zu Gunsten des Finanzamtes und hob daher die Entscheidung des Finanzgerichts auf. Es sei zwar zutreffend, dass nach der bisherigen Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur dann gemäß § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. An dieser Rechtsprechung sei aber nicht mehr festzuhalten (siehe: BFH, Urt. v. 18.06.2015 - VI R 17/14 -).
Zivilprozesskosten seien nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nunmehr nur insoweit abzuziehen, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berühre. Eine Berücksichtigung der Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastung setze daher voraus, dass ohne den Rechtsstreit für den Steuerpflichtigen die Gefahr bestehen müsse, dass er seine Existenzgrundlage verliere oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könne.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofes können Zivilprozesskosten auch dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn die Kosten auf einen gerichtlichen Vergleich beruhen. Eine gerichtliche Kostenentscheidung sei nicht zwingend erforderlich. Etwas anderes gelte aber dann, wenn die Vergleichssumme auch die Prozesskosten beinhalte. In diesem Fall werden die Kosten durch die Partei, die die Vergleichssumme zu zahlen habe, erstattet und der Steuerpflichtige nicht wirtschaftlich belastet.
Da das Finanzgericht nicht geprüft habe, ob der Kläger ohne Anstrengung des Gerichtsverfahrens Gefahr gelaufen wäre, seine Existenzgrundlage zu verlieren oder seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können sowie ob bei dem Vergleich die Prozesskosten mit einkalkuliert waren, hob der Bundesfinanzhof die Entscheidung des Finanzgerichts auf und wies den Rechtsstreit zur Neuverhandlung zurück.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.08.2016
Quelle: Bundesfinanzhof, ra-online (vt/rb)