15.11.2024
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Dokument-Nr. 13604

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Urteil15.03.2012BundesfinanzhofIII R 29/09
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2012, 2303Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 2303
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Bundesfinanzhof Urteil15.03.2012

Kinder­geldan­spruch für ein nur im Niedrig­lohn­sektor beschäftigtes behindertes Kind möglichUrsachen für Beschäftigung im Niedrig­lohn­sektor für möglichen Kinder­geldan­spruch ausschlaggebend

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass sich ein behindertes Kind nicht schon allein deshalb selbst unterhalten kann, weil es einer Erwer­b­s­tä­tigkeit nachgeht. Ein Anspruch auf Kindergeld kann daher auch bei einer Beschäftigung im Niedrig­lohn­sektor für ein behindertes Kind bestehen.

Im zugrunde liegenden Fall besuchte das seit seiner Geburt gehörlose Kind der Klägerin zunächst eine Gehör­lo­sen­schule und erlernte anschließend in einem Bildungswerk für Hör- und Sprach­ge­schädigte den Beruf der Beiköchin. Beiköche arbeiten nach Anleitung und unter Aufsicht erfahrener Köche. Sie werden üblicherweise in Großküchen von Krankenhäusern, Altenheimen und ähnlichen Einrichtungen tätig. Das Kind war nach Abschluss seiner Ausbildung zunächst als Köchin tätig. Nach einer Phase der Arbeits­lo­sigkeit fand es dann eine Anstellung als Küchenhilfe in einer Fleischerei. Trotz der jeweiligen Erwer­b­s­tä­tigkeit war es nicht in der Lage, mit den hieraus erzielten Einkünften seinen gesamten Lebensbedarf zu decken.

FG verneint Anspruch auf Kindergeld wegen Erwer­b­s­tä­tigkeit des behinderten Kindes

Die steuerliche Berück­sich­tigung eines behinderten Kindes setzt nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes voraus, dass das Kind wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das Finanzgericht entschied, dass der Klägerin danach kein Kindergeld zustehe. Da ihr Kind einer Erwer­b­s­tä­tigkeit nachgehe, sei es in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Dass der Verdienst des Kindes nicht ausreiche, um den gesamten Lebensbedarf zu decken, liege nicht an der Behinderung, sondern an den geringen Löhnen, die im Beruf der Beiköchin gezahlt würden.

Sofern Beschäftigung im Niedrigloh­sektor auf Behinderung zurückzuführen ist, kann Anspruch auf Kindergeld weiter bestehen

Der Bundesfinanzhof folgte dieser Betrach­tungsweise nicht. Seines Erachtens ist primär die Frage zu stellen, warum ein Kind, das arbeitet, von seiner Hände Arbeit dennoch nicht leben kann. Das kann auf unter­schied­lichsten Gründen beruhen. So kann das allgemeine Lohnniveau so niedrig liegen, dass auch ein nicht behinderter Mensch nicht in der Lage wäre, mit einer Vollzeit­tä­tigkeit seinen Lebensunterhalt zu decken (z.B. prekäres Arbeits­ver­hältnis). In diesem Fall könnte das Kind steuerlich nicht berücksichtigt werden, weil nicht die Behinderung, sondern die schlechte Arbeits­ma­rkt­si­tuation ursächlich dafür ist, dass das Geld zum Leben nicht reicht. Es kann aber auch so sein, dass das Kind von vornherein in Folge seiner Behinderung in der Berufswahl dermaßen eingeschränkt ist, dass ihm nur eine behin­de­rungs­spe­zi­fische Ausbildung mit späteren ungünstigen Beschäf­ti­gungs­mög­lich­keiten offensteht. Wenn man wegen seiner Behinderung überhaupt nur im Niedrig­lohn­sektor eine bezahlte Arbeit findet, dann ist die Behinderung die eigentliche Ursache für die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten. Nichts anderes gilt, so der Bundesfinanzhof weiter, wenn das Kind wegen seiner Behinderung in seiner Leistungs­fä­higkeit derart eingeschränkt ist, dass es von vornherein nur einer Teilzeit­be­schäf­tigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen kann. Welche Ursache letztendlich für die Unfähigkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten, verantwortlich ist, hat das Finanzgericht als Tatsa­chen­gericht festzustellen. Der Bundesfinanzhof hat daher die Rechtssache an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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