21.11.2024
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Bundesfinanzhof Urteil26.07.2017

Kein Kinder­geldan­spruch bei Bezug von Arbeits­lo­sengeld II und Erwer­b­s­tä­tigkeit des anderen Elternteils im EU-AuslandAusländische Behörden­entscheidungen haben Bindungswirkung

Bezieht der im Inland wohnende Elternteil nur Arbeits­lo­sengeld II, nicht aber Arbeits­lo­sengeld I, besteht im Inland kein Kinder­geldan­spruch, wenn der andere Elternteil im EU-Ausland erwerbstätig ist und dort Kindergeld erhält. Zudem kommt bei der Prüfung, ob für das Kind eine dem Kindergeld vergleichbare ausländische Leistung gewährt wird, den Entscheidungen ausländischer Behörden Bindungswirkung für die Familienkassen und die Finanzgerichte zu. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­fi­nanzhofs hervor.

Im zugrunde liegenden Streitfall wohnte die Klägerin mit ihrer minderjährigen Tochter seit Juli 2013 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie erhielt Grund­si­che­rungs­leis­tungen für erwerbsfähige Leistungs­be­rechtigte nach §§ 7 Abs. 1, 19 Abs. 1 des Sozial­ge­setzbuchs (SGB) II (Arbeits­lo­sengeld II), nicht aber anwart­schafts­be­zogene Leistungen nach §§ 118, 142, 143 SGB III (Arbeits­lo­sengeld I). Der Kindsvater wohnte in Frankreich und war dort erwerbstätig. Er erhielt eine dem Kindergeld vergleichbare höhere französische Famili­en­leistung. Die Familienkasse hob daher die Festsetzung des Kindergeldes auf.

FG gibt Klage auf Erhalt von Kindergeld in Deutschland statt

Das Finanzgericht gab der Klage statt, da zum einen der Kindsvater nach dem vom Finanzgericht überprüfbaren französischen Recht keinen Anspruch auf Kindergeld gehabt habe. Zudem würde selbst ein Kinder­geldan­spruch des Vaters nach französischem Recht den Anspruch auf deutsches Kindergeld nach Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO Nr. 883/2004), der § 65 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes vorgeht, nicht ausschließen.

BFH: Familienkasse und Finanzgericht sind nicht zur Überprüfung der Richtigkeit der positiven ausländischen Entscheidung befugt

Der Bundesfinanzhof hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Die positive Entscheidung, mit der die zuständige ausländische (hier: französische) Behörde einen Kinder­geldan­spruch nach ihrem Recht bejaht hat, ist für die Familienkasse bindend, soweit die Auslegung von Unionsrecht nicht betroffen ist. Die Familienkasse und das Finanzgericht sind daher nicht befugt, die Richtigkeit dieser positiven ausländischen Entscheidung zu überprüfen und selbst das ausländische Recht festzustellen und anzuwenden.

Arbeits­lo­sengeld II hat keine an bisherigen Verdienst anknüpfende Entgel­ter­satz­funktion

Des Weiteren entschied der Bundesfinanzhof, dass das Arbeits­lo­sengeld II als Leistung zur Sicherung des Lebens­un­terhalts für Arbeitsuchende nach dem SGB II keine Leistung bei Arbeits­lo­sigkeit im Sinne der europa­recht­lichen Bestimmung ist (Art. 11 Abs. 2, Abs. 3 Buchst. c der VO Nr. 883/2004). Das Arbeits­lo­sengeld II hat keine an einen bisherigen Verdienst anknüpfende Entgel­ter­satz­funktion. Der Empfänger von Arbeits­lo­sengeld II erhält seine Leistung nicht aufgrund oder infolge seiner vorherigen Beschäftigung. Anspruchs­vor­aus­setzung sind nur die Anforderungen des § 7 Abs. 1 SGB II (Altersgrenze, Erwer­bs­fä­higkeit, Hilfe­be­dürf­tigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland). Das Arbeits­lo­sengeld II ist daher eine beitrags­u­n­ab­hängige Geldleistung i.S. des Art. 70 der VO Nr. 883/2004.

Dies hat für den Streitfall zur Folge, dass der Anspruch des erwerbstätigen Kindsvaters nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 883/2004 vorrangig war und Deutschland als nachrangiger Staat nicht verpflichtet war, Kindergeld zu zahlen.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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