23.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 27034

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Bundesarbeitsgericht Urteil07.02.2019

In Privatwohnung abgeschlossener Aufhe­bungs­vertrag kann nicht widerrufen werdenUnwirksamkeit des Aufhe­bungs­vertrags wegen Missachtung des Gebots fairen Verhandelns beim Zustandekommen des Vertrags jedoch möglich

Eine Arbeitnehmerin kann einen Vertrag, durch den das Arbeits­ver­hältnis beendet wird (Aufhe­bungs­vertrag), auch dann nicht widerrufen, wenn er in ihrer Privatwohnung abgeschlossen wurde. Ein Aufhe­bungs­vertrag kann jedoch unwirksam sein, falls er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­arbeits­gerichts hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls war bei der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt. Sie schloss in ihrer Wohnung mit dem Lebensgefährten der Beklagten einen Aufhebungsvertrag, der die sofortige Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses ohne Zahlung einer Abfindung vorsah. Anlass und Ablauf der Vertrags­ver­hand­lungen waren umstritten. Nach Darstellung der Klägerin war sie am Tag des Vertrags­schlusses erkrankt. Sie hat den Aufhe­bungs­vertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und wider­recht­licher Drohung angefochten und hilfsweise widerrufen. Mit ihrer Klage wandte sie sich u.a. gegen die Beendigung ihres Arbeits­ver­hält­nisses durch den Aufhe­bungs­vertrag.

Widerruf eines arbeits­recht­lichen Aufhe­bungs­vertrags auf gesetzlicher Grundlage nicht möglich

Das Landes­a­r­beits­gericht Niedersachsen wies die Klage ab. Das Bundes­a­r­beits­gericht hat dieses Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landes­a­r­beits­gericht zurückverwiesen. Dieses hat rechts­feh­lerfrei erkannt, dass dem Vortrag der Klägerin kein Anfech­tungsgrund entnommen werden kann und der Widerruf eines arbeits­recht­lichen Aufhe­bungs­vertrags auf gesetzlicher Grundlage nicht möglich ist. Der Gesetzgeber hat zwar in § 312 Abs. 1 iVm. § 312 g BGB Verbrauchern bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB eingeräumt. Auch Arbeitnehmer sind Verbraucher. Im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren ist jedoch der Wille des Gesetzgebers deutlich geworden, arbeits­rechtliche Aufhe­bungs­verträge nicht in den Anwen­dungs­bereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen.

Landes­a­r­beits­gericht muss Wirksamkeit des Aufhe­bungs­vertrags im Hinblick auf Gebot fairen Verhandelns erneut beurteilen

Das Landes­a­r­beits­gericht hat jedoch nicht geprüft, ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhe­bungs­vertrags beachtet wurde. Dieses Gebot ist eine arbeits­ver­tragliche Nebenpflicht. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertrags­partners über den Abschluss eines Aufhe­bungs­vertrags erheblich erschwert. Dies könnte hier insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krank­heits­be­dingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre. Die Beklagte hätte dann Schadensersatz zu leisten. Sie müsste den Zustand herstellen, der ohne die Pflicht­ver­letzung bestünde (sogenannte Natura­l­re­sti­tution, § 249 Abs. 1 BGB). Die Klägerin wäre dann so zu stellen, als hätte sie den Aufhe­bungs­vertrag nicht geschlossen. Dies führte zum Fortbestand des Arbeits­ver­hält­nisses. Das Landes­a­r­beits­gericht wird die Wirksamkeit des Aufhe­bungs­vertrags daher erneut zu beurteilen haben.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online (pm)

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