03.12.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 27306

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Urteil25.01.2018Bundesarbeitsgericht2 AZR 382/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-Spezial 2018, 436Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 436
  • NZA 2018, 845Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2018, Seite: 845
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Vorinstanzen:
  • Arbeitsgericht Lübeck, Urteil12.05.2016, 2 Ca 124 b/16
  • Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil16.02.2017, 4 Sa 192/16
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil25.01.2018

BAG: Tarif­ver­trag­liches Recht auf Anordnung einer ärztlichen Untersuchung eines Schwer­be­hin­derten zwecks Feststellung seiner Arbeits­fä­higkeit setzt kein Präventions­verfahren vorausPräventions­verfahren und ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Arbeits­fä­higkeit stehen in keinem Rangverhältnis

Gewährt ein Tarifvertrag dem Arbeitgeber das Recht, die ärztliche Untersuchung eines Arbeitnehmers zur Feststellung seiner Arbeits­fä­higkeit anzuordnen, so setzt dies bei einem schwer­be­hin­derten Arbeitnehmer nicht voraus, dass zuvor ein Präventions­verfahren gemäß § 167 Abs. 1 SGB IX durchgeführt wird. Zwischen den beiden Verfahren besteht kein Rangverhältnis, sondern ein Nebeneinander. Dies hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Da die Arbeitsleistung eines 50-jährigen schwer­be­hin­derten Arbeitnehmers nachließ, ordnete seine Arbeitgeberin nach einem Perso­nal­ge­spräch im Februar 2015 seine ärztliche Untersuchung zwecks Feststellung seiner Arbeits­fä­higkeit an. Die Anordnung stützte sie auf eine entsprechende tarif­ver­tragliche Bestimmung. Da der Arbeitnehmer in der Folgezeit trotz zweier Abmahnungen sich nicht ärztlich untersuchen ließ, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeits­ver­hältnis fristlos. Dagegen erhob der Arbeitnehmer Kündi­gungs­schutzklage.

Arbeitsgericht wies Klage ab, Landes­a­r­beits­gericht gab ihr statt

Während das Arbeitsgericht Lübeck die Klage abwies, gab ihr das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein statt. Es hielt die Kündigung für unwirksam, da der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, sich auf seine Arbeits­fä­higkeit untersuchen zu lassen. Zwar möge ein dauerhaftes deutliches Unterschreiten der Arbeitsleistung eine ärztliche Untersuchung begründen können. Jedoch müsse bei schwer­be­hin­derten Arbeitnehmern zunächst ein Präventionsverfahren gemäß § 167 Abs. 1 SGB IX durchgeführt werden. In dem Verfahren seien alle Möglichkeiten zur Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses zu untersuchen. Erst wenn danach noch Zweifel an der Arbeits­fä­higkeit bestehen, könne eine ärztliche Untersuchung verlangt werden. Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Revision ein.

Bundes­a­r­beits­gericht verneint Notwendigkeit eines Präven­ti­o­ns­ver­fahrens

Das Bundes­a­r­beits­gericht entschied zu Gunsten der Beklagten und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Vor Anordnung der ärztlichen Untersuchung zwecks Feststellung der Arbeits­fä­higkeit auf Grundlage der tarif­ver­trag­lichen Bestimmung müsse bei einem schwer­be­hin­derten Arbeitnehmer kein Präven­ti­o­ns­ver­fahren gemäß § 167 Abs. 1 SGB IX durchgeführt werden. Die beiden Verfahren stehen nicht in einem Rangverhältnis, sondern ergänzen einander. Insbesondere könne die Arbeits­fä­higkeit eines schwer­be­hin­derten Arbeitnehmers nicht durch die Einschaltung der in § 167 Abs. 1 SGB IX genannten Institutionen geklärt werden.

Präven­ti­o­ns­ver­fahren vor Ausspruch der fristlosen Kündigung

Das Bundes­a­r­beits­gericht verwies den Fall zur Neuverhandlung an das Landes­a­r­beits­gericht zurück. Dabei gab es zu bedenken, dass selbst bei Feststellung der fehlenden Arbeits­fä­higkeit des Klägers nach einer ärztlichen Untersuchung, die Beklagte nicht von ihren Pflichten aus § 167 Abs. 1 SGB IX befreit gewesen wäre. Es sei daher unter anderem zu prüfen, ob die fristlose Kündigung wegen der fehlenden Durchführung des Präven­ti­o­ns­ver­fahrens unver­hält­nismäßig war.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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