18.10.2024
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Dokument-Nr. 25688

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Bundesarbeitsgericht Beschluss21.03.2018

Allgemein­verbindlich­erklärungen von Tarifverträgen im Baugewerbe wirksamBAG bejaht öffentliches Interesse an Allgemein­verbindlich­erklärungen

Das Bundes­arbeits­gericht hat entschieden, dass die Allgemein­verbindlich­erklärungen vom 6. Juli 2015 des Tarifvertrags über das Sozial­kassen­verfahren im Baugewerbe (VTV), des Bundes­rahmen­tarif­vertrags für das Baugewerbe (BRTV), des Tarifvertrags über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) und des Tarifvertrags über eine zusätzliche Alters­ver­sorgung im Baugewerbe (TZA Bau) sind rechtswirksam sind. Die nach § 5 TVG geforderten Voraussetzungen waren erfüllt; insbesondere bestand ein öffentliches Interesse an den Allgemein­verbindlich­erklärungen.

Das Bundes­mi­nis­terium für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte auf Antrag der Tarif­ver­trags­parteien des Baugewerbes am 6. Juli 2015 nach § 5 TVG den Tarifvertrag über das Sozia­l­kas­sen­ver­fahren im Baugewerbe (VTV) vom 3. Mai 2013 in der Fassung vom 10. Dezember 2014, den Bundes­rah­men­ta­rif­vertrag für das Baugewerbe (BRTV) vom 4. Juli 2002 in der Fassung vom 10. Dezember 2014, den Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV) vom 10. Dezember 2014 und den Tarifvertrag über eine zusätzliche Alters­ver­sorgung im Baugewerbe (TZA Bau) vom 5. Juni 2014 in der Fassung vom 10. Dezember 2014 mit bereits im Antrag enthaltenen Einschränkungen bezüglich des betrieblichen Geltungs­be­reichs ("Große Einschrän­kungs­klausel") für allge­mein­ver­bindlich erklärt (AVE VTV 2015, AVE BRTV 2015, AVE BBTV 2015 und AVE TZA Bau 2015).

Hintergrund

Die für allge­mein­ver­bindlich erklärten Tarifverträge regeln das Sozia­l­kas­sen­ver­fahren im Baugewerbe (VTV), die Berufsbildung im Baugewerbe (BBTV), die zusätzliche Altersrente im Baugewerbe (TZA Bau) und die Rahmen­be­din­gungen der Beschäftigung im Baugewerbe (BRTV). Bei den Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-BAU) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen der Tarif­ver­trags­parteien des Baugewerbes (Indus­trie­ge­werk­schaft Bauen-Agrar-Umwelt - IG BAU -, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. - HDB - und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V. - ZDB -). Die Urlaubs- und Lohnaus­gleichskasse erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufs­bil­dungs­ver­fahren, die Zusatz­ver­sor­gungskasse des Baugewerbes zusätzliche Alters­ver­sor­gungs­leis­tungen. Zur Finanzierung dieser Leistungen werden nach Maßgabe des VTV Beiträge von den Arbeitgebern erhoben. Durch die AVE gelten die Tarifverträge nicht nur für die tarifgebundenen Mitglieder der Tarif­ver­trags­parteien, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber der Branche. Sie sind verpflichtet, die tariflichen Arbeits­be­din­gungen einzuhalten und Beiträge an die Sozialkassen zu leisten. Sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer erhalten Leistungen von den Sozialkassen.

Antragsteller halten Tarifverträge für unwirksam

Bei den Antragstellern des zugrunde liegenden Verfahrens handelt es sich um Arbeitgeber, die nicht Mitglied einer tarif­ver­trags­schlie­ßenden Arbeit­ge­ber­ver­ei­nigung sind und deshalb nur auf Grundlage der Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rungen zu Beitrags­zah­lungen herangezogen wurden. Sie haben die Auffassung vertreten, dass § 5 TVG in der seit dem 16. August 2014 geltenden Fassung verfas­sungs­widrig sei. Die Tarifverträge seien mangels Tariffähigkeit und/oder Tarif­zu­stän­digkeit der Tarif­ver­trags­parteien des Baugewerbes unwirksam. Im Übrigen hätten die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rungen nicht vorgelegen; insbesondere habe kein öffentliches Interesse an den Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rungen bestanden.

Das Landes­a­r­beits­gericht Berlin-Brandenburg hatte die Anträge zurückgewiesen und festgestellt, dass die angegriffenen Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rungen wirksam sind.

BAG verneint Zweifel an Tariffähigkeit oder Tarif­zu­stän­digkeit der Tarif­ver­trags­parteien des Baugewerbes

Die vom Landes­a­r­beits­gericht zugelassenen Rechts­be­schwerden hatten vor dem Bundes­a­r­beits­gericht keinen Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts sind die angegriffenen Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rungen vom 6. Juli 2015 des VTV, des BRTV, des BBTV (soweit über diese eine Entscheidung erging) und des TZA Bau wirksam. Die nach § 5 TVG geforderten Voraussetzungen seien erfüllt gewesen; insbesondere habe ein öffentliches Interesse an den Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rungen bestanden. Verfas­sungs­rechtliche Bedenken gegen § 5 TVG neuer Fassung habe das Bundes­a­r­beits­gericht nicht. Dies gelte auch hinsichtlich der Bestimmung über die Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klärung von Tarifverträgen über gemeinsame Einrichtungen der Tarif­ver­trags­parteien (§ 5 Abs. 1a TVG). Vernünftige Zweifel an der Tariffähigkeit oder der Tarif­zu­stän­digkeit der Tarif­ver­trags­parteien des Baugewerbes hätten nicht bestanden. Das BMAS habe annehmen dürfen, dass der Erlass der angegriffenen Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klä­rungen im öffentlichen Interesse geboten erschien.

§ 5 TVG in der seit dem 16. August 2014 geltenden Fassung lautet auszugsweise:

Erläuterungen
(1) 1 Das Bundes­mi­nis­terium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzen­or­ga­ni­sa­tionen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag der Tarif­ver­trags­parteien für allge­mein­ver­bindlich erklären, wenn die Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. 2 Die Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klärung erscheint in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, wenn

1. der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeits­be­din­gungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder

2. die Absicherung der Wirksamkeit der tarif­ver­trag­lichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaft­licher Fehlentwicklung eine Allge­mein­ver­bind­li­ch­er­klärung verlangt.

(1a) 1 Das Bundes­mi­nis­terium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag über eine gemeinsame Einrichtung zur Sicherung ihrer Funkti­o­ns­fä­higkeit im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss auf gemeinsamen Antrag der Tarif­ver­trags­parteien für allge­mein­ver­bindlich erklären, wenn der Tarifvertrag die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch eine gemeinsame Einrichtung mit folgenden Gegenständen regelt:

1. den Erholungsurlaub, ein Urlaubsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld,

2. eine betriebliche Alters­ver­sorgung im Sinne des Betrie­bs­ren­ten­ge­setzes,

3. die Vergütung der Auszubildenden oder die Ausbildung in überbe­trieb­lichen Bildungsstätten,

4. eine zusätzliche betriebliche oder überbe­triebliche Vermö­gens­bildung der Arbeitnehmer,

5. Lohnausgleich bei Arbeits­zeit­ausfall, Arbeits­zeit­ver­kürzung oder Arbeits­zeit­ver­län­gerung.

2 Der Tarifvertrag kann alle mit dem Beitragseinzug und der Leistungs­ge­währung in Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten einschließlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Ansprüche der Arbeitnehmer und Pflichten der Arbeitgeber regeln. 3§ 7 Absatz 2 des Arbeitnehmer-Entsen­de­ge­setzes findet entsprechende Anwendung.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ ra-online

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