21.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 14020

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Arbeitsgericht Dessau-Roßlau Urteil21.03.2012

Fristlose Kündigung nach Arbeit­ge­ber­be­lei­digung durch Anklicken des "Gefällt-mir-Buttons" auf Facebook unwirksamArbeitgeber lediglich zur Abmahnung berechtigt

Eine fristlose Kündigung eines seit 25 Jahren bestehenden Arbeits­ver­hält­nisses aufgrund einer Arbeit­ge­ber­be­lei­digung durch das Anklicken des "Gefällt-mir-Buttons" auf Facebook ist unwirksam. Der Arbeitgeber ist lediglich zu einer Abmahnung berechtigt. Dies hat das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall "postete" der Ehemann der Arbeitnehmerin auf dem sozialen Netzwerk "Facebook" den Arbeitgeber beleidigende Eintragungen. Die Facebook-Seite des Ehemanns der Arbeitnehmerin war für zahlreiche Mitarbeiter und Kunden des Arbeitgebers einsehbar. Unter einen der Eintragungen befand sich mit dem Kommentar "gefällt mir" der Name der Arbeitnehmerin. Der Arbeitgeber erlangte Kenntnis davon und forderte die Arbeitnehmerin dazu auf Stellung zu nehmen. Kurz darauf wurden die Eintragungen gelöscht und die Arbeitnehmerin gab eine Stellungnahme ab. Im Folgenden kam es zur fristlosen Kündigung. Die Arbeitnehmerin erklärte, nicht sie habe den Button gedrückt, sondern ihr Ehemann. Der Arbeitgeber meinte, dass sich die Arbeitnehmerin nicht eindeutig von den Äußerungen ihres Ehemannes distanzierte, so dass sich der Verdacht erhärte, sie sei über die Aktivitäten ihres Ehemannes informiert und habe diese befürwortet. Auch habe sie die Äußerungen des Ehemannes nicht bedauert, sondern bagatellisiert und damit gebilligt.

Keine fristlose Kündigung aufgrund der geposteten Erklärungen des Ehemannes

Nach § 626 BGB kann das Arbeits­ver­hältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung des Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienst­ver­hält­nisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienst­ver­hält­nisses nicht zugemutet werden kann. Der Kündigungsgrund kann zum Beispiel im persönlichen Vertrau­ens­bereich liegen. Dazu gehört die Pflicht des Arbeitnehmers auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen und seine schutzwürdigen Interessen zu wahren. Auch bei Verstößen gegen die Pflicht zu loyalen Verhalten ist jedoch grundsätzlich vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich.

Nach Ansicht des Arbeits­ge­richtes sind die Eintragungen des Ehemannes nicht geeignet die Kündigung zu rechtfertigen. Die Arbeitnehmerin trägt grundsätzlich keine Verantwortung für von ihrem Ehemann abgegebene Stellungnahmen. Sie trifft allenfalls die Pflicht auf ihren Ehemann dahingehend einzuwirken, Arbeit­ge­ber­schä­di­genden Äußerungen zu unterlassen. Eine solche Pflicht­ver­letzung lag hier jedoch nicht vor, da die Eintragungen nach Bekannt werden der Vorwürfe gelöscht wurden und zu vermuten ist, dass dies auf Veranlassung der Arbeitnehmerin geschah.

Keine fristlose Kündigung aufgrund des Betätigens des "Gefällt-mir-Buttons"

Nach Ansicht des Arbeits­ge­richtes rechtfertigt der Ausspruch der Kündigung auch nicht, dass die Arbeitnehmerin den Button möglicherweise selbst gedrückt habe. Bloße auf Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG, Urt. v. 10.02.2005 - 2 AZR 189/04). Die Verdächtigung die Arbeitnehmerin habe den Button gedrückt wurde dadurch entkräftet, dass auch der Ehemann Zugang zur Facebook-Seite der Arbeitnehmerin hatte und somit den Button gesetzt habe könnte. Weiterhin lässt sich die Verdächtigung sie sei über die Aktivitäten ihres Ehemannes informiert und befürworte diese nicht dadurch ableiten, dass sie sich in ihrer Stellungnahme nicht eindeutig von den Äußerungen ihres Ehemannes distanziert habe. Das distanzierte Verhalten diente dem Schutz ihres Ehemannes vor einer angekündigten Strafverfolgung und ist ihr insoweit nicht vorzuwerfen.

Aber auch wenn die Arbeitnehmerin den Button selbst gedrückt hätte, wäre diese Loyali­täts­pflicht­ver­letzung laut dem Arbeitsgericht nicht geeignet, die Kündigung des seit 25 Jahren unbeanstandet bestehenden Arbeits­ver­hält­nisses zu rechtfertigen. Der Verstoß der Arbeitnehmerin würde dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeits­ver­hält­nisses nicht unzumutbar machen. Es wäre insoweit eine negative Prognose erforderlich, die dann zu bejahen wäre, wenn aus der konkreten Vertrags­pflicht­ver­letzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung eine Wieder­ho­lungs­gefahr geschlossen werden könnte (BAG, Urt. v. 13.12.2007 - 2 AZR 818/06). Dafür bestehen aber hier keine Anhaltspunkte. Die Arbeitnehmerin hat sowohl Sorge dafür getragen, dass die Einträge gelöscht wurden und versicherte es zukünftig zu unterlassen solche Eintragungen vorzunehmen. Allenfalls wäre eine Abmahnung gerechtfertigt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass selbst wenn die Arbeitnehmerin den Button selber gedrückt hätte, die Betätigung dieses Buttons bei Facebook-Nutzern in der Regel eine spontane Reaktion ohne nähere Überlegung darstellt und in ihrem Bedeu­tungs­gehalt nicht zu hoch eingeschätzt werden sollte.

Quelle: ra-online, Arbeitsgericht Dessau-Roßlau (vt/rb)

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