21.11.2024
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Arbeitsgericht Frankfurt am Main Urteil11.09.2013

Libor/Euribor Skandal: Kündigungs­schutz­klagen von Mitarbeitern der Deutsche Bank AG erfolgreichArbeitsgericht Frankfurt am Main erklärt Kündigungen für unver­hält­nismäßig und unwirksam

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hatte über vier Kündigungs­schutz­klagen von Mitarbeitern der Deutsche Bank AG zu entscheiden und gab den Klagen gegen die Kündigungen in allen Fällen statt. Die Deutsche Bank AG hatte die Kündigungen im Februar 2013 im Zusammenhang mit dem so genannten Libor/Euribor Skandal ausgesprochen. Das Arbeitsgericht erklärte die außer­or­dent­lichen Kündigungen ebenso für unwirksam wie die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen und verurteilte die Deutsche Bank AG zur Weiter­be­schäf­tigung der Mitarbeiter und zur Nachzahlung der Gehälter.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die gekündigten Mitarbeiter sind bei der Deutsche Bank AG als Managing Director, Director bzw. Vice President in dem Bereich Global Markets eingesetzt. Ihre Aufgabe war es unter anderem, bei der Deutsche Bank AG die Euribor/Libor Referenz­zinssätze zu ermitteln und an die für die Feststellung des jeweiligen Referenz­zins­satzes zuständige Berech­nungs­stelle zu übermitteln. Die Deutsche Bank AG stützt die Kündigungen auf den Vorwurf eines unzulässigen Kommu­ni­ka­ti­o­ns­ver­haltens der klagenden Arbeitnehmer gegenüber den Deriva­te­händlern der Deutsche Bank AG. Dabei hätten sie zumindest den Anschein erweckt, bereit zu sein, derivative Handel­s­po­si­tionen von Händlern der Deutsche Bank AG bei der Festlegung des Euribor/Libor Zinssatzes zu berücksichtigen. Aus Sicht des Kreditinstituts begründet dies den Verdacht, die gekündigten Mitarbeiter hätten ihre Position ausgenutzt, um durch die Teilnahme am Prozess zur Ermittlung der Referenz­zinssätze einen Profit der Händler zu ermöglichen.

Keine Kontrollen zur strikten Trennung zwischen Ermittlern/Übermittlern des Referenz­zins­satzes und Deriva­te­händlern durch Deutscher Bank erfolgt

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hält die Kündigungen für unver­hält­nismäßig und daher unwirksam. Zwar kann grundsätzlich eine unzulässige Absprache zwischen Ermittlern/Übermittlern der Euribor/Libor Referenz­zinssätze und Händlern einen wichtigen Kündigungsgrund für den Ausspruch einer außer­or­dent­lichen Kündigung darstellen. Auch bestehen aus Sicht des Gerichts Anhaltspunkte dafür, dass die klagenden Arbeitnehmer in unzulässiger Weise mit Händlern kommuniziert und vorgegeben haben, deren Präferenzen bei der Ermittlung des Euribor/Libor Referenz­zins­satzes zu berücksichtigen. Es kann dabei offen bleiben, ob die Deutsche Bank AG - wie von den klagenden Arbeitnehmern behauptet - derartige Kommunikationen kannte, duldete oder gar förderte. Denn jedenfalls sind die Kündigungen unter Berück­sich­tigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile rechtsunwirksam. Für entscheidend hält das Gericht, dass bei der Deutsche Bank AG zu der Zeit, in der die streit­ge­gen­ständ­lichen Kommunikationen stattfanden, weder klare Regularien implementiert waren, noch Kontrollen erfolgten, um eine strikte Trennung zwischen den Ermittlern/Übermittlern des Referenz­zins­satzes und den Deriva­te­händlern zu gewährleisten.

Kündigung hätte vorheriger Abmahnung bedurft

Das Gericht geht in seiner Urteils­be­gründung davon aus, dass die Deutsche Bank AG selbst durch ihre interne Organisation und insbesondere durch eine zum Teil gegebene Perso­ne­n­i­dentität von Deriva­te­händlern und Ermittlern/Übermittlern des Referenz­zin­satzes einen erheblichen Inter­es­sen­konflikt herbeigeführt hat. Wenn die Deutsche Bank AG als Arbeitgeberin einerseits die Produkt­ver­ant­wortung für Derivate und die Ermittlung/Übermittlung der Referenz­zins­satz­mel­dungen zum Teil in einer Person vereint, kann sie nicht andererseits den gekündigten Mitarbeitern als Ermittlern/Übermittlern der Referenz­zinssätze die Kommunikation mit den Deriva­te­händlern vorwerfen. Vor diesem Hintergrund hätte es nach Ansicht des Gerichts vor Ausspruch der Kündigungen zumindest einer vorherigen Abmahnung bedurft, da durch die interne Organisation der Bank für die klagenden Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass eine Hinnahme der Kommunikation durch die Deutsche Bank AG offensichtlich ausgeschlossen war.

Quelle: Arbeitsgericht Frankfurt am Main/ra-online

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