23.11.2024
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Amtsgericht München Urteil28.10.2021

Verwendung eines Attests auf Befreiung vom Mund-Nase-Schutz: Straffreiheit, wenn der Vorsatz bei Verwendung eines angeblich ärztlichen Attestes fehltVorsatz nicht nachweisbar

Das Amtsgericht München sprach einen 23jährigen Handwerker aus München-Sendling vom Vorwurf des vorsätzlichen Gebrauchs unrichtiger Gesundheits­zeugnisse frei.

Dem Angeklagten war zur Last gelegen, am 23.11.2020 gegen 9 Uhr am Ostbahnhof München ohne den vorge­schriebenen Mund-Nase-Schutz angetroffen worden zu sein. Auf Nachfrage händigte er den kontrol­lie­renden Polizeibeamten ein auf ihn ausgestelltes Attest aus, das ihn vom Tragen einer Maske aus medizinischen Gründen befreit. Er hatte dieses Attest zuvor bei einer Praxis mit Mail vom 16.11.2020 zum Preis von 17 Euro erworben, ohne jemals persönlich in der Praxis gewesen und dort untersucht worden zu sein und ohne dass eine Befreiung vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus in seiner Person liegenden medizinischen Gründen erforderlich gewesen sein soll.

23-Jähriger fordert Attest per E-Mail bei Arztpraxis an

Der Angeklagte räumte an, bei der Kontrolle nach Vorzeigen des Attestes auf Aufforderung der Polizisten einen Mund-Nase-Schutz angelegt zu haben. Er habe den ihm von Bekannten empfohlenen Arzt per Mail kontaktiert und habe dann das Attest per Post erhalten "Vor Ort war ich nicht. Zu dem Zeitpunkt war die pandemische Lage so schlimm. Es wurde gesagt, dass man per Telefon Atteste anfragen kann. Nachdem ich das per E-Mail vom Arzt bekam, habe ich telefonisch nochmal die Praxis kontaktiert. Ich habe mir versichern lassen, dass das in Ordnung ist. Ich habe mit der Assistentin gesprochen, welche das ausgestellt hat. Ich bin kein Arzt. Ich habe der Praxis vertraut. Ich habe Beschwerden, die ich habe, an die Praxis geschrieben. Ich habe gefragt, telefonisch. Ich habe allergene Atemnot, Panik und Übelkeit."

Arztpraxis stellt 4.700 Atteste ohne Untersuchung aus

Während laut der beiden kontrol­lie­renden Polizeibeamten der Angeklagte vor Ort nach Belehrung eingeräumt haben soll, auf das Attest mit ersichtlich ausgedrucktem Stempel der für massenhafte Ausstellung bekannten Praxis die handschrift­lichen Ergänzungen selbst eingetragen zu haben, erklärte der Polizeibeamte, der die Ermittlungen gegen die ausstellende Praxis führt: "Ich bearbeite das Verfahren von Herrn (N.N.). Herr (N.N.) hat zusammen mit seinen Assistentinnen 4.700 Atteste ausgestellt, per Post verschickten. Die meisten Atteste wurden via E-Mail beantragt bei der Assistentin. In den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass es zu keiner Begutachtung kam. Das Attest des Angeklagten wurde von Frau (N.N.) ausgestellt. Bereits auf der Startseite des Herrn (N.N.) war ein E-Mail-Verweis zur Maske­nat­test­be­an­tragung. Frau (N.N.) hat wahrscheinlich die Daten eingetragen und in Assistenz geschrieben. In vielen Fällen gibt es den Nachweis, dass der Arzt einfach Atteste ausgab. Über viele wusste Dr. (N.N.) wohl nichts. Ich denke, wenn ich mir ein Attest per E-Mail bestellte bei einer "Ulli Zauberhaft", ohne Untersuchung und Kontakt zum Arzt, mir bewusste sein muss, dass es kein sicheres Attest sein muss. Es gab auch Personen, die bei ihm vor Ort waren, Atteste bekamen. Sie brauchen halt den Arztstempel und die Unterschrift. Nein, ich denke, sie könnten sich das wahrscheinlich nicht so ausdrucken."

AG: Kein Vorsatz hinsichtlich des Gebrauchs unrichtiger Gesund­heits­zeugnisse

Der Strafrichter begründete sein Urteil u.a. so: Mit der für eine Verteilung notwendigen Sicherheit war ihm die Tatbegehung nicht nachzuweisen. Der Angeklagte ließ sich dahingehend ein, dass Bekannte ihm den Arzt empfohlen hätten. Er habe dann eine E-Mail an die Praxis geschrieben und durch die Praxis habe er das Attest zugesandt bekommen. Während der damaligen Pandemielage sei es zulässig und üblich gewesen, sich Atteste telefonisch ausstellen zu lassen. Dem gegenüber sagten die beiden Polizeibeamten aus, der Angeklagte habe vor Ort am Ostbahnhof angegeben, dass er die Daten und die Diagnose selbst per Hand in das Attest eingetragen habe. Diese Aussage der Polizeibeamten kann das Gericht jedoch aufgrund der Aussage des weiteren vernommenen Polizeibeamten Krimi­na­l­kom­missar keinen Glauben schenken. Von diesem wurde das Attest in Augenschein genommen. Er gab an, dass das Verfahren gegen den (N.N.) bearbeite und deshalb sehr viele dieser Atteste gesehen habe. Für ihn scheine es so, dass die handschrift­lichen Eintragungen auf dem Attest von einer Mitarbeiterin der Praxis, einer Frau (N.N.) stammen. Weiter legte der Zeuge Emailverkehr zwischen dem Angeklagten und der Praxis vor. Daraus ergibt sich, dass der Angeklagte tatsächlich per Email ein Attest zur Maskenbefreiung anforderte und dabei angab, dass er unter Hautir­ri­ta­tionen, gelegentlicher Atemnot und Kopfschmerzen leide. Diese Angaben wurden jedoch nicht wortgleich als Diagnose in das Attest übernommen. Somit musste der Angeklagte nicht davon ausgehen, dass das Attest ausgestellt wurde, ohne dass sich ein Arzt mit den Krank­heits­sym­ptomen befasst war. Insofern war dem Angeklagten zumindest kein Vorsatz nachzuweisen, dass es sich hier um ein unrichtiges Gesundheitszeugnis handelte."

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/ab)

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