21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil30.08.2016

Verschlech­terung einer chronischen Erkrankung kann "unerwartete Erkrankung" im Sinn der Versicherungs­bedingungen darstellen"Unerwartete" Erkrankung bedeutet nicht zwingend völlig neu entstandene Erkrankung nach Reisebuchung und Versicherungs­abschluss

Das Amtsgericht München hat entschieden, dass eine Klausel in den Allgemeinen Reise­be­din­gungen, wonach keine Leistungs­pflicht für bei der Reisebuchung bestehende Krankheiten und deren Folgen festgeschrieben wird, den Versicherten unangemessen benachteiligt und unwirksam ist.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls besaß eine Kreditkarte, über die er reise­reis­rück­tritt­ver­sichert ist. Gemäß Ziff. 3. 4. 2 a der Versi­che­rungs­be­din­gungen sind unter anderem versicherte Reise­rück­tritt­gründe Tod, schwerer Unfall oder unerwartet schwere Erkrankung der versicherten Person. Gemäß Ziff. 3. 5. 3 der Versi­che­rungs­be­din­gungen besteht keine Leistungs­pflicht für bei Reisebuchung bestehende Krankheiten und deren Folgen.

Der 77-jährige Kläger buchte für sich und seine Ehefrau am im November 2014 eine Reise in der Zeit vom 9. bis 23. Februar 2015 nach Teneriffa zum Preis von 2.196 Euro.

Reise­rück­tritts­ver­si­cherung verweigert Erstattung der Gebühren für Reise­stor­nierung

Seit dem Jahr 2006 leidet der Kläger an einer nicht akuten kompensierten Nieren­in­suf­fizienz. Diese war jahrelang unauffällig und ohne Beschwer­de­er­schei­nungen, so dass der Kläger zahlreiche Reisen ohne Probleme durchführen konnte. Im Dezember 2014 litt er an einer Angina und musste sich im Krankenhaus behandeln lassen. Am 2. Januar 15 musste er wegen Bluthochdrucks behandelt werden. Dabei wurde festgestellt, dass der Kreatininwert gestiegen war, und es wurde ihm abgeraten, die gebuchte Reise anzutreten. Aufgrund dessen stornierte er die Reise. Vorm Reise­un­ter­nehmen wurde eine Stornogebühr in Höhe von 923 Euro erhoben. Als der Kläger diese Kosten bei seiner Reise­rück­tritts­ver­si­cherung geltend machte, verweigerte diese die Leistung. Sie vertrat die Ansicht, dass das Risiko der Vorerkrankung in den Versi­che­rungs­be­din­gungen ausgeschlossen sei und nur neue auftretende Erkrankungen Versi­che­rungs­schutz genießen.

Kredit­kar­ten­un­ter­nehmen muss im Zuge der Reise­rück­tritts­ver­si­cherung Stornokosten übernehmen

Das Amtsgericht München gab dem Mann auf die daraufhin erhobene Klage Recht und verurteilte das Kredit­kar­ten­un­ter­nehmen aufgrund der Reise­rück­tritt­ver­si­cherung zur Zahlung der Stornokosten abzüglich eines Selbstbehalts in Höhe von 100 Euro, wie in den allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen vorgeschrieben, also zur Zahlung von 823 Euro.

Versi­che­rungs­be­din­gungen wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam

Das Gericht stellte fest, dass die Bestimmung Ziff. 3.5.3. der Versi­che­rungs­be­din­gungen unwirksam ist, da die Regelung die Versicherten unangemessen benachteilige. Danach bestehe zwar keine Leistungs­pflicht für bei der Reisebuchung bestehende Krankheiten und deren Folgen. Die Klausel differenziere zum einen nicht zwischen der versicherten Person bekannten und unbekannten Vorerkrankungen, so dass auch der versicherten Person unbekannte Vorerkrankungen bei Reisebuchung vom Versi­che­rungs­schutz ausgeschlossen seien, so das Gericht. Zum anderen würde Ziffer 3.4.2. der Versi­che­rungs­be­din­gungen, wonach Versi­che­rungs­schutz bei Auftreten einer unerwartet schweren Erkrankung bestehe, unterlaufen. Mit der Beschränkung auf unerwartete Erkrankungen würden zum Teil Vorerkrankungen des Versicherten ausgeschlossen, so das Gericht.

Auch verschlech­terung der Krankheit kann "unerwartete" Krankheit darstellen

"Unerwartet" im Sinn der Vorschrift bedeute nicht, dass die Erkrankung nach Reisebuchung und Versi­che­rungs­ab­schluss völlig neu entstehen muss. Der Verlauf der chronischen Nieren­in­suf­fizienz beim Kläger war jahrelang stabil. Bei der Verschlech­terung Anfang des Jahres 2015 handele es sich nicht um eine zwingende Zustands­ver­schlech­terung, sondern sie sei durch ein zufälliges Akutereignis ausgelöst worden und stelle, nach Meinung des Gerichts, damit eine unerwartete Erkrankung im Sinn der Versi­che­rungs­be­din­gungen dar.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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