21.11.2024
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Dokument-Nr. 32814

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Amtsgericht München Urteil23.01.2023

Streit um Corona-Hochzeit auf SyltPreisminderung für Hochzeitsfeier wegen geforderter Covid-Testung

Das Amtsgericht München hatte über die Höhe einer Rechnung einer Hochzeitsfeier eines Münchener Ehepaares auf Sylt zu entscheiden. Dabei stellte das Amtsgericht München fest, dass die auf der Hochzeitsfeier von der Klägerin verlangte Covid-Testung aller Hochzeitsgäste infolge eines positiven Corona-Tests des Brautvaters zu einem zur Minderung berechtigenden Mangel führt. Die Klägerin könne daher von den Beklagten nur 85 % des dem Grunde nach gerecht­fer­tigten Zahlbetrags von 20.185 Euro verlangen.

Die Beklagten, das Ehepaar aus München, buchten die von der Klägerin geführte Gaststätte auf Sylt für ihre Ende Juni 2022 stattfindende Hochzeitsfeier. Am Tag der Hochzeit zeigte der Vater der Braut Erkäl­tungs­symptome und testete sich positiv auf Covid. Da allen Beteiligten die Wichtigkeit der Teilnahme des Brautvaters klar war, suchte man zusammen mit den Geschäfts­führern der Klägerin nach gemeinsamen Lösungen. Der Vater der Braut konnte schließlich insoweit an der Feier teilnehmen, dass er sich im Außenbereich des Restaurants, der an den eigentlichen Feierraum angrenzte und über Fenster einsehbar war, aufhalten durfte. Aufgrund des positiven Corona-Tests des Brautvaters forderten die Geschäftsführer von dem Hochzeitspaar jedoch, dass sich vor Einlass in den Innenbereich des Restaurants auch alle übrigen 76 Gäste ebenfalls auf Covid testen müssten. Um die Feier hieran nicht scheitern zu lassen, akzeptierten die Beklagten die Forderung. Sämtliche Gäste wurden anschließend mit von der Klägerin zur Verfügung gestellten Testkits auf Covid getestet. Da hierbei auch der Corona-Schnelltest des Vaters des Bräutigams positiv ausfiel, musste sich dieser ebenfalls zum Vater der Braut in den Außenbereich begeben.

Streit um Rechnung für Hochzeitsfeier

Durch die Testung aller Gäste verzögerte sich der Beginn des Abendessens von 19.30 Uhr auf mindestens 21.30 Uhr. Die Feier fand damit erheblich länger als geplant im Außenbereich des Restaurants statt, ohne Sitzge­le­gen­heiten und ohne Abendessen. Die Testung aller Gäste führte zu deutlichen Spannungen, weil diese als nicht veranlasst und aufgenötigt wahrgenommen wurden. Zwei der Gäste waren erst durch Intervention der Brautfamilie dazu zu bewegen, überhaupt einen Schnelltest durchführen zu lassen. Die entstandenen Spannungen setzten sich in einer Ausein­an­der­setzung über die Bezahlung fort: Während die Beklagten insbesondere auf Grund der unberechtigten Covid-Testung einen Abzug von 20 % auf den Rechnungsbetrag vornahmen, verlangte die Klägerin vollständige Zahlung.

Brautpaar sieht arglistige Gewinn­stei­gerung durch Champa­gner­verkauf

Die Klägerin begründete die Forderung einer allgemeinen Testung damit, dass es sich sonst um einen Super-Spreader-Event gehandelt hätte. Sie hätte nur die Option gehabt, die Veranstaltung von ihrer Seite aus abzusagen oder das Risiko durch Coronatests zu minimieren. Die Beklagten trugen insbesondere vor, das Verlangen einer Testung aller Gäste sei vertragswidrig und willkürlich gewesen. Zudem habe sich dadurch der Stehempfang verlängert, was die Klägerin genutzt habe, um den Gästen ausschließlich Champagner anzubieten. Selbst halb volle Champagner-Gläser seien aufgefüllt worden. Dies sei arglistig erfolgt, um den Umsatz des Abends über das kosten­träch­tigste Getränk gewinnträchtig zu steigern.

AG verneint gesetzliche sowie vertragliche Verpflichtung zur Testung

Das Gericht gab der Klage letztlich nur teilweise statt und verurteilte die Beklagten zur Zahlung eines ausstehenden Teilbetrages in Höhe von 810,50 EUR. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Gericht führte in der Begründung aus: Eine erhebliche und nicht mehr rechtlich gerechtfertigte Störung lag darin, die Durchführung einer Testung bei allen anderen Gästen zur Bedingung dazu zu machen, erst danach den vorgesehenen Ablauf der Feier stattfinden zu lassen. Eine gesetzliche Verpflichtung, sich vor Besuch einer Veranstaltung zu testen und den Test dann zur Veranstaltung vorzuweisen, gab es nicht, weder unter dem Aspekt des Besuchs einer Gaststätte noch unter dem Aspekt der Teilnahme an einer Veranstaltung. Nach dem Winter 2021/2022 gab es keine gesetzliche Verpflichtung mehr, die bei der Durchführung von privaten Veranstaltungen vorherige Testung vorsahen. Nach geltender Rechtslage waren selbst Kontaktpersonen eines Infizierten nicht einmal mehr zur Isolation verpflichtet und auch eine Pflicht zur Testung bestand für sie nicht. Auch vertraglich war ein solches Recht, die eigene Leistung von vorheriger Testung abhängig zu machen, der Klägerin nicht eingeräumt. Die Klägerin hat zwar anklingen lassen, dass die Testung Teil einer einver­nehm­lichen Lösung gewesen sei. Dies ist aber zur Überzeugung des Gerichts aus dem Inbegriff der Verhandlung widerlegt. Stattdessen war es die Drohung, man würde sonst die gesamte Feier nicht stattfinden lassen, die zu einem Nachgeben der Beklagten als dem kleineren Übel geführt hatte.

Keine Störung der Geschäfts­grundlage

Auch unter Gesichtspunkten einer Störung der Geschäftsgrundlage war eine Testung nicht zu fordern, schon weil sich keinerlei Umstände seit Vertragsschluss schwerwiegend verändert hatten. Bei Corona handelte es sich um eine Erkrankung, mit deren weiterer Virulenz schon Anfang 2022 zu rechnen war. Sie war kein unvor­her­ge­sehener Gesichtspunkt mehr, der einen Vertrag in dessen Grundlage stören würde. Das Risiko einer Infektion mit Corona bei zwischen­mensch­lichem Kontakt war bekanntes Risiko und es hätte als bekanntes Risiko beiden Seiten freigestanden, das Risiko einer Ansteckung zu thematisieren und vertraglich den Umgang mit diesem Risiko zu regeln, wenn dies für eine der beiden Seiten für die Durchführung des Vertrags von Bedeutung gewesen wäre.

Feier durch Corona-Tests erheblich gestört

Durch die Forderung solcher Testung störte die Klägerin die Hochzeitsfeier erheblich, schon dadurch, dass enger Familienkreis des Hochzeitspaares sich um die Organisation und Testung aller Gäste kümmern musste, und Gäste, die sich nicht bereitfinden wollten, überreden mussten. Durch den geforderten Ablauf verzögerte sich auch der Beginn des Essens von 19.30 auf 21.30 und damit auf eine Zeit, die den Bereich bloßer Unannehm­lichkeit weit überschreitet, weil der Rhythmus einer Hochzeits­ver­an­staltung auf Bedürfnisse wie üblichen Hunger und übliche Essenszeiten abgestimmt ist, und zu etwas anderem dienen soll als sich auf Covid testen lassen zu müssen.

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/ab)

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