21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Figur, die einen Mann darstellt, der mit einem Fernglas in der Hecke sitzt.

Dokument-Nr. 16991

Drucken
ergänzende Informationen

Amtsgericht München Urteil26.02.2013

Nachbar hat keinen Anspruch auf Laubrente sofern Bepflanzung mit Laubbäumen dem Charakter der Gegend entsprichtBenutzung des Grundstücks wird durch Laub nicht über ein zumutbares Maß hinaus beeinträchtigt

Grundsätzlich kann ein Grund­s­tücks­be­sitzer von seinem Nachbarn einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn von dessen Grundstück störende Einwirkungen ausgehen, die über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen. Laub vom Nachbarn ist allerdings dann hinzunehmen, wenn die Bepflanzung mit Laubbäumen dem Charakter der Gegend entspricht. Dies entschied das Amtsgericht München

Im zugrunde liegenden Fall gerieten im Jahr 2010 zwei Grund­s­tücks­ei­gentümer in Streit. Grund war ein alter Lindenbaum mit großem Volumen, der auf dem Grundstück eines Ehepaares, ca. 10 bis 12 Meter entfernt von der Grund­s­tücks­grenze ihrer Nachbarin, stand.

Nachbarn fühlen sich durch Lindenbaum des Nachbarn gestört

Mehrmals im Jahr, so beschwerte sich die Nachbarin, sei das Grundstück durch Blüten, Samen, Blätter und Äste vom Lindenbaum in einem Radius von mindestens 30 m bedeckt, im Herbst bilde sich aus Blättern eine mehr als 10 cm dicke Schicht. Vom Lindenbaum wehe fast alles auf ihr Grundstück. Dadurch seien nicht nur der gepflegte Rasen und der Gemüsegarten bedeckt, sondern auch die Regenrinnen verstopft. Zudem würden sich auf der Garagenzufahrt und vor dem Garagentor Laubhaufen bilden. Die Pflege des Gartens sei dadurch erheblich erschwert. Sie müsse die Regenrinnen mindestens 3-4 mal im Jahr reinigen und jährlich 10-15 80 l Tonnen an Laub entsorgen.

Nachbarn verlangen Entschädigung für Laubentsorgung

Für all diese Mühen sei es nur angemessen, wenn sie jährlich 500 Euro bekäme. Das käme nicht infrage, entgegnete das Ehepaar. Die Laubmengen, die entsorgt werden müssten, beträfen den gesamten Laubanfall auf dem Grundstück der Nachbarin und stammten keinesfalls überwiegend von ihrem Lindenbaum.

Beein­träch­ti­gungen könnten nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindert werden

Die Klage kam Ende 2012 vor das Amtsgericht München. Die zuständige Richterin wies die Forderung nach einer "Laubrente" für die Jahre 2010 bis 2012 jedoch ab. Grundsätzlich könne zwar ein Grund­s­tücks­ei­gentümer einen Ausgleich in Geld verlangen, wenn von dem Nachba­r­grundstück Einwirkungen ausgingen, die ortsüblich seien und die Benutzung wesentlich beeinträchtigen, die aber hinzunehmen seien, da sie mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen nicht verhindert werden könnten. Das Abfallen von Lindenlaub und Lindenblüten auf ein Nachba­r­grundstück könne eine solche Einwirkung sein.

Beein­träch­ti­gungen sind jahreszeitlich bedingte und beschränkte Einwirkungen

Für die Beurteilung der Beein­träch­tigung als wesentlich oder unwesentlich sei maßgebend, in welchem Ausmaß die Benutzung nach der tatsächlichen Zweckbestimmung des Grundstücks gestört werde. Maßstab sei dabei das Empfinden eines verständigen Durch­schnitts­be­nutzers. Für ein Wohngrundstück sei maßgeblich, ob das Wohnen an Annehm­lich­keiten verliere und der Grundstückswert dadurch gemindert werde. Vorliegend sei das Grundstück im Frühjahr mit Blüten und im Herbst mit Laub des Lindenbaums bedeckt, es handele sich daher um jahreszeitlich bedingte und beschränkte Einwirkungen. Ein durch­schnittlich empfindender und denkender Anwohner ohne besondere Empfindlichkeit würde die geschilderten Beein­träch­ti­gungen ohne Entschä­di­gungs­ver­langen hinnehmen.

Laubfall vom Nachba­r­grundstück stellt ortsübliche Einwirkung dar

Diese Beein­träch­ti­gungen seien auch hinzunehmen, da sie auf eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks zurückzuführen seien und durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden könnten. Maßgebend sei dabei das Gepräge, das sich aus der Betrachtung des aktuellen, tatsächlichen Zustands der Mehrheit der Grundstücke der betreffenden Wohngegend ergebe. Danach liege bei Laubfall von einem Nachba­r­grundstück eine ortsübliche Einwirkung vor, sofern eine solche Bepflanzung von Garten­grund­s­tücken dem Charakter der Gegend entspreche. Dabei sei die Frage der Ortsüblichkeit nicht an der einzelnen Art des Laubbaumes zu orientieren. In einer stark durchgrünten Wohngegend, wo auf nahezu allen Grundstücken Laubbäume unter­schied­licher Art stünden, werde der Charakter des Gebiets durch die Baumbepflanzung schlechthin geprägt. Vorliegend handele es sich um eine solche durchgrünte Wohngegend. Die Mehrheit der Grundstücke sei stark mit Bäumen unter­schied­licher Art bepflanzt, wobei auch andere Lindenbäume vorhanden seien. Das Ehepaar könne die von dem Lindenbaum ausgehenden Einwirkungen auch nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindern.

Nachteil müssen erhöhte Grund­s­tücks­ver­schmutzung durch das Wohnen im Grünen als Lagevorteil in Kauf nehmen

Die Einwirkungen beein­träch­tigten die Benutzung des Grundstücks der Klägerin entgegen ihrer Ansicht auch nicht über das zumutbare Maß hinaus. Auch hinsichtlich der Unzumutbarkeit sei auf das Empfinden eines verständigen Durch­schnitts­be­nutzers, nicht des konkreten Benutzers des betroffenen Grundstücks, abzustellen. Die Klägerin trage vor, sie müsse die Regenrinnen mindestens 3-4-mal im Jahr reinigen und jährlich 10-15 80 l Tonnen an Laub entsorgen. Dieser vorgetragene Reini­gungs­aufwand sei hinzunehmen. Die benachbarten Grundstücke befänden sich in einem seit vielen Jahren gewachsenen Wohngebiet mit hohem Baumbestand. Infolgedessen sei das Grundstück der Klägerin wie auch die Mehrheit der Vergleichs­grund­stücke dem Abfallen von Laub, Blüten und Ästen der fremden und eigenen Bäume ausgesetzt. Deshalb müsse die Klägerin, ebenso wie auch andere Grund­s­tücks­nutzer in der Gegend, regelmäßig Reini­gungs­a­r­beiten vornehmen, wozu auch die Reinigung von Regenrinnen und Beseitigung von Laub gehöre, auch wenn es Zeit und Geld koste. Das Alter und das eigene Vermögen des Grund­s­tücks­be­nutzers spiele dabei keine Rolle. Die Klägerin genieße das Wohnen im Grünen als Lagevorteil, daher müsse sie den damit verbundenen Nachteil der erhöhten Grund­s­tücks­ver­schmutzung durch pflanzliche Bestandteile in Kauf nehmen. Auch das gewachsene Umwelt­be­wusstsein in weiten Kreisen der Bevölkerung, welches das Anpflanzen und Halten von Bäumen auch in Wohngebieten als erstrebenswert ansehe, spreche gegen eine Beein­träch­tigung der Klägerin in der ortsüblichen Benutzung ihres Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil16991

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI