Der Verurteilte des zugrunde liegenden Verfahrens ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Anästhesiologie und Notfallmedizin und betreibt eine Arztpraxis in München. Er verabreichte in seiner Arztpraxis fünf Mal einem Patienten Fentanylpflaster, ohne dass die Anwendung der Pflaster medizinisch begründet war. Am 20. Juni 2013., 26.Juni 2013, 1.Juli 2013, 5. Juli 2013 und 8.Juli 2013 wurden dem Patienten in der Praxis jeweils ein oder zwei verordnete Pflaster gegeben. Der Patient verstarb am 18. November 2013 in seiner Wohnung an einer Fentanylintoxikation. Er hatte sich die vom verurteilten Arzt verschriebenen Fentanylpflaster intravenös verabreicht.
Das Amtsgericht München hat in der Verhandlung die Patientenakte eingesehen. Daraus ergab sich, dass der Patient anfangs überwacht wurde und grundsätzlich nach Abholung der Fentanylpflaster in der Apotheke diese zur Arztpraxis verbringen sollte, wobei ihm die Fentanylpflaster im Folgenden nach und nach entweder ausgehändigt oder in der Praxis aufgeklebt wurden, so das Urteil. Ein Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass die ärztliche Behandlung mit Fentanyl medizinisch nicht begründet gewesen sei. Dem Arzt sei bekannt gewesen, dass der Patient opiatabhängig, nikotin- und alkoholsüchtig war und sich in Substitutionsbehandlung befand. Es hätte die Möglichkeit bestanden, vor einer Verschreibung oder Verabreichung von Fentanylpflastern, den Patienten aufzufordern, eine entsprechende Bestätigung über die verschriebenen Substitutionsmittel einzuholen und vorzulegen. Dies habe der Angeklagte zu Unrecht unterlassen, so das Gericht.
Außerdem wäre die Kombination aus Fentanylpflastern, Lorazepam und Lyrica in der stärksten Darreichungsform und der größten Verpackungsgröße medizinisch nicht begründet gewesen. Es sei hier daher von grob fahrlässigem Verhalten auszugehen. Der Angeklagte habe gewusst, dass er es mit einem Suchtkranken zu tun hatte, der sich im Notfall mit Betäubungsmitteln oder Medikamenten auf dem Schwarzmarkt versorgt hatte. Dies ergebe sich eindeutig aus den Eintragungen in der Patientenkartei. Obwohl dem Angeklagten somit bewusst gewesen sei, dass der Patient unkontrolliert seiner Opiatsucht nachging, habe er die unbedingt erforderlichen Überprüfungen der Angaben des Patienten unterlassen, so die Urteilsgründe.
Das Gericht wertete zulasten des Angeklagten, dass er dem Patienten eine harte Droge verabreicht hat. Das Gericht führt hierzu aus, dass es sich bei Fentanyl nämlich um eines der gefährlichsten Betäubungsmittel auf dem Drogenmarkt handele. Fentanyl weist je nach Stärke der Pflaster das 100- bis 300-fache der Morphinwirkung auf, die toxische Potenz der Fentanylderivate ist ebenfalls 100- bis 300-Mal stärker. Auch ist die Dosierbarkeit problematisch und die Gefahr der Ausbildung einer physischen und psychischen Abhängigkeit sehr hoch.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.12.2016
Quelle: Amtsgericht München/ra-online