18.10.2024
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Dokument-Nr. 17266

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Urteil14.03.2013Amtsgericht Bremen9 C 481/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MMR 2013, 751Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2013, Seite: 751
  • NJW-RR 2013, 1276Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2013, Seite: 1276
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ergänzende Informationen

Amtsgericht Bremen Urteil14.03.2013

Keine achtstündige Wartepflicht zur Freischaltung eines Anschlusses für Tele­kommunikations­kundeRücksicht­nahme­pflicht des Tele­kommunikations­anbieters

Ein Tele­kommunikations­anbieter hat im Rahmen der Freischaltung eines Anschlusses Rücksicht auf die Belange des Kunden zu nehmen. Ein Freischalt­termin von "8-16 Uhr" ist daher für einen arbeitenden Kunden unzumutbar. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Bremen hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im August 2011 schloss ein Mann mit einem Telekommunikationsanbieter einen Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­vertrag. Nachfolgend kam es jedoch zu Problemen mit der Freischaltung des Anschlusses. Der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­an­bieter bestimmte einen Anschlusstermin im September, welcher in der Zeit von 8-16 Uhr erfolgen sollte. Der Mann lehnte diesen jedoch mit Hinweis auf seine Arbeit ab. Zugleich bot er jedoch mehrere Ausweichtermine im September und Oktober 2011 an. Da aber auch diese Termine nicht zu einer Freischaltung führten, wurde dem Mann im Juni 2012 fristlos gekündigt. Zudem erhob das Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen Klage auf Zahlung der Grundgebühr und auf Schadenersatz wegen der vom Mann verschuldeten vorzeitigen Vertrags­be­en­digung.

Kein Anspruch auf Grundgebühr

Das Amtsgericht Bremen entschied gegen den Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­an­bieter. Diesem habe zunächst kein Anspruch auf die Grundgebühr gemäß § 612 BGB zugestanden. Denn das Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen habe die geschuldete Leistung nicht erbracht. Laut dem Vertrag sei es verpflichtet gewesen, dem Kunden einen Zugang zum öffentlichen Telefonnetz bereitzustellen. Eine solche Verbindung sei jedoch bis zur Kündigung nicht freigeschaltet worden. Der Vergü­tungs­an­spruch sei daher nicht fällig gewesen. Zumindest habe dem Kunden angesichts der fehlenden Leistungs­er­bringung ein Zurück­be­hal­tungsrecht zugestanden (§§ 273, 320 BGB).

Kein Anspruch auf Schadenersatz

Zudem habe der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­an­bieter keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertrags, so das Amtsgericht weiter. Denn der Kunde sei für diesen Umstand nicht verantwortlich gewesen. Er habe nicht gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen und die Anschluss­frei­schaltung treuwidrig vereitelt.

Termin "8-16 Uhr" unzumutbar

Zwar treffe nach Ansicht des Amtsgerichts den Kunden eines Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­an­bieters nach Vertragsschluss die Pflicht, dem Anbieter die zeitnahe Freischaltung des Anschlusses zu ermöglichen. Insbesondere müsse er dafür Sorge tragen, dass einem Techniker der Zutritt zu der Anschlussstelle bzw. den Verteilerkästen gewährt werde. Der Kunde müsse aber nicht einen vom Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­an­bieter angebotenen werktäglichen Termin "8-16 Uhr" akzeptieren. Denn einem Arbeitnehmer sei es nicht zuzumuten, einen ganzen Arbeits- bzw. Urlaubstag zu opfern, um gegebenenfalls nach achtstündiger Wartezeit einem Techniker den regelmäßig nur Minuten andauernden Ortstermin zu ermöglichen. Vielmehr müsse der Anbieter einen konkreten Anschlusstermin vorschlagen, dessen Zeitfenster nur in Ausnahmefällen 1-2 Stunden überschreiten darf. Dabei sei es auch unerheblich, ob der Anbieter auf die Mitarbeit bzw. das Diktat eines Monopolisten angewiesen ist.

Rücksicht­nah­me­pflicht des Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­an­bieters rechtfertigt Absage eines konkreten Termins

Ein Kunde dürfe nach Ansicht des Amtsgerichts sogar einen präzisen Anschlusstermin absagen, wenn er seinerseits Terminsangebote vorschlägt. Dies folge daraus, dass die Bereitstellung eines Telefo­n­an­schlusses eine besondere Rücksichtnahme des Anbieters auf die Belange des Kunden verlangt. Dies werde durch das Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­gesetz unterstützt. Denn das Gesetz sehe ein einseitiges Bestim­mungsrecht hinsichtlich des Anschluss­termins nicht ausdrücklich vor. Vielmehr setze es ein kooperatives Verhalten der Vertrags­parteien voraus.

Außer­or­dent­liches Kündigungsrecht wegen fehlender Mitwirkung des Kunden nur in Ausnahmefällen

Nach Einschätzung des Amtsgerichts könne ein außer­or­dent­liches Kündigungsrecht bestehen, wenn der Kunde ernsthaft und endgültig seine Kooperation verweigert. Als Beispiel führte das Gericht das wiederholte und unentschuldigte Verstrei­chen­lassen eines rechtzeitig mitgeteilten und ausreichend präzisen Techni­ker­termins. Ein solcher Fall habe hier aber nicht vorgelegen. Vielmehr sei der Kunde kooperativ gewesen und habe sich um eine zeitnahe Freischaltung bemüht.

Quelle: Amtsgericht Bremen, ra-online (vt/rb)

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