Dokument-Nr. 13707
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- RDG 2012, 186Zeitschrift: Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen (RDG), Jahrgang: 2012, Seite: 186
Amtsgericht Bremen Urteil09.02.2012
Arzt hat keinen Anspruch auf Honorar nach kurzfristiger Terminabsage durch PatientenPatient kann vereinbarten Termin jederzeit stornieren, ohne dass er dem Arzt eine Vergütung schuldet
Wer einen Termin mit einem Arzt ausmacht, geht damit keine rechtsverbindliche Vereinbarung ein. Terminsabsprachen finden aus rein organisatorischen Gründen statt, so dass einer Arztpraxis auch bei einer kurzfristigen Absage des Patienten kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung zusteht. Dies geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Bremen hervor.
Im vorliegenden Fall klagte eine Arztpraxis gegen einen Patienten auf Zahlung von 300,00 €, nachdem dieser einen vereinbarten Behandlungstermin nach Auffassung der Praxis zu kurzfristig abgesagt hatte.
Ein Behandlungsvertrag hat nicht bestanden
Das Amtsgericht Bremen entschied jedoch, dass dem Arzt wegen der kurzfristigen Stornierung des telefonisch vereinbarten Praxistermins kein Anspruch auf Zahlung von 300,00 € zustand. Mangels erbrachter Leistung könne der Kläger keine Gegenleistung verlangen. Ein Vergütungsanspruch gemäß den §§ 611, 615 BGB bestehe nicht, da "kein Behandlungsvertrag geschlossen" worden sei, sondern "lediglich ein Termin für Abschluss und Durchführung eines Behandlungsvertrages". Somit könne auch dahinstehen, ob während des Telefonats tatsächlich darauf hingewiesen worden sei, dass der Beklagte bei Nichtwahrnehmung des Termins eine Vergütung zu leisten habe und der Termin kostenfrei nur bis zu einem bestimmten Termin storniert werden könne (anderer Sachverhalt: AG Nettetal, NJW-RR 2007, 1216: schriftliche Vereinbarung einer Vergütungspflicht nach § 615 BGB im Behandlungsvertrag).
Terminsabsprachen haben keinen rechtsverbindlichen Charakter
Nach Ansicht des Gerichts dürfe ein Patient den mit einer Arztpraxis vereinbarten Termin jederzeit stornieren, ohne dass er dem Arzt eine Vergütung schulde. Die Vergütungspflicht nach § 615 BGB setze nämlich bereits nach dem Wortlaut der Norm ein bestehendes Vertragsverhältnis, typischerweise ein Dauerschuldverhältnis, voraus, in dessen Rahmen ein vertraglich festgelegter Termin vom Dienstberechtigten nicht wahrgenommen wurde. Schließlich bestehe auch keine Vergütungspflicht bei Stornierung oder Nichtwahrnehmung reservierter Dienstleistungen anderer Art wie der eines Friseurs, Theaters oder Kinos. Warum für Arzttermine etwas anderes geltend solle, sei nicht ersichtlich. Terminsabsprachen hätten für sich genommen einen bloß organisatorischen und nicht rechtsverbindlichen Charakter. Schließlich wollten sich auch Ärzte, die vereinbarte Termine nicht zeitgenau einhielten oder sogar nachträglich verlegen ließen, nicht schadensersatzpflichtig im Sinne des § 280 I BGB machen.
Beklagte konnte etwaigen Vertragsabschluss jederzeit kündigen
Im Übrigen sei der über Rückenschmerzen klagende Beklagte nach § 627 BGB berechtigt gewesen, einen etwaigen Vertragsabschluss mit der Klägerin jederzeit zu kündigen (vgl. AG Calw, NJW 1994, 3015). Eine Terminstornierung sei im Zweifel als außerordentliche Kündigung auszulegen. Die Tätigkeit einer Naturheilkunde praktizierenden Ärztin begründe Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen würden (vgl. AG Andernach, NJW-RR 1994, 121). Insofern käme bei Zugang der Stornierungserklärung des Beklagten allenfalls ein Schadensersatzanspruch gemäß § 628 BGB in Betracht.
Beklagter hatte Termin aus einem berechtigtem Grund abgesagt
Ein Schadensersatzanspruch wegen enttäuschten Vertrauens in das zukünftige Zustandekommen des Behandlungsvertrages gemäß §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB bestehe nicht. Potentielle Vertragspartner seien bis zum Vertragsschluss in ihrer Entscheidung grundsätzlich frei. Dies gelte auch dann, wenn der andere Teil in Erwartung des Vertrages bereits organisatorische Vorkehrungen getroffen habe. Eine Schadensersatzpflicht bestehe ausnahmsweise nur dann, wenn eine Partei die Verhandlungen ohne triftigen Grund abbreche, nachdem sie zuvor in zurechenbarer Weise besonderes Vertrauen in das Zustandekommen des Vertrages erweckt habe. Vorliegend habe der Beklagte den Termin absagen wollen, weil er von einem Freund in einer Notlage um Hilfe für den Tag der Behandlung gebeten worden sei. Die Absage des Beklagten sei somit nicht grundlos erfolgt, sondern von einem berechtigten Interesse getragen gewesen. Dem Beklagten könne dabei nicht zur Last gelegt werden, dass die Klägerin ihr Faxgerät nicht eingeschaltet hatte. Der Beklagte habe seine Stornierungserklärung noch rechtzeitig an die Klägerin gefaxt, so dass er unter normalen Umständen mit dem Zugang der Erklärung vor dem avisierten Behandlungstermin habe rechnen dürfen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.07.2012
Quelle: ra-online, Amtsgericht Bremen (vt/st)
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