15.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.

Dokument-Nr. 13707

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Amtsgericht Bremen Urteil09.02.2012

Arzt hat keinen Anspruch auf Honorar nach kurzfristiger Terminabsage durch PatientenPatient kann vereinbarten Termin jederzeit stornieren, ohne dass er dem Arzt eine Vergütung schuldet

Wer einen Termin mit einem Arzt ausmacht, geht damit keine rechts­ver­bindliche Vereinbarung ein. Termins­ab­sprachen finden aus rein organi­sa­to­rischen Gründen statt, so dass einer Arztpraxis auch bei einer kurzfristigen Absage des Patienten kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung zusteht. Dies geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Bremen hervor.

Im vorliegenden Fall klagte eine Arztpraxis gegen einen Patienten auf Zahlung von 300,00 €, nachdem dieser einen vereinbarten Behandlungstermin nach Auffassung der Praxis zu kurzfristig abgesagt hatte.

Ein Behand­lungs­vertrag hat nicht bestanden

Das Amtsgericht Bremen entschied jedoch, dass dem Arzt wegen der kurzfristigen Stornierung des telefonisch vereinbarten Praxistermins kein Anspruch auf Zahlung von 300,00 € zustand. Mangels erbrachter Leistung könne der Kläger keine Gegenleistung verlangen. Ein Vergü­tungs­an­spruch gemäß den §§ 611, 615 BGB bestehe nicht, da "kein Behand­lungs­vertrag geschlossen" worden sei, sondern "lediglich ein Termin für Abschluss und Durchführung eines Behand­lungs­ver­trages". Somit könne auch dahinstehen, ob während des Telefonats tatsächlich darauf hingewiesen worden sei, dass der Beklagte bei Nicht­wahr­nehmung des Termins eine Vergütung zu leisten habe und der Termin kostenfrei nur bis zu einem bestimmten Termin storniert werden könne (anderer Sachverhalt: AG Nettetal, NJW-RR 2007, 1216: schriftliche Vereinbarung einer Vergü­tungs­pflicht nach § 615 BGB im Behand­lungs­vertrag).

Termins­ab­sprachen haben keinen rechts­ver­bind­lichen Charakter

Nach Ansicht des Gerichts dürfe ein Patient den mit einer Arztpraxis vereinbarten Termin jederzeit stornieren, ohne dass er dem Arzt eine Vergütung schulde. Die Vergü­tungs­pflicht nach § 615 BGB setze nämlich bereits nach dem Wortlaut der Norm ein bestehendes Vertrags­ver­hältnis, typischerweise ein Dauer­schuld­ver­hältnis, voraus, in dessen Rahmen ein vertraglich festgelegter Termin vom Dienst­be­rech­tigten nicht wahrgenommen wurde. Schließlich bestehe auch keine Vergü­tungs­pflicht bei Stornierung oder Nicht­wahr­nehmung reservierter Dienst­leis­tungen anderer Art wie der eines Friseurs, Theaters oder Kinos. Warum für Arzttermine etwas anderes geltend solle, sei nicht ersichtlich. Termins­ab­sprachen hätten für sich genommen einen bloß organi­sa­to­rischen und nicht rechts­ver­bind­lichen Charakter. Schließlich wollten sich auch Ärzte, die vereinbarte Termine nicht zeitgenau einhielten oder sogar nachträglich verlegen ließen, nicht schaden­s­er­satz­pflichtig im Sinne des § 280 I BGB machen.

Beklagte konnte etwaigen Vertrags­ab­schluss jederzeit kündigen

Im Übrigen sei der über Rückenschmerzen klagende Beklagte nach § 627 BGB berechtigt gewesen, einen etwaigen Vertrags­ab­schluss mit der Klägerin jederzeit zu kündigen (vgl. AG Calw, NJW 1994, 3015). Eine Termin­stor­nierung sei im Zweifel als außer­or­dentliche Kündigung auszulegen. Die Tätigkeit einer Naturheilkunde praktizierenden Ärztin begründe Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen würden (vgl. AG Andernach, NJW-RR 1994, 121). Insofern käme bei Zugang der Stornie­rungs­er­klärung des Beklagten allenfalls ein Schaden­s­er­satz­an­spruch gemäß § 628 BGB in Betracht.

Beklagter hatte Termin aus einem berechtigtem Grund abgesagt

Ein Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen enttäuschten Vertrauens in das zukünftige Zustandekommen des Behand­lungs­ver­trages gemäß §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB bestehe nicht. Potentielle Vertragspartner seien bis zum Vertragsschluss in ihrer Entscheidung grundsätzlich frei. Dies gelte auch dann, wenn der andere Teil in Erwartung des Vertrages bereits organi­sa­to­rische Vorkehrungen getroffen habe. Eine Schaden­s­er­satz­pflicht bestehe ausnahmsweise nur dann, wenn eine Partei die Verhandlungen ohne triftigen Grund abbreche, nachdem sie zuvor in zurechenbarer Weise besonderes Vertrauen in das Zustandekommen des Vertrages erweckt habe. Vorliegend habe der Beklagte den Termin absagen wollen, weil er von einem Freund in einer Notlage um Hilfe für den Tag der Behandlung gebeten worden sei. Die Absage des Beklagten sei somit nicht grundlos erfolgt, sondern von einem berechtigten Interesse getragen gewesen. Dem Beklagten könne dabei nicht zur Last gelegt werden, dass die Klägerin ihr Faxgerät nicht eingeschaltet hatte. Der Beklagte habe seine Stornie­rungs­er­klärung noch rechtzeitig an die Klägerin gefaxt, so dass er unter normalen Umständen mit dem Zugang der Erklärung vor dem avisierten Behand­lungs­termin habe rechnen dürfen.

Quelle: ra-online, Amtsgericht Bremen (vt/st)

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