03.12.2024
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Dokument-Nr. 29798

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Beschluss28.01.2021Verfassungsgerichtshof Rheinland-PfalzVGH B 71/20
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Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Beschluss28.01.2021

Verfassungs­beschwerde betreffend die Anforderungen an den Nachweis einer Anwalts­vollmacht erfolgreichAnforderungen an Nachweis einer Anwalts­vollmacht dürfen nicht überspannt werden

Der Verfassungs­gerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz hat einer Verfassungs­beschwerde stattgegeben, die in der Sache die Frage betrifft, welche Anforderungen an den Nachweis einer Anwalts­vollmacht zu stellen sind.

Der Beschwer­de­führer wurde als Betroffener in einem Bußgeld­ver­fahren wegen einer ihm vorgeworfenen Geschwin­dig­keits­über­schreitung angehört. Sein Bevoll­mäch­tigter wandte sich im November 2019 mit einem Schreiben an die Verwal­tungs­behörde, in dem er in der Betreffzeile das Aktenzeichen und den Namen des Beschwer­de­führers angab, im Fließtext aufgrund eines Versehens allerdings die Vertretung einer näher bezeichneten Firma anzeigte. Wenige Tage später legte der Bevollmächtigte mit weiterem Schreiben – nunmehr ausschließlich namens des Beschwer­de­führers – Einspruch gegen den zwischen­zeitlich zugestellten Bußgeldbescheid ein und erhielt auf seinen Antrag hin Akteneinsicht. Nach Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht bestimmte dieses den Haupt­ver­hand­lungs­termin zunächst auf Mitte April 2020, verlegte diesen sodann auf Juni 2020 und zuletzt auf Anfang August 2020. Auf schriftlichen Antrag seines Bevoll­mäch­tigten wurde der Beschwer­de­führer von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden.

Fehlende Vollmacht bei Einspruch­s­ein­legung

Im Juni 2020 wies das Amtsgericht darauf hin, dass der Einspruch von November 2019 nach vorläufiger Einschätzung nicht wirksam eingelegt worden sei, da trotz wiederholter Aufforderung keine Vertei­di­ger­vollmacht vorgelegt worden sei. Daraufhin reichte der Bevollmächtigte des Beschwer­de­führers eine auf den 30. Mai 2020 datierte und unterschriebene Vollmachts­urkunde zu den Gerichtsakten. Das Amtsgericht verwarf den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig. Zwar sei das Einspruchs­schreiben des Verteidigers grundsätzlich fristwahrend bei der zuständigen Bußgeldbehörde eingegangen. Es genüge jedoch nicht den Anforderungen an einen wirksamen Einspruch. Hierfür sei erforderlich, dass die Vollmacht bereits zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels erteilt worden und dies auch nachgewiesen sei. Daran fehle es. Die am 27. Juni 2020 eingereichte Vollmacht sei ersichtlich erst am 30. Mai 2020 unterzeichnet worden. Dieser Zeitpunkt liege jedoch deutlich nach dem Zeitpunkt der Einspruch­s­ein­legung. Auf die sofortige Beschwerde bestätigte das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts.

Unzumutbar strenge Handhabung rechtswidrig

Die gegen die vorin­sta­nz­lichen Entscheidungen erhobene Verfas­sungs­be­schwerde hatte Erfolg. Die Entscheidungen des Amts- sowie des Landgerichts verletzten den Beschwer­de­führer in seinem Recht auf ein faires Verfahren in Verbindung mit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Aus der Rechts­schutz­ga­rantie des Art. 124 der Landes­ver­fassung als einer prozess­recht­lichen Konkretisierung des Rechts­s­taats­prinzips folge das Verbot, den Zugang zu den Gerichten in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu recht­fer­ti­gender Weise zu erschweren. Dem Richter sei es insbesondere verwehrt, durch übermäßig strenge Handhabung verfah­rens­recht­licher Vorschriften den Anspruch auf die gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen.

Kein Zweifel an bestehender Bevoll­mäch­tigung

Mit diesen Vorgaben seien die angegriffenen Beschlüsse nicht zu vereinbaren, da sie die Anforderungen an den Nachweis einer Vollmacht überspannten. Werde der Einspruch im Bußgeld­ver­fahren durch einen Rechtsanwalt eingelegt, spreche – auch vor dem Hintergrund seiner Stellung als Organ der Rechtspflege – in der Regel eine Vermutung dafür, dass er hierzu bevollmächtigt sei. Eine andere Beurteilung lasse sich allenfalls bei dem Vorliegen konkreter, gegen eine Bevoll­mäch­tigung sprechender Anhaltspunkte rechtfertigen. Davon sei vorliegend aber nicht auszugehen. Zwar enthalte der erste Schriftsatz des Bevoll­mäch­tigten den Hinweis auf die Vertretung einer anderen Firma. Unter Berück­sich­tigung seiner nachfolgenden Schriftsätze und Anträge, in denen stets das korrekte Aktenzeichen sowie der Name des Beschwer­de­führers angegeben worden seien, handele es sich aber offensichtlich um ein Schreibversehen.

Verkürzung des Rechtsschutzes durch Schluss auf fehlende Bevoll­mäch­tigung bei späterer Vorlage

Ungeachtet dessen habe der Beschwer­de­führer mit der späteren Vorlage der Voll­­machts­urkunde aber auch das Bestehen einer Bevoll­mäch­tigung nachgewiesen. Offenkundig unzutreffend sei in diesem Zusammenhang die in den angegriffenen Entscheidungen vertretene Auffassung, durch die Vorlage einer nach Ablauf der Einspruchsfrist unter­schriebenen Vollmachts­urkunde könne der Nachweis einer Bevoll­mäch­tigung im Zeitpunkt der Einspruch­s­ein­legung nicht geführt werden. Da eine Vollmacht zur Einlegung eines Einspruchs nach allgemeiner Auffassung auch bereits nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1912 nicht schriftlich erteilt werden müsse, verkürze es den Rechtsschutz des Betroffenen unangemessen, allein aus einer zu einem späteren Zeitpunkt unter­schriebenen Vollmachts­urkunde auf die fehlende Bevoll­mäch­tigung im Zeitpunkt der Einspruch­s­ein­legung zu schließen.

Quelle: Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, ra-online (pm/aw)

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