21.11.2024
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Verfassungsgerichtshof Berlin Beschluss14.11.2012

Verschärfte Verant­wort­lichkeit der Anlieger für den Winterdienst auf Gehwegen verfas­sungsgemäßÜberwachung muss nicht persönlich vorgenommen werden sondern kann auch auf zuverlässige Dritte übertragen werden

Der Verfassungs­gerichtshof des Landes Berlin hat die Verfassungs­beschwerde eines Hauseigentümers gegen die geltende Winterdienst­regelung auf öffentlichen Gehwegen im Straßen­reinigungs­gesetz von Berlin zurückgewiesen und eine verschärfte Verant­wort­lichkeit von Anliegern für den Winterdienst für verfas­sungsgemäß erklärt.

Das Land Berlin hat seit langem im Straßen­rei­ni­gungs­gesetz (StrReinG) den Anliegern öffentlicher Straßen die Reinigung der Gehwege einschließlich der Schneeräumung übertragen. Aufgrund negativer Erfahrungen mit häufig mangelhafter Schneeräumung und Eisbeseitigung in dem strengen Winter 2009/2010 hat das Abgeord­ne­tenhaus von Berlin das Gesetz am 18. November 2010 geändert. Es hat u.a. die ordnungs­rechtliche Verant­wort­lichkeit der zum Winterdienst verpflichteten Grund­s­tücks­ei­gentümer verschärft. Die zuvor bestehende Möglichkeit, mit der Beauftragung zur Durchführung des Winterdienstes auch die öffentlich-rechtliche Verant­wort­lichkeit für die ordnungsmäßige Reinigung vollständig auf Dritte zu übertragen, wurde gestrichen. Das Straßen­rei­ni­gungs­gesetz bestimmt (in § 6 Abs. 1) nunmehr, dass die zum Winterdienst verpflichteten Anlieger zwar weiterhin „durch privat­rechtliche Vereinbarungen Dritte mit der Durchführung des Winterdienstes beauftragen“ können. Dadurch entfällt „ihre Verant­wort­lichkeit für die ordnungsgemäße Durchführung des Winterdienstes“ aber nicht. Bei Verstößen gegen die Räumungs­pflichten sieht das Gesetz eine kosten­pflichtige Ersatzvornahme und ein (erhöhtes) Bußgeld vor.

Beschwer­de­führer sieht sich durch Neuregelung und Verant­wort­lichkeit in Reisefreiheit behindert

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Streitfalls, Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks im Bezirk Reinickendorf, hat gegen die Neuregelung Verfas­sungs­be­schwerde eingelegt. Er hat vor allem geltend gemacht, er könne die ihm auferlegte Verant­wort­lichkeit für die Durchführung des Winterdienstes nicht mehr umfassend auf einen Dritten übertragen. Sobald mit Schneefall zu rechnen sei, könne er sich nun nicht mehr ohne Haftungsrisiko aus Berlin entfernen. Da er sich häufig außerhalb von Berlin aufhalte, werde er in seiner Reisefreiheit behindert.

Anlieger müssen alles Zumutbare für ordnungsgemäßen Winterdienst getan oder veranlasst haben

Der Verfas­sungs­ge­richtshof Berlin hat die Verfas­sungs­be­schwerde als unbegründet zurückgewiesen. Das Gericht führte aus, dass die gesetzliche Übertragung der Winterdienstpflicht auf öffentlichen Gehwegen mit der angegriffenen Änderung der ordnungs­recht­lichen Verant­wort­lichkeit der Anlieger mit dem in der Berliner Verfassung garantierten Eigen­tums­grundrecht vereinbar sei. Die hierzu ergangenen Bestimmungen müssten allerdings unter Beachtung der Verfassung ausgelegt und angewendet werden. Das Abgeord­ne­tenhaus und der Senat von Berlin hätten in ihren Stellungnahmen gegenüber dem Verfas­sungs­ge­richtshof bestätigt, dass die ordnungs­rechtliche Verant­wort­lichkeit grundsätzlich nur die sorgfältige Auswahl und die stich­pro­ben­artige Überwachung eines beauftragten Dritten umfasse. Dabei sei auch die Überwachung nicht persönlich zu erfüllen, sondern könne wiederum an einen zuverlässigen Dritten (z. B. Nachbarn oder Hausmeister) delegiert werden. Mit diesem Inhalt sei die Neuregelung verfas­sungsgemäß, so das Gericht. Ergänzend stellte der Verfas­sungs­ge­richtshof klar, dass grundsätzlich keine Pflicht zur höchst­per­sön­lichen Vornahme der notwendigen Arbeiten bestehe. Insoweit müsse es genügen, wenn der Anlieger alles ihm im Einzelfall billigerweise Zumutbare getan und veranlasst habe, um einen ordnungsgemäßen Winterdienst durch von ihm sorgfältig ausgewählte und angemessen überwachte Dritte sicherzustellen. Nur wenn der Anlieger seinen so verstandenen Pflichten schuldhaft nicht nachkomme, könne er ferner wegen einer Ordnungs­wid­rigkeit (nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StrReinG) mit einer Geldbuße belegt werden.

Quelle: Verfassungsgerichtshof Berlin/ra-online

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