21.11.2024
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Verwaltungsgericht Potsdam Urteil09.12.2010

VG Potsdam zur Übertragung von Straßen­rei­ni­gungs­pflichten und Winterdiensten auf Grund­s­tücks­ei­gentümerStraßen ohne Gehwege müssen nicht vom Grund­s­tücks­ei­gentümer geräumt werden – Anlieger ist nicht zum Mähen des Grünstreifens verpflichtet

Das Verwal­tungs­gericht Potsdam hatte darüber zu entscheiden, ob es rechtmäßig ist, die Pflicht zur Straßen­rei­nigung und den Winterdienst bei Straßen ohne angelegte Gehwege auf den Eigentümer des anliegenden Grundstücks zu übertragen und inwieweit ein Anlieger durch eine gemeindliche Straßen­rei­ni­gungs­satzung auch zum Mähen von begrünten Seitenstreifen verpflichtet werden kann.

In dem einen zugrunde liegenden Streitfall (Aktenzeichen: 10 K 1885/06) ist der Kläger des Verfahrens Eigentümer eines Grundstückes, das in einer Klein­gar­ten­kolonie liegt. Die dortigen Wege, die aus einer Fahrbahn und einem Grünstreifen bestehen, befinden sich in Privateigentum. Die beklagte Gemeinde vertrat die Auffassung, dass es sich um öffentliche Straßen im Sinne des Branden­bur­gischen Straßengesetzes handelt, auf die die Straßen­rei­ni­gungs­satzung der Gemeinde Anwendung findet. Mit dieser Satzung wird den Straße­n­an­liegern innerorts u. a. auferlegt, im Falle nicht vorhandener Gehwege einen mindestens 1,20 m breiten Streifen der Straße entlang ihres Grundstückes bei Schnee- und Eisglätte freizuhalten und zu bestreuen. Dagegen wandte sich der Kläger und begehrte die Feststellung, dass er zu diesem Winterdienst nicht verpflichtet ist. Er ist der Ansicht, es handele sich um eine Privatstraße, die zudem außerorts gelegen sei.

Kläger muss kein Winterdienst vor seinem Grundstück leisten

Das Verwal­tungs­gericht Potsdam gab dem Kläger Recht. Unabhängig von der Frage, ob die Straße innerhalb der geschlossenen Ortslage liegt und auch eine öffentlich gewidmete Straße darstellt, ist von dem Kläger ein Winterdienst vor seinem Grundstück nicht zu leisten.

Reini­gungs­pflicht betrifft bei einge­schlossenem Winterdienst ausdrücklich nur Gehwege

Die entsprechende Satzungs­re­gelung verstößt gegen § 49 a Abs. 5 Nr. 2 Branden­bur­gisches Straßengesetz (BbgStrG), wonach lediglich die so genannte „Reini­gungs­pflicht“ auf die Anlieger der erschlossenen Grundstücke übertragen werden darf. Die Reini­gungs­pflicht betrifft aber, soweit sie den Winterdienst einschließt, nach § 49 a Abs. 2 Satz 1 BbgStrG ausdrücklich nur Gehwege. Soweit Gehwege nicht vorhanden sind, gilt ein Grund­s­tücks­streifen von 1,5 m entlang der Grund­s­tü­ck­grenze nur dann als Gehweg, wenn er in einer Fußgängerzone oder in einem verkehrs­be­ru­higten Bereich liegt. Jenseits der angelegten Gehwege, der Fußgängerzonen und verkehrs­be­ru­higten Bereiche sind die Gemeinden nach § 49 a Abs. 3 BbgStrG ausschließlich selbst und ohne Übertra­gungs­mög­lichkeit auf die Anlieger zum Winterdienst im Rahmen ihrer Leistungs­fä­higkeit verpflichtet. Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg möglich.

Sachverhalt in der Rechtssache 10 K 144/09

In dem zweiten verhandelten Streitfall (Aktenzeichen: 10 K 144/09) ist der Kläger des Verfahrens Geschäftsführer und Liquidator einer in Liquidation befindlichen GmbH, die ihrerseits Eigentümerin eines Straße­n­an­lie­ger­grund­stücks ist. Die beklagte Gemeinde hat den Kläger persönlich durch Ordnungs­ver­fügung in Anspruch genommen, Straßenreinigung im Sinne des § 8 der von ihr erlassenen ordnungs­be­hörd­lichen Verordnung durchzuführen. Anlass war ein Grünstreifen jenseits der Fahrbahn, der längere Zeit nicht gemäht worden war.

Gemeinde darf nicht von Eigentümer das Mähen des Grünstreifens vor seinem Grundstück verlangen

Das Verwal­tungs­gericht Potsdam hat die mit der Klage angegriffene Ordnungs­ver­fügung für rechtswidrig erachtet. Sie findet keine rechtliche Grundlage in der ordnungs­be­hörd­lichen Verordnung der Gemeinde, da sie ihrerseits nicht nach § 26 des Ordnungs­be­hör­den­ge­setzes Brandenburg erlassen werden durfte. Vielmehr regelt der Gesetzgeber Reini­gungs­pflichten auf öffentlichen Straßen abschließend und speziell im Branden­bur­gischen Straßengesetz. Nach § 49 a Abs. 5 Nr. 2 BbgStrG dürfen die Gemeinden Reini­gungs­pflichten den Eigentümern nicht durch Verordnung, sondern durch Satzung übertragen. Auch im Rahmen einer solchen Satzung darf jedoch kein von dem Branden­bur­gischen Straßengesetz abweichender Reini­gungs­begriff eingeführt werden. Reinigung dient begrifflich lediglich der Beseitigung von Verun­rei­ni­gungen, nicht aber der Grünpflege irgendwelcher Art. Deshalb durfte der Beklagte von dem Kläger insbesondere nicht verlangen, einen Grünstreifen vor seinem Grundstück zu mähen.

Bescheid regelt vermeintliche Anlie­ger­pflichten nicht mit hierfür erforderlicher Bestimmtheit

Darüber hinaus durfte der angegriffene Bescheid den Kläger nicht anstelle der GmbH heranziehen. Geschäftsführer oder Liquidatoren handeln als gesetzliche Vertreter der von ihnen vertretenen juristischen Personen. Eine eigene Verant­wort­lichkeit als natürliche Personen ist damit nicht verbunden. Ferner regelte der angegriffene Bescheid die vermeintlichen Anlie­ger­pflichten nicht mit der erforderlichen hinreichenden Bestimmtheit. Es genügt nicht, pauschal auf die zugrunde gelegte Rechts­vor­schrift zu verweisen. Im Rahmen einer Ordnungs­ver­fügung muss vielmehr aus Anlass des Einzelfalls die aktuell konkret zu erfüllende Pflicht bezeichnet werden.

Die maßgeblichen Vorschriften des Branden­bur­gischen Straßengesetzes lauten:

§ 49 a Straßen­rei­nigung, Winterdienst

(1) Die Gemeinden haben alle öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage zu reinigen. Das gilt auch für Bundesstraßen. Art und Umfang der Reinigung richten sich nach den örtlichen Erfordernissen. Die ordnungsmäßige Pflicht zur Straßen­rei­nigung geht der verkehrsmäßigen Reini­gungs­pflicht vor.

(2) Die Reini­gungs­pflicht umfasst auch die Verpflichtung, die Gehwege und Überwege für Fußgänger vom Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen, soweit in Fußgängerzonen (Zeichen 242 Straßen­ver­kehrs­ordnung) und in verkehrs­be­ru­higten Bereichen (Zeichen 325 Straßen­ver­kehrs­ordnung) Gehwege nicht vorhanden sind, gilt als Gehweg ein Streifen von jeweils 1,5 m Breite entlang der Grund­s­tücks­grenze. Der für den Straßenbau zuständige Minister kann durch Rechts­ver­ordnung das Bestreuen von Gehwegen mit Stoffen verbieten, die geeignet sind, auf die menschliche Gesundheit oder den tierischen Körper nachteilig einzuwirken oder die Umwelt zu schädigen.

3) Die Gemeinden haben im Übrigen die öffentlichen Straßen, einschließlich der Bundesstraßen innerhalb der geschlossenen Ortslage nach Maßgabe ihrer Leistungs­fä­higkeit vom Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen, soweit das zur Aufrecht­er­haltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

[…]

(5) Die Gemeinden sind berechtigt, durch Satzung

1. Art und Umfang der Reinigung zu bestimmen und die Reinigung auf solche öffentlichen Straßen außerhalb der geschlossenen Ortslage auszudehnen, an die bebaute Grundstücke angrenzen,

2. die Reini­gungs­pflicht ganz oder teilweise den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke aufzuerlegen und

3. die Eigentümer der erschlossenen Grundstücke nach Maßgabe des Kommu­na­l­ab­ga­ben­ge­setzes zu Benut­zungs­ge­bühren heranzuziehen. Besteht für das Grundstück ein Erbbaurecht oder ein Nutzungsrecht für die in § 9 des Sachen­rechts­be­rei­ni­gungs­ge­setzes genannten natürlichen oder juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, so tritt an die Stelle des Grund­s­tücks­ei­gen­tümers der Erbbau­be­rechtigte oder der Nutzungs­be­rechtigte. Bei ungeklärten Eigen­tums­ver­hält­nissen nimmt derjenige die Pflichten des Eigentümers wahr, der die tatsächliche Sachherrschaft über das Grundstück ausübt. In der Satzung ist auf die Rechtsfolgen nach Nummer 2 oder 3 hinzuweisen.

[…]

Quelle: Verwaltungsgericht Potsdam/ra-online

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