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Verfassungsgerichtshof Berlin Urteil06.10.2009
Berliner Kita-Volksbegehren zulässigAngestrebtes neue Kita-Gesetz greift nicht in aktuellen Haushaltsplan ein
Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat entschieden, dass das von mehr als 58.000 Bürgern unterzeichnete Volksbegehren "Kitakinder + Bildung von Anfang an = Gewinn für Berlin" zulässig ist und durchgeführt werden darf. Der Verfassungsgerichtshof gab damit einem Einspruch der Vertreter des Volksbegehrens gegen die Entscheidung des Senats von Berlin statt, mit der das Volksbegehren als unzulässig abgelehnt worden ist.
Trägerin des Volksbegehrens "Kitakinder + Bildung von Anfang an = Gewinn für Berlin" ist eine Initiative des Landeselternausschusses Berliner Kindertagesstätten (LEAK). Gegenstand des Volksbegehrens ist eine Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes (Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege vom 23. Juni 2005). Es sieht neue gesetzliche Regelungen vor, die den Anspruch auf Betreuung von Kindern im Vorschulalter erweitern und verbessern sollen. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen würden zu jährlichen Mehrausgaben in Höhe von etwa 95 Millionen € (so die Vertreter des Volksbegehrens) bzw. mindestens 166 Millionen € (so der Senat von Berlin) führen.
Verfassungsgerichtshof hebt Entscheidung des Senats auf
Mit dem Urteil hat der Verfassungsgerichtshof die Entscheidung des Senats ebenfalls aufgehoben und hierzu ausgeführt:
Ausgabenwirksame Volksbegehren sind nach der im Jahre 2006 geänderten Verfassung von Berlin (Art. 62 Abs. 2 VvB) nur noch dann unzulässig, wenn sie das Haushaltsgesetz und den in ihm festgestellten Haushaltsplan für das laufende Haushaltsjahr unmittelbar zum Gegenstand haben. Dazu gehören auch Volksbegehren, die in einen im Zeitpunkt des Zustandekommens des Volksgesetzes geltenden Haushaltsplan eingreifen. Dagegen erstreckt sich der sogenannte Haushaltsvorbehalt nicht auf finanzwirksame Gesetze, die sich lediglich auf künftige Haushaltsgesetze und zukünftige Haushaltsperioden auswirken.
Kita-Volksbegehren greift nicht in aktuellen Haushaltsplan ein
Diesen Anforderungen genügt das Kita-Volksbegehren. Dem Volksgesetzgeber ist zwar jeder Eingriff in einen aktuellen Haushaltsplan und damit in den Kernbereich der Budgethoheit des Abgeordnetenhauses prinzipiell untersagt. Das Kita-Volksbegehren kann aber so ausgelegt werden, dass es diese Grenze wahrt. Die vorgesehenen Vorschriften, die zu Mehrausgaben führen, könnten im Falle eines erfolgreichen Volksentscheides frühestens mit dem nächsten auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Haushaltsjahr in Kraft treten.
Entgegen der Auffassung des Senats und des Abgeordnetenhauses von Berlin gelten für die Zulässigkeit von Volksbegehren nach der Neufassung der maßgeblichen Verfassungsbestimmung (Art. 62 Abs. 2 VvB) nicht die - wesentlich weiterreichenden - Einschränkungen, die der Verfassungsgerichtshof für die frühere Fassung des Haushaltsvorbehalts angenommen hat. Seit der Verfassungsänderung von 2006 unterliegen Volksbegehren und Volksentscheide über ausgabenwirksame Gesetze keiner höhenmäßigen "Erheblichkeitsschwelle" mehr, ab der sie in das Haushaltsrecht des Parlaments unzulässig eingreifen.
Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip nicht in Frage gestellt
Diesem Verständnis der geänderten Verfassungsbestimmung des Art. 62 Abs. 2 VvB steht auch Bundesrecht nicht entgegen. Die landesverfassungsrechtliche Zulassung finanzwirksamer Volksbegehren und Volksentscheide, die im Erfolgsfall vom Parlament bei der Aufstellung künftiger Haushalte zu berücksichtigen sind, stellt weder das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip noch die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Abgeordnetenhauses in Frage. Auch insoweit entspricht die wesentlich erweiterte Zulassung von Volksbegehren und Volksentscheiden in Berlin seit 2006 dem - für beide Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof maßgeblichen - Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers, die direkte Beteiligung der Bürger an der Landesgesetzgebung (mehr als in anderen Bundesländern) auszubauen und zu stärken.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.10.2009
Quelle: ra-online, Verfassungsgerichtshof Berlin
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