21.11.2024
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Dokument-Nr. 8575

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Verfassungsgerichtshof Berlin Urteil06.10.2009

Berliner Kita-Volksbegehren zulässigAngestrebtes neue Kita-Gesetz greift nicht in aktuellen Haushaltsplan ein

Der Verfas­sungs­ge­richtshof des Landes Berlin hat entschieden, dass das von mehr als 58.000 Bürgern unterzeichnete Volksbegehren "Kitakinder + Bildung von Anfang an = Gewinn für Berlin" zulässig ist und durchgeführt werden darf. Der Verfas­sungs­ge­richtshof gab damit einem Einspruch der Vertreter des Volksbegehrens gegen die Entscheidung des Senats von Berlin statt, mit der das Volksbegehren als unzulässig abgelehnt worden ist.

Trägerin des Volksbegehrens "Kitakinder + Bildung von Anfang an = Gewinn für Berlin" ist eine Initiative des Landes­el­ter­n­aus­schusses Berliner Kinder­ta­gess­tätten (LEAK). Gegenstand des Volksbegehrens ist eine Änderung des Kinder­ta­ges­för­de­rungs­ge­setzes (Gesetz zur Förderung von Kindern in Tages­ein­rich­tungen und Kinder­ta­gespflege vom 23. Juni 2005). Es sieht neue gesetzliche Regelungen vor, die den Anspruch auf Betreuung von Kindern im Vorschulalter erweitern und verbessern sollen. Die vorgeschlagenen Geset­ze­s­än­de­rungen würden zu jährlichen Mehrausgaben in Höhe von etwa 95 Millionen € (so die Vertreter des Volksbegehrens) bzw. mindestens 166 Millionen € (so der Senat von Berlin) führen.

Verfas­sungs­ge­richtshof hebt Entscheidung des Senats auf

Mit dem Urteil hat der Verfas­sungs­ge­richtshof die Entscheidung des Senats ebenfalls aufgehoben und hierzu ausgeführt:

Ausga­ben­wirksame Volksbegehren sind nach der im Jahre 2006 geänderten Verfassung von Berlin (Art. 62 Abs. 2 VvB) nur noch dann unzulässig, wenn sie das Haushaltsgesetz und den in ihm festgestellten Haushaltsplan für das laufende Haushaltsjahr unmittelbar zum Gegenstand haben. Dazu gehören auch Volksbegehren, die in einen im Zeitpunkt des Zustandekommens des Volksgesetzes geltenden Haushaltsplan eingreifen. Dagegen erstreckt sich der sogenannte Haushalts­vor­behalt nicht auf finanzwirksame Gesetze, die sich lediglich auf künftige Haushalts­gesetze und zukünftige Haushalts­pe­rioden auswirken.

Kita-Volksbegehren greift nicht in aktuellen Haushaltsplan ein

Diesen Anforderungen genügt das Kita-Volksbegehren. Dem Volks­ge­setzgeber ist zwar jeder Eingriff in einen aktuellen Haushaltsplan und damit in den Kernbereich der Budgethoheit des Abgeord­ne­ten­hauses prinzipiell untersagt. Das Kita-Volksbegehren kann aber so ausgelegt werden, dass es diese Grenze wahrt. Die vorgesehenen Vorschriften, die zu Mehrausgaben führen, könnten im Falle eines erfolgreichen Volks­ent­scheides frühestens mit dem nächsten auf die Verkündung des Gesetzes folgenden Haushaltsjahr in Kraft treten.

Entgegen der Auffassung des Senats und des Abgeord­ne­ten­hauses von Berlin gelten für die Zulässigkeit von Volksbegehren nach der Neufassung der maßgeblichen Verfas­sungs­be­stimmung (Art. 62 Abs. 2 VvB) nicht die - wesentlich weiter­rei­chenden - Einschränkungen, die der Verfas­sungs­ge­richtshof für die frühere Fassung des Haushalts­vor­behalts angenommen hat. Seit der Verfas­sung­s­än­derung von 2006 unterliegen Volksbegehren und Volksentscheide über ausga­ben­wirksame Gesetze keiner höhenmäßigen "Erheb­lich­keits­schwelle" mehr, ab der sie in das Haushaltsrecht des Parlaments unzulässig eingreifen.

Demokratie- und das Rechts­s­taats­prinzip nicht in Frage gestellt

Diesem Verständnis der geänderten Verfas­sungs­be­stimmung des Art. 62 Abs. 2 VvB steht auch Bundesrecht nicht entgegen. Die landes­ver­fas­sungs­rechtliche Zulassung finanzwirksamer Volksbegehren und Volksentscheide, die im Erfolgsfall vom Parlament bei der Aufstellung künftiger Haushalte zu berücksichtigen sind, stellt weder das Demokratie- und das Rechts­s­taats­prinzip noch die Funktions- und Handlungs­fä­higkeit des Abgeord­ne­ten­hauses in Frage. Auch insoweit entspricht die wesentlich erweiterte Zulassung von Volksbegehren und Volks­ent­scheiden in Berlin seit 2006 dem - für beide Verfahren vor dem Verfas­sungs­ge­richtshof maßgeblichen - Willen des verfas­sung­s­än­dernden Gesetzgebers, die direkte Beteiligung der Bürger an der Landes­ge­setz­gebung (mehr als in anderen Bundesländern) auszubauen und zu stärken.

Quelle: ra-online, Verfassungsgerichtshof Berlin

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