15.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil26.02.2019

Altersgrenze für öffentlich bestellte Vermessungs­ingenieure mit dem Allgemeinen Gleich­behandlungs­gesetz vereinbarHöchst­al­ters­grenze zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt und notwendig

Die in § 13 Abs. 1 Nr. 2 VermG festgesetzte Höchst­al­ters­grenze von 70 Jahren für öffentlich bestellte Vermessungs­ingenieure (ÖbV) verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und ist insbesondere mit dem Allgemeinen Gleich­behandlungs­gesetz vereinbar. Dies entschied der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg.

Die Kläger des zugrunde liegenden Falls - drei öffentlich beauftragte Vermes­sungs­in­ge­nieure - beantragten vor dem Verwal­tungs­gericht Stuttgart festzustellen, dass ihr Amt über die in § 13 Abs. 1 Nr. 2 Vermes­sungs­gesetz (VermG) festgelegte Höchst­al­ters­grenze hinaus fortbesteht. Nach der Bestimmung erlischt das Amt des öffentlich bestellten Vermes­sungs­in­ge­nieurs mit Ablauf des Monats, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet.

VGH: Höchst­al­ters­grenze stellt grundsätzlich unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart wies die Klage als unbegründet ab. Die Berufungen der Kläger blieben beim Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg ohne Erfolg. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass der sachliche und der persönliche Anwen­dungs­bereich des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes eröffnet sei. Insbesondere liege eine Benachteiligung aus einem in § 1 AGG genannten Grund (§ 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG) vor. Die Höchst­al­ters­grenze des § 13 Abs. 1 Nr. 2 VermG sei eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters, da mit ihrem Überschreiten die Bestellung zum ÖbV kraft Gesetzes erlösche.

Benachteiligung aufgrund des Sicher­heits­vor­behalts gerechtfertigt

Die Benachteiligung der von der Höchst­al­ters­grenze betroffenen ÖbV sei indes nach § 10 Satz 1 und 2 AGG sowie aufgrund des Sicher­heits­vor­behalts aus Art. 2 Abs. 5 RL 2000/78/EG (Gleich­be­hand­lungs­rah­men­richtlinie) gerechtfertigt. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AGG sei eine unter­schiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Nur sozia­l­po­li­tische Ziele wie solche aus den Bereichen Beschäf­ti­gungs­politik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung seien legitime Ziele im Sinne des § 10 AGG, die eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskri­mi­nie­rungen aus Gründen des Alters rechtfertigen könnten. Nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs verfolge § 13 Abs. 1 Nr. 2 VermG (auch) sozia­l­po­li­tische Ziele in Form der Schaffung beziehungsweise Beibehaltung einer ausgewogenen Altersstruktur durch eine landesweit flächendeckende Versorgung mit hoheitlichen Vermes­sungs­dienst­leis­tungen.

Generelles Höchstalter erforderlich und verhältnismäßig

Davon unabhängig sei die Benachteiligung älterer ÖbV aufgrund des Sicher­heits­vor­behalts aus Art. 2 Abs. 5 RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Der Verwal­tungs­ge­richtshof gehe davon aus, dass die Höchst­al­ters­grenze des § 13 Abs. 1 Nr. 2 VermG als eine Maßnahme anzusehen sei, die im Sinne von Art. 2 Abs. 5 RL 2000/78/EG für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sei. Sie diene dazu, ÖbV, bei denen altersbedingt nicht mehr die Gewähr gegeben sei, dass sie jederzeit die durch die öffentliche Bestellung an sie gestellten Anforderungen voll erfüllten, aus dem Kreis der ÖbV herauszunehmen und damit der Gefahr, altersbedingt den Amtspflichten nicht mehr nachkommen zu können, zu begegnen. Ein solches generelles Höchstalter sei geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Rüge der Kläger, es seien mildere Mittel gegeben, mit denen dem Sicher­heits­vor­behalt Rechnung getragen werden könne, verfange nicht. Eine Regelung wie im branden­bur­gischen Recht, nach der die Aufsichts­behörde die Zulassung mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen habe, wenn nachträglich Tatsachen einträten, aufgrund derer die Aufsichts­behörde nach § 3 des Gesetzes berechtigt wäre, die Zulassung zu versagen, und die fehlende erforderliche geistige und körperliche Leistungs­fä­higkeit (widerleglich) vermutet werde, wenn der ÖbV das 70. Lebensjahr vollendet habe, sei nicht gleichermaßen wie eine generelle Höchst­al­ters­grenze geeignet, der Gefahr vorzubeugen, dass ein ÖbV altersbedingt seinen Amtspflichten nicht mehr nachkommen könne. Im Übrigen stünden dem Normgeber insoweit sowohl eine Einschät­zungs­prä­ro­gative wie eine Typisie­rungs­be­fugnis zu.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online (pm/kg)

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