21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil09.07.2012

Heimaufsicht darf Begleitung zum Arzt nicht als Regelleistung vorschreibenBegleitung zum Arzt ist keine zum “Gesamtpaket“ der allgemeinen Pflege­leis­tungen gehörende Leistung

Die Heimaufsicht darf einem Heimträger nicht vorschreiben, dass er Heimbewohner als allgemeine Pflegeleistung (Regelleistung) zum Arzt begleiten lässt. Unabhängig davon zählt der Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege für das Land Baden-Württemberg eine Begleitung zum Arzt nicht zu den allgemeinen Pflege­leis­tungen. Dies entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls betreibt ein Pflegeheim für vollstationäre Pflege­leis­tungen. Ihre Heimverträge nach dem Wohn- und Betreu­ungs­ver­trags­gesetz (WBVG) erklären auch Regelungen des “Rahmenvertrags für vollstationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg“ vom 12. Dezember 1996 (mit späteren Änderungen) für verbindlich. Dieser Rahmenvertrag zählt zu den Regelleistungen auch "Hilfen bei der Mobilität" und beschreibt diese wie folgt:

"das Verlassen und Wiederaufsuchen der Pflege­ein­richtung; dabei sind solche Verrichtungen außerhalb des Pflegeheimes zu unterstützen, die für die Aufrecht­er­haltung der Lebensführung notwendig sind und das persönliche Erscheinen des Pflege­be­dürftigen erfordern (z. B. Organisieren und Planen des Zahna­rzt­be­suches)"

Landratsamt ordnet Sicherstellung von Arztbegleitung als Regelleistung an

Die Klägerin bietet Heimbewohnern eine Begleitung zum Arzt außerhalb des Pflegeheims nicht als Regelleistung an, sondern rechnet dafür zusätzlich Kosten ab. Das Landratsamt ordnete unter Hinweis auf die nach Heim- und Rahmenvertrag zu gewähr­leis­tenden "Hilfen bei der Mobilität" an, die Klägerin habe die Arztbegleitung als Regelleistung sicherzustellen. Das Verwal­tungs­ge­richts Stuttgart hielt die Anordnung für rechtmäßig. Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg sah dies jedoch anders und hob die Anordnung auf.

Behörde darf lediglich Pflicht zur Begleitung bei Arztbesuchen vorschreiben, nicht jedoch gesonderte Entgelte hierfür untersagen

Das Landes­heim­gesetz (LHeimG) ermächtige die Heimauf­sichts­behörde schon nicht, Pflichten aus einem Heimvertrag i. S. des WBVG hoheitlich durchzusetzen. Zwar sei es bislang zulässig gewesen, zivilrechtliche Pflichten eines Heimträgers zu Gunsten von Heimbewohnern durch die Heimaufsicht festzusetzen. Nach der Neuverteilung der Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenzen auf dem Gebiet des Heimrechts infolge der Födera­lis­mus­reform sei das aber jedenfalls seit Inkrafttreten des WBVG am 1. September 2009 aus verfas­sungs­recht­lichen Gründen nicht mehr möglich. Denn der Bundes­ge­setzgeber habe mit dem WBVG als Verbrau­cher­schutz­gesetz das Heimver­tragsrecht detailliert und abschließend geregelt. Insoweit stehe Heimbewohnern der Zivilrechtsweg offen; daneben könnten nur Verbrau­cher­schutz­verbände klagen. Die ordnungs­rechtliche Befugnis der Heimauf­sichts­behörde nach dem LHeimG sei daher nunmehr verfas­sungs­konform einschränkend auszulegen. Die Behörde dürfe danach zwar einem Heimträger vorschreiben, dass er Heimbewohner zum Arzt begleiten lasse, nicht aber, dass dies als allgemeine Pflegeleistung, also ohne gesondertes Entgelt, zu geschehen habe. Das betreffe alle ab dem 1. September 2009 neu geschlossenen Heimverträge sowie ältere Heimverträge ab dem 1. Mai 2010.

Rahmenvertrag beinhaltete keine Verpflichtung zur Begleitung von Heimbewohner zum Arzt ohne gesondertes Entgelt

Gleiches gelte für Verpflichtungen aus einem Rahmenvertrag im Pflege­ver­si­che­rungsrecht, wenn die Vertragspartner zu einer umstrittenen Frage keine überein­stimmende Auslegung erzielt hätten. Das sei beim Rahmenvertrag vom 12. Dezember 1996 der Fall, soweit es darum gehe, ob die Arztbegleitung zu den "Hilfen bei der Mobilität" gehöre. Unbeschadet dessen ergebe sich aus diesem Rahmenvertrag aber auch keine Verpflichtung des Heimträgers, Heimbewohner ohne gesondertes Entgelt zum Arzt begleiten zu lassen. Das sei nach Wortlaut, Systematik, Entste­hungs­ge­schichte und Zweck des Rahmenvertrags keine zum “Gesamtpaket“ der allgemeinen Pflege­leis­tungen gehörende Leistung.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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