21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss31.08.2011

Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg äußert Zweifel an Rechtmäßigkeit des staatlichen Sport­wet­ten­mo­nopolsVollstreckung von Unter­sa­gungs­ver­fü­gungen vorläufig ausgesetzt

Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des staatlichen Sport­wet­ten­mo­nopols ist derzeit offen. Dies entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg im Anschluss an die jüngsten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts. Der Verwal­tungs­ge­richtshof gewährte daher der Betreiberin eines Wettbüros im Kreis Göppingen unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung vorläufigen Rechtsschutz gegen eine entsprechende Unter­sa­gungs­ver­fügung.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Streitfalls vermittelt über eine Online-Standleitung Sportwetten an einen öster­rei­chischen Wettanbieter. Im August 2010 untersagte ihr das Regie­rungs­prä­sidium unter Berufung auf das staatliche Sportwettenmonopol, in Baden-Württemberg Sportwetten zu veranstalten, zu vermitteln oder hierfür zu werben. Ferner drohte es ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro an.

Verfahrensgang

Die hiergegen erhobene Klage hatte vor dem Verwal­tungs­gericht Stuttgart Erfolg. Das Berufungs­ver­fahren beim Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg ruht seit Mai 2011. Bereits im Oktober 2010 hatte das Regie­rungs­prä­sidium die Vollstreckung der Unter­sa­gungs­ver­fügung vorläufig ausgesetzt. Im Mai 2011 teilte es der Antragstellerin jedoch mit, dass die Vollstreckung der Unter­sa­gungs­ver­fügung wieder aufgenommen werde, weil sie nicht im Besitz der erforderlichen Erlaubnis für die Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen sei. Auf ihren Antrag gewährte ihr der Verwal­tungs­ge­richtshof hiergegen vorläufigen Rechtsschutz.

Gericht setzt Vollstreckung der Unter­sa­gungs­ver­fügung vorerst aus

Im gegenwärtigen Zeitpunkt könne nicht (mehr) davon ausgegangen werden, dass das im Glücksspielstaatsvertrag normierte staatliche Sport­wet­ten­monopol mit Unions- und Verfas­sungsrecht vereinbar sei, heißt es in den Gründen des Beschlusses. Die Erfolgs­aus­sichten des Berufungs­ver­fahrens seien offen, nachdem das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Entscheidungen des Senats, in denen dieser das staatliche Monopol für rechtmäßig erklärt hatte, aufgehoben und an den Senat zurückverwiesen habe. In den anhängigen Berufungs­ver­fahren müssten nun weitere Ermittlungen hinsichtlich der Werbung des Monopolträgers und hinsichtlich des Automatenspiels getroffen werden. Bis dahin seien Vollstre­ckungs­maß­nahmen auszusetzen.

Individuelle, bei der Erteilung der Erlaubnis zu berück­sich­ti­genden Gesichtspunkte, von Regie­rungs­prä­sidium nicht hinreichend geprüft

Die Unter­sa­gungs­ver­fügung lasse sich entgegen der Annahme des Regie­rungs­prä­sidiums nicht mit der nachgeschobenen Begründung aufrecht­er­halten, dass die Antragstellerin keine Erlaubnis für den Betrieb ihres Wettbüros besitze und wegen des Internetverbots auch nicht erhalten könne, entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof weiter. Der Erlaub­nis­vor­behalt für das Betreiben von öffentlichen Glücksspielen gelte zwar unabhängig von der Wirksamkeit des Sport­wet­ten­mo­nopols. Das Regie­rungs­prä­sidium habe den Sachverhalt aber bisher nur unzureichend ermittelt und daher die individuellen, bei der Erteilung der Erlaubnis zu berück­sich­ti­genden Gesichtspunkte nicht hinreichend in den Blick genommen. Auch sei es unzulässig, die bisher auf das generelle Sport­wet­ten­monopol gestützte Begründung für die Unter­sa­gungs­ver­fügung im Laufe des Verfahrens durch völlig neue Erwägungen zu ersetzen.

Regie­rungs­prä­sidium setzt angeordneten Sofortvollzug im Oktober 2010 wegen bestehender Rechts­un­si­cherheit selbst vorübergehend aus

Schließlich habe das Regie­rungs­prä­sidium den gesetzlich angeordneten Sofortvollzug im Oktober 2010 wegen der bestehenden Rechts­un­si­cherheit selbst vorübergehend ausgesetzt und damit dem grundrechtlich geschützten Recht der Antragstellerin auf freie Berufsausübung sowie der unionsrechtlich verbürgten Dienstleistungs- und Nieder­las­sungs­freiheit trotz fehlender Erlaubnis den Vorrang vor der sofortigen Durchsetzung der Ziele des Glückss­piel­staats­vertrags eingeräumt. Eine durchgreifende Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht habe sich zulasten der Antragstellerin in der Folgezeit nicht ergeben. Hinzu komme, dass der Glückss­piel­staats­vertrag mit Ablauf des Jahres 2011 außer Kraft trete. Zwar habe das Land Baden- Württemberg nach Mitteilung des Antragsgegners mittlerweile vorsorglich ein Gesetz­ge­bungs­ver­fahren eingeleitet, das die Fortgeltung des Glückss­piel­staats­vertrags über den 31. Dezember 2011 hinaus zum Gegenstand habe. Nach dem derzeitigem noch im Entwurfsstadium vorliegenden neuen Glückss­piel­staats­vertrag vom April 2011 solle das staatliche Sport­wet­ten­monopol jedoch für sieben Jahre nicht angewandt werden und im Rahmen einer Experi­men­tier­klausel ein Konzes­si­ons­system eingeführt werden. Ob es letztlich zum Abschluss dieses Staatsvertrages kommt, lasse sich derzeit noch nicht abschätzen.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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