03.12.2024
03.12.2024  
Sie sehen ein Gebäude, welches gerade abgerissen wird.
ergänzende Informationen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss26.03.2018

Anwohner müssen Ballspielplatz für Kinder im allgemeinen Wohngebiet duldenBebauungsplan sieht ausdrücklich Anlage für Kinder bis 14 Jahre und nicht Bolzplatz für Jugendliche und Erwachsene vor

Der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg hat es abgelehnt, Grund­s­tücks­nachbarn vorläufigen Rechtsschutz gegen die bau­planungs­rechtliche Zulassung eines Ballspiel­platzes für Kinder in einem Wohngebiet zu gewähren. Denn bei Errichtung der konkreten Anlage könne und müsse gewährleistet werden, dass im Wesentlichen nur Kinder bis 14 Jahren den Platz nutzten.

Die Antragsteller des zugrunde liegenden Streitfalls sind Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in Pfinztal, welches in einem durch den Bebauungsplan "Hinter dem Dorf" festgesetzten allgemeinen Wohngebiet liegt. In diesem Plangebiet liegt auch das westlich angrenzende, bislang unbebaute Nachba­r­grundstück. Mit der vom Gemeinderat der Antragsgegnerin beschlossenen 5. Änderung des Bebauungsplans "Leonhardshäusle" wurde dieses Grundstück nun als öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung "Ballspielplatz für Kinder" festgesetzt. Im Textteil der planungs­recht­lichen Festsetzungen heißt es, dass dort "ein Ballspielplatz für Kinder mit den Höchstmaßen 15 m x 30 m und zwei darauf in den Boden verankerte (Fußball-)Tore" zulässig seien, die Spielfeldfläche aber einen Mindestabstand von 2,5 m zu den Nachba­r­grund­s­tücken einhalten müsse.

Antragsteller befürchten bei Einrichtung nicht Ballspielfläche für Kinder sondern Bolzplatz für Jugendlichen und Erwachsenen

Die Antragsteller stellten am 16. August 2017 Normen­kon­trol­lanträge gegen die 5. Änderung des Bebauungsplans "Leonhardshäusle". Zugleich beantragten sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO, mit welcher sie die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindern und erreichen möchten, dass der Verwal­tungs­ge­richtshof den Bebauungsplan "Leonhardshäusle, 5. Änderung" bis zur Entscheidung über ihre Normen­kon­trol­lanträge außer Vollzug setzt. Zur Begründung machten die Antragsteller geltend, dass es sich bei der geplanten Einrichtung nicht um eine Ballspielfläche für Kinder handele, sondern vielmehr um einen Bolzplatz zur sportlichen Betätigung von Jugendlichen und Erwachsenen. Denn im Bebauungsplan sei der Benutzerkreis nicht auf Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr beschränkt worden, auch sprächen Größe und Ausstattung der geplanten Einrichtung sowie deren räumliche Entfernung zu einem bereits vorhandenen Kinderspielplatz gegen eine Kinder­spiel­fläche. In der irrigen Annahme, dass die Ballspielfläche unter die Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG falle ("Geräu­schein­wir­kungen, die von [...] Kinder­spiel­plätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspiel­plätzen hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelt­ein­wirkung"), habe die Antragsgegnerin zu Unrecht keine Ermittlungen dazu angestellt, welche Geräu­schein­wir­kungen von der Anlage zu erwarten seien. Auch mit sonstigen Einwirkungen durch fehlgeleitete Bälle und Lärmein­wir­kungen wegen missbräuch­licher und zweck­ent­fremdeter Nutzung des Platzes (insbesondere durch Jugendliche) habe sich die Antragsgegnerin nicht ausein­an­der­gesetzt. Die Festsetzung sei ferner wegen ihrer geringen Entfernung zum Garten der Antragsteller - 7,50 m - nicht mit deren Interessen vereinbar.

Lärmprofil des geplanten Ballspiel­platzes mit Kinder­spielplatz vergleichbar

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg lehnte die Anträge auf Außer­voll­zug­setzung des Bebauungsplans ab, da die Normen­kon­trol­lanträge der Antragsteller keine hinreichende Erfolgsaussicht hätten und diese auch keinen hinreichend schwerwiegenden Nachteil dargelegt hätten. Voraussichtlich zu Recht habe die Antragsgegnerin § 22 Abs. 1a BImSchG für anwendbar gehalten. So könne allein maßgeblich sein, dass im Bebauungsplan auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB ein Ballspielplatz für Kinder festgesetzt worden sei. Zwar könne im Einzelfall die Abgrenzung zu einem Bolzplatz, welche der spielerischen und sportlichen Betätigung Jugendlicher und junger Erwachsener diene und nicht in den Anwen­dungs­bereich der Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG falle, schwierig sein. Diese Abgren­zungs­fragen stellten sich hier aber nicht, weil beim Vollzug des Bebauungsplans - durch Errichtung der konkreten Anlage - gewährleistet werden müsse und könne, dass im Wesentlichen nur Kinder bis 14 Jahren die Anlage nutzten und das Lärmprofil des Ballspiel­platzes dem eines Kinder­spiel­platzes vergleichbar sei. Die Vorgaben im Bebauungsplan (Spielfläche max. 15 m x 30 m, zwei Fußballtore) stünden dem jedenfalls nicht entgegen, zumal ggf. eine kleinere Feldgröße gewählt oder auf das Aufstellen von Toren verzichtet werden könne.

Stand­or­tal­ter­nativen bereits untersucht und mit nachvoll­ziehbaren Argumenten verworfen

Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Anlage missbräuchlich genutzt werde - etwa durch Jugendliche und Erwachsene zum "Bolzen" oder in den Nachtstunden -, dem sei aber allgemein durch Schaffung einer Benut­zungs­ordnung und mit den Mitteln des Ordnungsrechts zu begegnen. Einen Ausnahmefall von der Regelwirkung des § 22 Abs.1a BImSchG, etwa dergestalt, dass die geplante Einrichtung in der Nähe besonders schutzwürdiger Nutzungen liege oder sich nach Art und Größe nicht in die vorhandene Wohnbebauung einfüge, hätten die Antragsteller nicht dargelegt. Alleine die Nähe ihres Grundstücks zum Ballspielplatz führe mit Blick auf die Wahrung der Abstandsflächen und die Möglichkeit, Maßnahmen zur Störungs­mi­ni­mierung zu ergreifen, nicht zu einer Ausnah­me­si­tuation. Voraussichtlich ohne Erfolg bleibe auch der Einwand der Antragsteller, die Antragsgegnerin habe das Risiko anderer drohender Einwirkungen nicht hinreichend ermittelt. Aus der Abwägung­s­tabelle ergebe sich, dass diese möglichen Folgen erkannt worden seien und ihnen mit Ballfangnetzen und ähnlichen Einrichtungen begegnet werden solle. Aus den Protokollen der Sitzungen des Gemeinderats ergebe sich, dass die Antragsgegnerin auch Stand­or­tal­ter­nativen untersucht und mit nachvoll­ziehbaren Argumenten verworfen habe.

Bei nicht vorhergesehenen Belastungen muss Anlage entsprechend gesperrt oder beseitigt werden

Selbst wenn unterstellt würde, dass die Erfolgs­aus­sichten der Normen­kon­trol­lanträge nicht abschließend abschätzbar seien, müssten die Anträge auf Außer­voll­zug­setzung des Bebauungsplans erfolglos bleiben. Denn die Antragsteller hätten einen hinreichend schwerwiegenden Nachteil - als weitere Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO - nicht dargelegt. Es sei nicht zu erwarten, dass es infolge etwaiger Lärmimmissionen zu irreversiblen Grund­rechts­be­ein­träch­ti­gungen kommen werde. Auch mit der Schaffung nicht mehr korrigierbarer Fakten sei nicht zu rechnen. Sollte es in Folge der kurzfristigen Einrichtung der Ballspielfläche zu nicht vorhergesehenen Belastungen kommen, bestünde für die Antragsgegnerin die Verpflichtung, zeitnah die Nutzung der Anlage - etwa durch Absperren der Anlage oder Beseitigung der Tore - zu unterbinden oder die Anlage ggf. zu beseitigen.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss26270

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI